15. Juli 2002

"Ein Zeichen menschlicher Größe"

Interview mit dem Vorsitzenden der Jungen Union Bayern, Markus Söder, auf dem Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl
Markus Söder, der Vorsitzende der Jungen Union Bayern, bezog am Rande des Heimattages in Dinkelsbühl Stellung zu aktuellen politischen Themen wie EU-Osterweiterung, Zuwanderung und Integration. Dr. Söder (CSU) ist 1994 mit 27 Jahren in den Bayerischen Landtag gewählt worden. Er war wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht und promovierte als Jurist an der FAU Erlangen/Nürnberg. Das Interview führte Ortwin-R. Bonfert.

Wie kommt es, dass der Vorsitzende der Jungen Union Bayern am Heimattag der Siebenbürger Sachsen teilnimmt?
Markus Söder hielt eine brillante Rede bei der Eröffnungsveranstaltung in Dinkelsbühl. Foto: Josef Balazs
Markus Söder hielt eine brillante Rede bei der Eröffnungsveranstaltung in Dinkelsbühl. Foto: Josef Balazs

Hierfür gibt es einige Gründe. Erstens bin ich Mitglied der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen und schon allein deswegen ist meine Teilnahme am Heimattag in Dinkelsbühl Ehrensache. Zweitens spricht mich, als Vorsitzenden der Jungen Union in Bayern, das Motto des diesjährigen Heimattages „Mit der Jugend in die Zukunft“ ganz besonders an. Denn es ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass die politische Landschaft ohne Jugend keine Zukunft hat. Ein dritter Grund: Ich habe Sympathie für das Bekenntnis zur kulturellen Tradition der Siebenbürger Sachsen, in einer Zeit des Wandels und der Neufindung die eigene Identität nicht aufzugeben. Der Heimattag ist, wie mir scheint, gleichsam ein Fixpunkt, der hilft, Kraft zu tanken und die zukünftige Richtung zu bestimmen.

Sie haben in Dinkelsbühl mit mehreren meiner Landsleute Gespräche geführt …

… und konnte dabei immer wieder feststellen, dass die Siebenbürger Sachsen es in bewundernswerter Weise geschafft haben, sich in einer schwierigen Phase in Deutschland zu integrieren. Sie übernehmen Verantwortung in diversen gesellschaftlichen Bereichen, in Stadt- und Gemeinderäten und nicht minder in der Wirtschaft.

Integrieren bedeutet nicht nur „vereinheitlichen“, sondern auch „ergänzen“, „vervollständigen“. Im Zuge der EU-Osterweiterung wird sich gegebenenfalls auch das Gesellschaftsbild verändern. Bereitet die Politik die Menschen angemessen auf den Wandel vor?

Die EU-Osterweiterung wird von der Politik sehr ernst genommen. Insbesondere in den grenznahen Gebieten zur Tschechischen Republik gab es mehrere Konferenzen zu diesem Thema. Wie auch bei vorangegangenen Erweiterungen der EU ist es wichtig, Strukturhilfen zu gewähren. Die Menschen verknüpfen mit der Erweiterung auch Ängste, die es auszuräumen gilt. Europa darf nicht ausschließlich ein juristischer, sondern muss vielmehr auch ein geographischer und kultureller Begriff sein. Folglich ist die Osterweiterung eine Selbstverständlichkeit.

Welchen Stellenwert hat in diesem Kontext der Jugendaustausch?

Jugendaustausch hilft, denn je früher sich Menschen grenzüberschreitend begegnen, desto besser lernen sie einander verstehen. Im Kern geht es um das gemeinsame christlich-abendländische Wertesystem in Europa, das uns alle verbindet. Die Landsmannschaften spielen übrigens beim Jugendaustausch mit den betroffenen Ländern eine sehr wichtige Rolle. In kultureller Hinsicht können sie die Funktion eines „Brückenkopfes“ mit Abstand am besten ausfüllen.

