12. Juli 2002

Wieder gewählte BdV-Präsidentin Steinbach attackiert Bundesregierung

Der Bund der Vertriebenen hat im Rahmen seiner Bundesversammlung in der Hessischen Landesvertretung in Berlin am 29. Juni Erika Steinbach (MdB) mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt. Bei der Neuwahl des BdV-Präsidiums fand mit Albrecht Schläger zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder ein Sozialdemokrat Berücksichtigung.
In ihrer Rede zur Bundesversammlung des BdV bezog Erika Steinbach Stellung zu aktuellen Belangen des Vertriebenenbundes, in dem auch die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen Mitglied ist.
Im Amt bestätigt: BdV-Präsidentin Erika Steinbach. Pressefoto
Im Amt bestätigt: BdV-Präsidentin Erika Steinbach. Pressefoto

Die Präsidentin begrüßte zunächst die "nach jahrzehntelanger Schweigezäsur" zunehmende mediale Präsenz des Themas Vertreibung sowie die außerordentliche Publikumsresonanz. Bundesinnenminister Otto Schily sei mit seiner Rede 1999 im Berliner Dom "Türöffner für dieses Umdenken" gewesen. In diesem Kontext stehe auch die Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, die das Präsidium des BdV am 6. September 2000 eingerichtet hat. Inzwischen sind mehr als 400 deutsche Städte und Gemeinden Paten des Zentrums. Steinbach plädierte für Berlin als Standort für die Gedenkstätte. Im Zentrum gegen Vertreibungen müsse neben der Vertreibung anderer Völker und Volksgruppen auch die der Deutschen angemessen dargestellt werden. In diesem Zusammenhang verwies Präsidentin Steinbach auf die deutschen Heimatvertriebenen.

Hinsichtlich der Bewahrung des kulturellen Erbes warf Steinbach der Bundesregierung vor, "sträflich und vorsätzlich versagt" zu haben: "In den letzten Jahren wurde in diesem Bereich Kulturpolitik mit dem ideologischen Schlachtermesser betrieben." Aufgrund der Mittelkürzungen sei eine tragfähige kulturelle Breitenarbeit, wie sie in § 96 des Bundesvertriebenengesetzes verankert ist, nicht mehr möglich. Infolgedessen sei die Arbeit der Landsmannschaften massiv beeinträchtigt. Steinbach forderte daher vehement einen Kurswechsel.

In Bezug auf die Problematik der Russlanddeutschen mahnte Erika Steinbach Deutschlands solidarische Verantwortung an. Damit die Betroffenen ihre kulturelle Identität bewahren könnten, seien alle gesellschaftlichen Kräfte, Bund und Länder aufgerufen, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.

Die BdV-Präsidentin äußerte sich auch zum Schicksal deutscher Zwangsarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese seien als "lebende Reparationen" missbraucht worden. Abgesehen von Einzelfällen (bei Tatbeständen wie Kriegsgefangenenentschädigung bzw. Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz) fänden die deutschen Zwangsarbeiter jedoch weder rechtliche noch moralische Anerkennung. Hier, monierte Steinbach, klaffe eine Gerechtigkeitslücke.

Ferner regte Erika Steinbach an, künftig den 5. August als nationalen Gedenktag zu begehen. Am 5. August 1950 wurde die Friedens-Charta der deutschen Heimatvertriebenen deklariert.

Die Bundesversammlung appellierte an das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, auf die Tschechische Republik einzuwirken, die Beneš-Dekrete aufzuheben. Wie es in der Entschließung heißt, sei die Resolution des tschechischen Abgeordnetenhauses Unantastbarkeit der Beneš-Dekrete und ihrer Rechtsfolgen vom 24. April 2002 "eine ungeheuerliche Verhöhnung der Opfer".

CS


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2002, Seite 2)

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