10. August 2002

Parteien auf den Zahn gefühlt

Vor der Bundestagswahl am 22. September antworten die wichtigsten politischen Parteien auf die siebenbürgischen "Wahlprüfsteine"
Politische Skandale, hohe Arbeitslosigkeit und schwächelnde Wirtschaft sind die großen Themen, die Deutschland zurzeit beschäftigen. Zur Stimmabgabe für die Bundestagswahl am 22. September aufgerufen sind im Sinne praktizierter Demokratie auch die Aussiedler in Deutschland und mit ihnen die hier lebenden Siebenbürger Sachsen. Ihre Anliegen und „Wahlprüfsteine“ (siehe Siebenbürgische Zeitung Online vom 29. Juni 2002) fallen freilich weniger spektakulär aus. Dennoch haben wir die Parteien im Bundestag, mit Ausnahme der PDS, gebeten diesbezüglich Stellung zu beziehen. Die Antworten werden im Folgenden zusammengefasst und können Entscheidungshilfe leisten beim bevorstehenden Urnengang.

Aufnahme und Integration der Aussiedler

Einen ersten Problemkreis von spezifischem Interesse stellen dabei Aufnahme und Integration der Aussiedler dar.
Die SPD stellt fest, dass jetzt schon „bei der Aufnahme von Spätaussiedlern ausreichend Mittel für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung“ stehen. Das kürzlich von der rot-grünen Regierung verabschiedete Zuwanderungsgesetz enthalte erstmalig „einen gesetzlich normierten Anspruch auf Integration“. Das neue Gesetz weite zwar den Kreis jener aus, die Anspruch auf Integrationsleistungen haben, aber Umfang, Dauer und Qualität der Integrationsleistungen für Spätaussiedler würden dadurch nicht zurückgehen. „Denn durch die Abhängigkeit der Aufnahme von ausländischen Ehegatten und Abkömmlingen der Spätaussiedler von ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen bereits vor ihrer Ausreise nach Deutschland ist die Sprachkompetenz der Teilnehmer von Integrationskursen bereits zu deren Beginn eine bessere.“

Die CDU erklärt: „Die rot-grüne Bundesregierung hat in den vergangenen vier Jahren eine Politik betrieben, die sich weder an den historischen Gegebenheiten noch an den persönlichen Schicksalen der Aussiedler orientiert hat. Dies zeigen die von der Bundesregierung zu verantwortenden drastischen Kürzungen in den vergangenen Bundeshaushalten von insgesamt einer Milliarde Euro im Jahre 1998 auf rund 615 Millionen Euro im Jahre 2002. Besonders betroffen waren die Hilfen für die deutschen Minderheiten in den Herkunftsgebieten. Diese Reduzierungen gefährden die Bleibeperspektiven der Deutschen und Deutschstämmigen in den Herkunftsgebieten und eine schnelle Integration in Deutschland. Gegen den erbitterten Widerstand von CDU und CSU wurde das von Rot-Grün eingebrachte Zuwanderungsgesetz durch den Bundestag und Bundesrat geboxt. Es enthält massive Verschlechterungen für die Spätaussiedler sowie wie für ihre nichtdeutschen Ehegatten und Abkömmlinge.“ Und weiter: „CDU und CSU unterstreichen deutlich, dass sie die Integration der Spätaussiedler in Deutschland als eine bundesstaatliche Aufgabe verstehen. CDU und CSU bekennen sich zur gemeinsamen Geschichte aller Deutschen; dies wird einmal mehr im gemeinsamen Regierungsprogramm der beiden Unionsparteien zum Ausdruck gebracht. Vor diesem Hintergrund ist an einer Vermutung des allgemeinen Kriegsfolgenschicksals für die Deutschen aus Russland festzuhalten und die historische Verantwortung für diese Menschen zu übernehmen.“

CSU-Generalsekretär Thomas Goppel erklärt gegenüber dieser Zeitung: „Aussiedler sind ein Gewinn für unser Land. 44 Prozent der Spätaussiedler sind jünger als 25 Jahre. Diese günstige Altersstruktur bietet Chancen gerade für unsere sozialen Sicherungssysteme. SPD und Grüne hingegen wollen deutsche Aussiedler willkürlich von der Aufnahme in Deutschland ausschließen. Das von der jetzigen Bundesregierung vorgelegte Zuwanderungsgesetz gefährdet die Integration der Spätaussiedler. Es bleibt weit hinter der bisherigen Integrationsförderung zurück. So kürzt der geplante Integrationskurs von 600 Stunden die bisherige Sprachförderung um rund 300 Stunden, bei Jugendlichen sogar um mehr als 50 Prozent. Wir werden uns daher wieder für eine Verbesserung der Sprachförderung bei Spätaussiedlern einsetzen.“

FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper ist sich „der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Aussiedler aus den ehemals deutschen oder deutschsprachigen Gebieten Osteuropas für den Bestand und die Fortentwicklung des deutschen Volkes bewusst. Deshalb werden wir auch weiterhin am Bestand des Artikels 116 Grundgesetz festhalten. Die deutschstämmigen Menschen, die zu uns kommen, sind bei uns willkommen. Deutschland braucht ihre Begeisterung, ihren Enthusiasmus und ihr Engagement für ein eigenständiges Leben und produktives Wirken in der und damit auch für die Allgemeinheit.“

Ein „zentrales Ziel“ von Bündnis 90/Grüne ist „die soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Integration aller Bevölkerungsgruppen und deren gleichberechtigtes Zusammenleben“. Deshalb unterstützt die Partei „Maßnahmen, mit denen die Eingliederung der in Deutschland lebenden Aussiedler gefördert wird. Vor allem eine ausreichende Versorgung mit Sprachkursen muss gewährleistet bleiben. Dies ist vor allem hinsichtlich der Zukunftschancen der jüngeren Aussiedlergenerationen wichtig.“ Bezüglich der Akzeptanz und Solidarität mit Aussiedlern erklären die Bündnisgrünen: „Gerade im zusammenwachsenden Europa sind Toleranz und Akzeptanz für Menschen unterschiedlicher Herkunft unerlässlich. Grüne Politik richtet die Kulturförderung deshalb europäisch und dialogisch aus. Europa muss ein Kontinent der vielen Völker, der vielen Kulturen, der vielen Sprachen, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sein.“

Kulturarbeit und Siebenbürgisches Museum

In der Frage des kulturellen Erbes der Vertriebenen und Aussiedler sowie dem Erhalt des siebenbürgischen Kulturzentrums in Gundelsheim erklärt Franz-Josef Lersch-Mense, SPD-Abteilungsleiter Politik/Koordination: „Die SPD-geführte Bundesregierung hat es sich unmittelbar nach Amtsantritt zur Aufgabe gemacht, die im Paragraph 96 BVFG festgeschriebenen Aufgaben auf eine neue, in die Zukunft gerichtete Basis zu stellen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien hat deshalb die ‚Konzeption zur Erforschung und Präsentation deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa‘ vom Bundeskabinett am 20.09.2000 beschlossen, erarbeitet. Der Ausbau der Museen wird zügig vorangetrieben. Die Verwissenschaftlichung wird über eine Neustrukturierung des bisherigen Nordostdeutschen Kulturwerks, Lüneburg, und des Südostdeutschen Kulturwerks, München, erreicht. Beide Institute werden künftig als An-Institute an Hochschulen arbeiten. Darüber hinaus wurde das ‚Deutsche Kulturforum östliches Europa‘ in Potsdam gegründet. Dieses Institut soll allen vom Bund Institutionen im Rahmen von §96 BVFG geförderten Bereichen als Serviceeinrichtung dienen.

Die Kulturelle Breitenarbeit erfährt ebenfalls eine neue Grundlage, indem fünf Kulturreferentenstellen geschaffen wurden. Diese Kulturreferenten sind organisatorisch an den vom Bund gemeinsam mit den Ländern und Kommunen geförderten Museen bzw. beim Adalbert-Stifter-Verein angebunden. Die Kulturreferenten bauen Strukturen für eine überregionale Öffentlichkeitsarbeit auf und wirken in Bildungseinrichtungen mit. Ihnen obliegt die Mitgestaltung von Ausstellungen der Museen, dabei kommen grenzüberschreitenden Maßnahmen zunehmend Bedeutung zu. Ein Schwerpunkt der Kulturreferenten liegt in der kulturellen Breitenarbeit der Landsmannschaften; zu ihnen sind enge Kontakte zu halten. Mit diesen Zielsetzungen besonders in der Kulturellen Breitenarbeit wird ein Höchstmaß an Professionalität erreicht.