Wie bewerten Sie die Bedeutung der gemeinnützigen Stiftung „Zentrum gegen die Vertreibung“ hinsichtlich einer Annäherung zwischen Ost und West?

Ich halte es für unerlässlich, dass man sich gegenseitig der jeweiligen Geschichte bewusst wird. Leider gibt es in gewissen Ländern, etwa in Tschechien, keinerlei Chance für eine kritische Reflexion der eigenen Geschichte. Das dortige Parlament leistet überhaupt keinen Beitrag, um dieses Thema zu entkrampfen, wie auch die jüngsten Äußerungen namhafter tschechischer Politiker belegen. In Deutschland ist die Vertreibung kein Tabu mehr, ja, sie wird offen thematisiert in bedeutenden Publikationen und von renommierten Literaten. Die Zeit ist nun gekommen, dass sich auch unsere neuen EU-Partner im Osten kritische Fragen über ihre eigene Geschichte stellen. Anders als bei Rumänien und den Siebenbürger Sachsen gibt es kein Grußwort von tschechischer Seite am Sudetendeutschen Tag. So etwas wäre aber für die Harmonie und innere Einheit Europas ungeheuer wichtig. Wir werden nicht umhin kommen, das Thema Vertreibung zu klären, um einer jüngeren Generation zu vermitteln, was damals geschehen ist. Es ist ein Zeichen menschlicher Größe, wenn man das vermag.

Politiker und Medien leisten sich immer wieder einen Schlagabtausch beim Thema Zuwanderungsgesetz in Deutschland. Wie kann man aus Sicht der Jungen Union die Zuwanderung steuern?

Das im Bundesrat auf unzulässige Weise zustande gekommene Gesetz löst keine Probleme, sondern schafft nur neue. Das müssen wir ändern. Wir sind an die Grenzen unserer Integrationsfähigkeit gestoßen. Wir zählen derzeit vier Millionen Arbeitslose. Freilich muss differenziert werden zwischen dem High-Tech-Sektor und jenem der Dienstleistungen, wie der Gastronomie. Das Problem besteht darin, dass wir uns in Deutschland seit Jahren vor Sozialreformen im unteren Bereich drücken. Wenn wir dies lösen, benötigen wir kein Zuwanderungsgesetz, wie es verabschiedet worden ist.

Anderes Thema. Die Vereine, die Landsmannschaften sind auf die ehrenamtliche Tätigkeit ihrer Mitglieder angewiesen, die allzu häufig nicht nur mit zeitlichem, sondern auch mit finanziellem Aufwand verbunden ist. Ist eine versicherungs- und steuerrechtliche Besserstellung des Ehrenamtes in Aussicht?

Das Ehrenamt wird von der Bundesregierung viel zu schlecht behandelt. Die eingeführte Besteuerung der sogenannten 630-DM-Jobs hat alle Vereine hart getroffen. Das wollen wir nach der Wahl wieder ändern. Ein positiver Schritt wäre es zudem, die ehrenamtliche Tätigkeit von Jugendlichen in den Schulzeugnissen als besondere Leistung hervorzuheben. Die finanzielle Anerkennung ist die eine Seite, eine andere die moralische.

Seit knapp zwei Jahren kann der Mitgliedsbeitrag von der Steuer nicht mehr abgesetzt werden. Ist auch diesbezüglich eine Revision geplant?

Offen gesagt, die Mitgliedschaft in der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen ist mir den Beitrag allemal wert, da ich ja auch einen direkten Gegenwert erhalte, wie zum Beispiel die Siebenbürgische Zeitung als Vereinszeitung. In Bezug auf Spenden kann ich die Reform des Stiftungsrechtes in Aussicht stellen, wonach es bei Eintreten des Erbschaftsfalls erleichtert werden soll, anderen Menschen zu helfen, wie auch im Falle der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung.

Vielen Dank für das Gespräch.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2002, Seite 9)

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