13. Juli 2002

Hundertjähriges Jubiläum in den USA

Der Zentralverband der Siebenbürger Sachsen in den USA, „Alliance of Transylvanian Saxons“, feierte am 22. Juni sein hundertjähriges Jubiläum in Cleveland, Ohio. Der Heimattag der nordamerikanischen Landsleute fand tags darauf ebenfalls in Cleveland statt, wobei Bundesvorsitzender Volker Dürr und andere Spitzenvertreter der Föderation der Siebenbürger Sachsen als Gastredner auftraten.
Die in den Vereinigten Staaten und in Kanada ansässigen siebenbürgischen Landsleute haben am 23. Juni in Cleveland im US-Bundestaat Ohio ihren Heimattag abgehalten. Das jährliche Treffen findet abwechselnd in einem der beiden nordamerikanischen Länder statt. Veranstalter war dieses Mal die Alliance of Transylvanian Saxons (ATS), der Zentralverband der Siebenbürger Sachsen in den USA, der tags zuvor auch sein 100-jähriges Jubiläum beging. Als Spitzenvertreter sächsischer Körperschaften nahmen an dem Treffen neben dem gastgebenden ATS-Präsidenten David P. Bokesch auch der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft in Kanada, John Werner, seine Amtsvorgängerin Käthe Paulini, der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, Paul Jürgen Porr, aus Österreich Inge Kimmel sowie aus Deutschland der landsmannschaftliche Bundesvorsitzende Volker E. Dürr teil, der auch als Vorsitzender der Föderation der Siebenbürger Sachsen angereist war.
Fahneneinzug bei der 100-jährigen Jubiläumsfeier der Alliance of Transylvanian Saxons, des Zentralverbandes der Siebenbürger Sachsen, in Cleveland, Ohio.
Fahneneinzug bei der 100-jährigen Jubiläumsfeier der Alliance of Transylvanian Saxons, des Zentralverbandes der Siebenbürger Sachsen, in Cleveland, Ohio.

Die Veranstaltungen standen auch in diesem Jahr im Zeichen siebenbürgischen Gemeinschaftssinnes und grenzüberschreitenden Zusammenhalts. Die Jubiläumsfeier der ATS am 22. Juni war eine begründete Rückschau auf 100 Jahre Organisation und ausgefülltes landsmannschaftliches Leben. Nach dem großen Fahneneinzug, wobei alle 27 ATS-Zweige (Branches) mit eigenen Fahnen präsent waren, wurden die Zweigvorsitzenden und Ehrengäste aus dem Ausland vorgestellt.

In seiner Festansprache ließ ATS-Präsident David P. Bokesch die Geschichte seiner Organisation Revue passieren. Die Siebenbürger Sachsen wanderten in drei „Wellen“ nach Amerika ein (1886-1914, 1922-1930 und 1949-1955). Ein erster siebenbürgischer Verein wurde 1891 in Salem, Ohio, gegründet, vier Vereine schlossen sich am 2. Juli 1902 in Erie, Pennsylvania, zum „Siebenbürger Bund“ zusammen, der schon einen Monat später in „Centralverband der Siebenbürger Sachsen“ umbenannt wurde. Der englische Name „Alliance of Transylvanian Saxons“ wurde auf der 62. Jahresversammlung 1965 geprägt. 1931 wurde als Nachwuchsorganisation die „Transylvanian Saxon Junior Association“ gegründet, die vielen jungen Leuten den Zugang zur ATS erschloss. Zurzeit zählt die ATS 8 500 Mitglieder. Bokesch erklärte abschließend: „So lange wir gemeinsam arbeiten und beten, bleiben wir loyale amerikanische Bürger, die stolz auf ihre siebenbürgische Herkunft und ihre Organisation sind, die für unsere Kinder, Enkel und Urenkel aufgebaut wurde.“

Infolge politischer Entwicklungen stehe die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen sowohl in Europa als auch in Nordamerika am Anfang des dritten Jahrtausend vor einer ganz neuen Situation, betonte Volker E. Dürr, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, in seinem Grußwort. „In allen Ländern, wo sie heute als Gemeinschaft leben, sind die Siebenbürger Sachsen kulturell akzeptiert und wegen ihrer Gemeinschaftstreue geschätzt.“ Die neue Lage sollte daher nicht als Verlust und Ende unserer Identität, sondern als Herausforderung gesehen werden, „mit unserer reichen und wertvollen siebenbürgisch-sächsischen Kultur auch in den größeren Dimensionen der Gegenwart und der Zukunft zu leben und zu wirken, in Europa, in Kanada, in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo immer wir leben.“