Eine SPD-geführte Bundesregierung wird mit ihren Maßnahmen auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass die Zielvorstellungen ihrer ‚Konzeption zur Erforschung und Präsentation deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa‘ umgesetzt werden. Damit wollen wir sicher stellen, dass das Kulturgut der Vertreibungsgebiete im Bewusstsein der Vertriebenen und Flüchtlingen, des gesamten deutschen Volkes und des Auslands erhalten und gefördert wird. Ich habe für ihre Argumente für den Verbleib des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim Verständnis, aber auch für die Position des Beauftragten für Kultur und Medien, die von Museumsfachleuten gestützt wird. Meine Hoffnung ist, dass sich noch eine einvernehmliche Lösung findet, die einer bestmöglichen Wahrung des kulturellen Erbes der Siebenbürgen Sachsen dient.“

CDU-Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann kritisiert die Kürzungen der rot-grünen Regierung bei der Pflege des Kulturgutes der Aussiedler und Vertriebenen: „Seit dem Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung wurde die Bundesförderung der Pflege des Kultur- und Geschichtserbes der deutschen Heimatvertriebenen von 23 Millionen Euro im Jahre 1998 auf 16,5 Millionen Euro im Jahre 2002 gesenkt. Für das Haushaltsjahr 2003 stehen lediglich noch 15 Millionen Euro im jetzt vorliegenden Etatentwurf. Das vom damaligen Staatsminister Michael Naumann entwickelte Konzept zur Vertriebenenkulturarbeit geht zudem völlig an den Bedürfnissen der Träger der Vertriebenenkulturarbeit und an dem Erfordernis zur Erhaltung des Kultur- und Geschichtserbes der Heimatvertriebenen vorbei. Die so genannte Neukonzeption zur Förderung der Pflege des Kultur und Geschichtserbes der deutschen Heimatvertriebenen führte zu massiven strukturellen Eingriffen und zu einem Herausdrängen der Vertriebenen aus der Förderung. Ebenso wie die siebenbürgische Landsmannschaft verloren viele andere Institutionen ihre Kulturreferenten und mussten ihre Arbeit ganz oder teilweise einstellen. Dies ist ein Schlag gegen den geistigen Besitz der Heimatvertriebenen. Zudem ist festzustellen, dass sich die Gestaltung der Förderung nicht an den Bedürfnissen der Träger und deren betriebswirtschaftlicher Belange sondern vermehrt an teilweise wirklichkeitsfernen Projektideen orientiert.

Ein von den Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Paziorek (CDU) und Hartmut Koschyk (CSU) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zu der Neukonzeption der Vertriebenenkulturförderung nach § 96 BVFG hat ergeben, dass diese Neukonzeption gegen geltendes Recht verstößt, vor allem auch in dem Punkt, dass sie zum Anlass genommen wird, die Heimatvertriebenen und ihre Organisationen aus der Kulturförderung nach § 96 herauszudrängen. Das Gutachten wurde am 20. Juni 2002 in Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Es ist festzustellen, dass sowohl die Höhe der Förderung aus dem Bundeshaushalt als auch die strukturellen Eingriffe, die mit der Neukonzeption verbunden sind, zu dem Ergebnis führen, dass die Bundesregierung den ihr obliegenden Gesetzesauftrag nach § 96 BVFG nicht erfüllt...

Deshalb haben CDU und CSU in ihrem gemeinsamen Regierungsprogramm erklärt, die Kürzungen der rot-grünen Bundesregierung im Bereich der Pflege des Kultur- und Geschichtserbes der deutschen Heimatvertriebenen zu stoppen. Eine unionsgeführte Bundesregierung wird die Mittel wieder schrittweise erhöhen. Ebenso wichtig ist aber auch, die Bedürfnisse der Träger bei der Gestaltung der Förderung, also beim Gesetzesvollzug den § 96, zu berücksichtigen. Eine Politik, die Projektmittel bereitstellt, aber die Institutionen insoweit schwächt, dass Projektarbeit kaum oder nicht mehr möglich ist, ist eine falsche Politik. Die rot-grüne Bundesregierung hat sich in den letzten vier Jahren vor allen Dingen auch dadurch ausgezeichnet, dass sie gegen den Willen der Träger der Vertriebenenkulturarbeit mit restriktiven Methoden versucht hat, ihre Interessen durchzusetzen. Dies musste auch die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen erfahren, die um den Fortbestand ihres Museums in Gundelsheim kämpfen muss. Durch zahlreiche Interventionen des vertriebenenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk MdB, im Rahmen von Anfragen an die Bundesregierung, die sich inhaltlich diesem Problem dann stellen musste, konnte verhindert werden, dass ohne den Träger einzubeziehen, eine Fusion mit dem Donauschwäbischen Museum in Ulm vollzogen wurde. Durch die Anfragen hat der Staatsminister für Kultur und Medien sich mit dem Problem nochmals befasst und das Gespräch mit dem Träger gesucht. Die Ergebnisse dieses Gespräches liegen der Union bisher nicht vor.“

