11. Dezember 2000

Michael Naumann verlässt die Politik

Der Staatsminister für Kultur und Medien, Michael Naumann, kehrt nach etwa zweijähriger politischen Tätigkeit wieder in den Journalismus zurück. Dies gab Bundeskanzler Gerhard Schröder zusammen mit Naumann und dessen Nachfolger Julian Nida-Rümelin am 23. November auf einer Pressekonferenz in Berlin bekannt.
Tags zuvor hatte Naumann Medienberichte über seinen Wechsel zur Zeit noch als Gerücht zurückgewiesen. Gleichwohl wurde er am 1. Dezember von Dieter Holtzbrinck zum Herausgeber der Hamburger Wochenschrift neben Marion Gräfin von Dönhoff, Helmut Schmidt und Josef Joffe berufen. Naumann und Joffe werden außerdem am 15. Januar zu Chefredakteuren benannt.
In der Politik ist Michael Naumann nie heimisch geworden. Vielmehr wirkte er als Minister "sprunghaft, ohne Rückversicherung, die institutionelle Konsensmechanik weitgehend ignorierend" (Frankfurter Allgemeine Zeitung). "Dem streitlustigen und vor Selbstbewusstsein strotzenden ehemaligen Journalisten und Verlagsleiter lag offenkundig die Politik mit ihren langwierig hinter den Kulissen ausgehandelten Formelkompromissen nicht", schreibt die Neue Zürcher Zeitung. Er konzentrierte sich deshalb lieber auf große Prestigeprojekte, setzte sich für die Filmförderung und Beschaffung zusätzlicher Gelder für die finanziell notleidende Kulturmetropole Berlin ein. Selbst mit den Gesetzen nahm Naumann es nicht so genau und trachtete - aus ideologischer Überzeugung - danach, die ihm obsolet erscheinende Förderung des ostdeutschen Kulturgutes zu zentralisieren und abzuschaffen. Mit den Kulturpolitikern der SPD-Bundestagsfraktion setzte er sich heftig auseinander, was die Vorsitzenden des Kulturausschusses, Elke Leonhard, zum Rücktritt bewog. Der Kultur-Staatsminister im Bundeskanzleramt scheiterte offenbar an seinem Verhältnis zu den Bundesländern, die zusammen mit den Kommunen die Kulturhoheit haben. Naumann nannte dies kürzlich in einem Artikel für Die Zeit "Verfasssungsfolklore" - was selbst den SPD-geführten Ländern viel zu viel wurde.
Zum Jahreswechsel wird Julian Nida-Rümelin neuer Bundesbeauftragte für Angelegenheiten der Kultur und Medien im Bundeskanzleramt. Seit Juli 1998 wirkt der Göttinger Professor der Allgemeinen Philosophie als Kulturreferent der Stadt München. Der 1954 in München geborene Sohn eines Künstlers gilt als "Philosoph auf dem Politikerstuhl" und "eloquenter Schöngeist". Der neue Minister ist seit seinem zwanzigsten Lebensjahr bekennender Sozialdemokrat.

Siegbert Bruss

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