Dürr überreichte Bokesch die Carl-Wolff-Medaille für seine Verdienste um die Belange der Siebenbürger Sachsen in den USA. „Als erfolgreicher National President der Alliance of Transylvanian Saxons hat David Bokesch vor allem die wirtschaftliche Basis gesichert, die die Pflege siebenbürgisch-sächsischen Kulturgutes in Amerika ermöglicht. Zudem hat er Wege aufgezeigt, Unterstützung nach Siebenbürgen möglich werden zu lassen“, heißt es in der Verleihungsurkunde.

Es sei bemerkenswert, wie es den amerikanischen Landsleute gelungen sei, vorrangig ihr landsmannschaftliches kulturelles Leben zu organisieren, zu finanzieren und erfolgreich zu begleiten, erklärte Dürr gegenüber dieser Zeitung. Davon könnten die Landsmannschaften, ob in Kanada, Österreich oder Deutschland, oder das Forum in Rumänien nur lernen. „Auch wir in Deutschland haben allen Grund zu erkennen, dass es zunächst darum geht, eigene Strukturen zu schaffen, sie trag- und handlungsfähig zu machen und erst danach, aus dieser Kraft der Selbstverankerung in der neuen Welt heraus, auch anderen zu helfen. Die Siebenbürger Sachsen in Deutschland laufen zurzeit Gefahr sich mit Projekten zu befassen, die weit über ihre Kräfte hinausgehen und ihr Standbein in der Bundesrepublik Deutschland gefährden“, betonte Dürr im Gespräch mit dieser Zeitung.
Spitzenvertreter aus fünf Mitgliedsländern erörterten in Cleveland, Ohio, Fragen der weltweiten Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen, von links nach rechts: John Werner, David P. Bokesch, Inge Kimmel, Paul Jürgen Porr, Käthe Paulini und Volker Dürr.
Spitzenvertreter aus fünf Mitgliedsländern erörterten in Cleveland, Ohio, Fragen der weltweiten Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen, von links nach rechts: John Werner, David P. Bokesch, Inge Kimmel, Paul Jürgen Porr, Käthe Paulini und Volker Dürr.


Weitere Grußworte anlässlich des ATS-Jubiläums überbrachten Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Siebenbürgenforums, Inge Kimmel seitens der siebenbürgischen Landsmannschaft in Österreich, und John Penteker, stellvertretender Vorsitzender der Landsmannschaft in Kanada, der für den 21.-22. Juni 2003 zum nordamerikanischen Heimattag nach Aylmer, Ontario (Kanada), einlud. Das kulturelle Programm wurde vom Deutschen Musikverein Cleveland, dem Eintracht Männerchor New Castle, P.A., und der Transylvania Jugendtanzgruppe aus Kitchener bestritten, die sich kurz danach auf Tournee nach Österreich und Deutschland begab. Die „Edelweiß-Band“ unter Al Nowak ließ den rauschenden Ball mit flotter Tanzmusik ausklingen.

Der eigentliche Heimattag fand am darauf folgenden Sonntag, dem 23. Juni, im „Sachsenheim“ zu Cleveland statt. Diese großzügig gestaltete siebenbürgische Begegnungsstätte war schon 1927/29 in einem Stadtviertel errichtet worden, in dem inzwischen viele zugezogene Gastarbeiter leben. Der Gottesdienst wurde von Reverend Fred Tober von der evangelisch-lutherischen St. Thomaskirche zelebriert. ATS-Präsident Bokesch konnte anschließend rund 350 Gäste zum Festessen begrüßen.

In den Mittelpunkt seines Grußwortes stellte der Bundesvorsitzende Volker Dürr den Begriff „Heimat“. Heimat im Sinne von Jahrhunderte lang geübter praktischer Solidarität mit den Menschen gleichen Schicksals sei überall dort erhalten geblieben, wo die Siebenbürger Sachsen heute leben. Aus diesem „sächsischen Selbstverständnis“ heraus sei eine neue Geborgenheit erwachsen, „die sich auch in Zeiten der Not, der Wanderschaft, in Tagen ohne Zukunft bewährt hat und die Gemeinschaft weiterhin stärkt“, so Dürr. Ihr aus der alten Heimat geretteter Erfahrungsschatz befähige sie - bei aller Beschränkung ihres politischen Durchsetzungsvermögens -, „am Brückenbau über alle Grenzen hinweg und an dem Aufbau des neuen ‚Hauses Europa‘ mitzuwirken“. Grundlage ihrer gelungenen Beheimatung, auch in Nordamerika, seien ihr „ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl und ihre Toleranzfähigkeit im Zusammenleben mit anderen Völkern“, sagte der Bundesvorsitzende.