Die CSU fügt an: „Integration wird auch durch die Weitergabe des Kulturgutes der Deutschen aus dem Osten gefördert. Die Pflege ihrer Kultur stärkt nicht nur die Identifikation der Heimatvertriebenen mit ihrer Geschichte, sondern trägt auch bei zu einem besseren Verständnis für die gemeinsame Geschichte aller Deutschen. Rot-Grün hat durch die Vernachlässigung der Vertriebenenkulturarbeit großen Flurschaden angerichtet. Mittel wurden deutlich gekürzt und zahlreiche bewährte Kultureinrichtungen mussten aufgegeben werden. Die bestehende Vielfalt an kulturellen Einrichtungen ist von Rot-Grün zugunsten eines politisch steuerbaren Zentralismus zerstört worden.“

Die Pflege und Erhaltung der Kulturgüter ist nach Ansicht der Liberalen „nicht alleinige Aufgabe der Vertriebenenorganisationen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die FDP fordert daher für die Zukunft ein klares Konzept. Der von der rot-grünen Bundesregierung vorgenommenen ideologisch begründete Kahlschlag bei den Mitteln für die Pflege des Kulturguts der Deutschen aus Osteuropa muss aus unserer Sicht wieder rückgängig gemacht werden. Die Arbeit des ‚Deutschen Kulturforums östliches Europa e.V.‘ muss evaluiert werden. Unser Ziel ist die Stärkung des Subsidaritätsprinzips auch im Bereich der Vertriebenenorganisationen sowie die Überarbeitung des Aufgabenkatalogs des § 96 BFVG vor dem Hintergrund des europäischen Einigungsprozesses. Verantwortungsobjekt von Bund und Ländern muss das Kulturgut der Vertreibungsgebiete sein. Darüber hinaus brauchen wir eine nachhaltige Kulturförderung in Ost-Mitteleuropa. Die Kultur ist das Gebiet, auf dem eine Verständigung mit den Bürgern Osteuropas am leichtesten zu bewerkstelligen und zugleich am wirkungsvollsten betrieben werden kann.“

Die Bündnisgrünen bewerten die institutionelle und projektbezogene Förderung siebenbürgisch-sächsischer Kultur als sehr „wichtig“. Die Partei setzte sich dafür ein, „dass ein solches Zentrum für Siebenbürgische Kultur in Deutschland weiterhin bestehen bleibt – zumal das Siebenbürgische Museum Gundelsheim seine Sammlung in den letzten Jahren stetig erweitern konnte.“

Förderung deutscher Minderheiten

Bezüglich der finanziellen Hilfen für die in den Siedlungsgebieten lebenden deutschen Minderheiten sind sich die Parteien im Großen und Ganzen einig. Die Sozialdemokraten bekennen sich „zu der besonderen rechtlichen, politischen und moralischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für das Schicksal der in den Staaten Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa sowie in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion lebenden Angehörigen der deutschen Minderheiten. Wir wollen die Unterstützung, die die SPD-geführte Bundesregierung ergriffen hat, auch fortsetzen. Sie unterstützt diese Menschen durch breit gefächerte Bleibehilfen nach dem Grundsatz einer Hilfe zur Selbsthilfe, um den Minderheiten unter Wahrung ihrer Identität die Chance zu eröffnen, am Aufbau ihres Landes mitzuwirken und am Zusammenwachsen Europas nicht zuletzt durch ihre Bindungen zu Deutschland teilzuhaben. Allein vom Bundesministerium des Inneren wurden in dieser Legislaturperiode von 1999 bis einschließlich 2001 über 246 Millionen DM (über 125 Millionen Euro) für Hilfsmaßnahmen zur Verfügung gestellt.“

Die CDU sieht die Förderung der deutschen Volksgruppen in Ost-, Mittel- und Südosteuropa als eine „gesamtstaatliche Aufgabe“. Dies ergibt sich aus der historischen Verantwortung. Die Förderung der deutschen Minderheiten liegt in unserem ureigensten Interesse und muss auch in Zukunft gesichert sein. Wichtig dabei ist, dass nicht nur die Höhe der Zuwendungen an die deutschen Minderheiten sichergestellt ist, sondern dass den deutschen Minderheiten auch die Möglichkeit der weitgehenden Selbstverwaltung und Verwendung der Mittel eingeräumt wird.“ Die Unionsparteien kritisieren die Kürzungen der Haushaltsmittel zur Finanzierung der deutschen Minderheiten durch die rot-grüne Bundesregierung.