Dürr überreichte Käthe Paulini die Stephan-Roth-Medaille für ihre herausragenden Verdienste um die Integration der Siebenbürger in Kanada. Dem kanadischen Bundesvorsitzenden John Werner verlieh Dürr das Goldene Ehrenwappen der Landsmannschaft in Deutschland vor allem für seine Verdienste um den Transylvania Club in Kitchener. Werner hat diese wichtige Anlaufstelle des siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaftslebens in Kanada auf feste Fundamente gestellt. Im Zeichen des oben erwähnten Engagements für Siebenbürgen überreichte David Bokesch Herrn Dürr einen Scheck über 15 608 Euro für das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen in München zwecks Unterstützung bedürftiger Landsleute in Siebenbürgen.

Das Kulturprogramm wurde von der Siebenbürger Blaskapelle Youngstown (Saxon Brass Band), dem Transylvania-Chor Kitchener, dem Eintracht Saxonia Sachsenchor, der Tanzgruppe Cleveland (Saxon Dance Group) u.a. gestaltet. Die Jubiläumsfeier und der Heimattag wurden hervorragend von den ATS-Zweigen 1 und 4 sowie den Vorstandsmitgliedern Joan Miller-Malue, erste Vizepräsidentin, Rob Cunningham, dritter Vizepräsident, der Sekretärin Monica Weber, Peter Karstl und Liz Weber organisiert und durchgeführt.

Solide Basis für weltweite Zusammenarbeit

Tags zuvor, am 22. Juni, hatten ebenfalls in Cleveland die 16. Föderationsgespräche stattgefunden. Die fünf Mitgliedsländer waren durch die jeweiligen Vorsitzenden David Bokesch (USA), John Werner (Kanada), Paul Jürgen Porr (Siebenbürgen), Volker Dürr (Deutschland) sowie Österreich durch Inge Kimmel vertreten. Nach der Begrüßung durch Gastgeber David Bokesch wurde unter der Tagungsleitung des Föderationsvorsitzenden Volker Dürr das Protokoll der letzten Föderationsgespräche von September 2001 in Wels genehmigt. Die Teilnehmer berichteten über die Situation der Siebenbürger Sachsen in den jeweiligen Ländern und stellten die spezifischen Probleme dar. Erörtert wurden sodann wichtige Maßnahmen im Rahmen der Föderation: Jugend- und Kulturaustausch sowie die gemeinsame Vorgehensweise in grundsätzlichen Fragen, namentlich der Kulturförderung der jeweiligen Landesregierungen, der Aussiedlerintegration (ein Thema, das vorrangig die Siebenbürger in Deutschland betrifft) und der Siebenbürgenhilfe. Es wurde beschlossen, dass die Überseekosten von Föderationsmitgliedern aus Rumänien von den restlichen Mitglieder getragen werden.

Die Teilnehmer stellten einstimmig fest, dass die 1984 in Sachsenheim-Elixhausen gegründete und 1993 um das Siebenbürgenforum erweiterte Föderation der Siebenbürger Sachsen mittlerweile auf einer soliden Basis steht und Zukunft hat. „Wir haben inzwischen ein Netz geflochten und Strukturen entwickelt, die belastbar und tragfähig sind“, erklärte der Dürr gegenüber dieser Zeitung. Projekte werden in guter Abstimmung miteinander finanziert und Veranstaltungen gemeinsam in die Wege geleitet. Wichtige Anlaufstelle sei die Geschäftsstelle der Föderation, die ihren Sitz bei der Landsmannschaft in München hat, wo Informationen gebündelt und Finanzierungen abgestimmt werden. Die Föderationsgespräche in Cleveland wurden, zur Freude der Gastgeber, komplett in englischerSprache geführt, und nicht wie bisher in deutscher Sprache.

Zu den 17. Föderationsgesprächen lud Dürr für Pfingsten 2003 nach Dinkelsbühl ein. Dann soll auch Bilanz darüber werden gezogen, wie sich die Föderation in den letzten zehn Jahren seit dem Beitritt des Siebenbürgenforums entwickelt hat.

Siegbert Bruss


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2002, Seite 1-2)

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