Die CSU stellt klar: „Die Förderung der deutschen Minderheiten in den östlichen Nachbarstaaten trägt bei zur Erhaltung der deutschen Kultur, schafft grenzüberschreitende Verbindungen und ist ein wichtiger Faktor zur Bewältigung der EU-Osterweiterung und des Transformationsprozesses. Den deutschen Minderheiten sollen damit auch Perspektiven zum Verbleiben in der Heimat geboten werden. Die deutschen Minderheiten in den Reformstaaten arbeiten eng mit den aus diesen Gebieten stammenden Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern zusammen und sind hervorragende Mittler bei der Schaffung von Kontakten und dem Bau eines gemeinsamen Hauses Europa.“

Für die FDP ist der „beste Schutz deutscher Minderheiten in Mittel- und Osteuropa die Osterweiterung der EU“. Denn der Beitritt eines Landes zur Rechtsgemeinschaft der freien europäischen Staaten impliziert die Anerkennung der gesetzlichen Verpflichtungen zum Schutz der in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Minderheiten und ihrer Rechte. Abgesehen von der moralischen und politischen Verpflichtung gegenüber den Ländern und den Menschen Mittel- und Osteuropas fordert die FDP auch aus wirtschaftlichen Gründen die rasche umfassende und konsequente Einbindung dieser Länder in die EU und den europäischen Binnenmarkt.“

Der europäische Dialog steht im Zentrum der Politik von Bündnis 90/Die Grünen. Michael Weltzin erklärt im Auftrag des Bundesvorstandes „Wir unterstützen Projekte, die dieses Ziel unterstützen. Sozialer und kultureller Austausch zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sind uns wichtig. Die Kultur der in Rumänien lebenden deutschen Minderheit soll deshalb auch in Zukunft durch spezielle kulturpolitische Programme (Jugendbegegnung, Altenfürsorge, Gesprächsforen etc.) gefördert werden; BÜNDNIS 90/Die Grünen setzen dabei auf eine engere Zusammenarbeit mit Trägern der Kulturarbeit vor Ort.

Beharren auf Fremdrentenkürzungen

Von besonderer Wichtigkeit sind für Spätaussiedler die Positionsnahmen in der Rentenfrage. Die frühere Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hatte im September 1996 das sogenannte Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) im Bundestag durchgesetzt und damit die Renten der Spätaussiedler drastisch beschnitten. An dieser Maßnahme hält auch die SPD fest, erklärte Franz-Josef Lersch-Mense, Abteilungsleiter Politik/Koordination, gegenüber dieser Zeitung. „Die Einbeziehung der aufgenommenen Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler in die hiesige Sozialversicherung ist eine großartige Solidaritätsleistung. Angesichts der angespannten Finanzlage der Rentenversicherung waren Kürzungen notwendig und dienen auch der Akzeptanz der Leistungen in der gesamten Bevölkerung.“

Die FDP ist sich im Klaren darüber, „dass die Einschnitte zu Lasten der Aussiedler, die mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz 1996 vorgenommen worden sind, in Einzelfällen sicherlich zu schmerzhaften Ergebnissen führen können.“ Andererseits bittet sie zu berücksichtigen, „dass mit diesem Gesetz für alle Bevölkerungsgruppen in Deutschland bei der Altersversorgung zum Teil erhebliche Einbußen verbunden gewesen sind. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Rückführung der Ausbildungszeiten von sieben auf drei Jahre. Allein diese Maßnahme hat viele Neuzugänge in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr als 100 DM pro Monat bei ihrer Rente gekostet. Vor diesem Hintergrund halten die Liberalen nach wie vor für notwendig, alle gesellschaftlichen Gruppen bei der Konsolidierung der gesetzlichen Rentenversicherung einzubeziehen. Aus diesem Grund haben wir auch die Einschnitte bei den Fremdrenten der Spätaussiedlern für unvermeidlich gehalten. Insgesamt ist die FDP nach wie vor nicht der Auffassung, dass die Spätaussiedler auch in Anbetracht ihrer besonderen Situation überproportional zur Konsolidierung der Rentenfinanzen herangezogen worden sind.“ Unionsparteien und Grüne äußerten sich nicht zu den Fremdrentenkürzungen.

Parteien können ihre Wahlversprechen freilich nicht immer einhalten, weil es die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Entwicklung im Lande gar nicht erlaubt. Dennoch sollte der mündige Bürger ihre Positionen, Ziele und Absichtserklärungen kennen, bevor, jeder für sich selbst, eine Wahlentscheidung trifft. Zudem wäre es empfehlenswert, wenn auch Siebenbürger Sachsen den Wahlkampf dazu nutzen, die eigenen Anliegen im Gespräch mit den Kandidaten der verschiedenen Parteien zu artikulieren.

Siegbert Bruss


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 15. August 2002, Seite 3)

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