30. August 2002

Sozialgerichte in Hessen erkennen 6/6-Bewertung für Rentenanwartschaften an

In mehreren Gerichtsverfahren wurden kürzlich Rentenbehörden - auch außerhalb Bayerns und Baden-Württembergs - von den Gerichten verpflichtet, Lohnlistenauszüge aus Rumänien als Nachweise anzuerkennen. Bei Vorlage entsprechender Lohnlistenauszüge müssen nun auch bestandskräftige Bescheide von den Rentenbehörden überprüft und Leistungen nachgezahlt werden.
Wie mehrfach berichtet, werden Rentenanwartschaften aus dem Herkunftsgebiet bei Glaubhaftmachung nur mit 5/6-Werten, bei Vorlage von Nachweisen jedoch mit vollen 6/6-Werten bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Nachweise liegen (nur) dann vor, wenn aus den Unterlagen neben der Beschäftigungszeit auch detailliert ersichtlich ist, wann die Lohnzahlung z.B. durch Krankenurlaub, unbezahlten Urlaub etc. unterbrochen worden ist. Rentenbehörden hatten stets behauptet, dass diese Unterlagen grundsätzlich nicht als Nachweise ausreichen. In mehreren Musterprozessen konnten bereits vor Jahren Landessozialgerichte in Bayern und Baden-Württemberg davon überzeugt werden, dass Lohnlistenauszüge (extrase din statele de plata) dann als Nachweis ausreichen, wenn diese genaue Angaben zu den genannten Unterbrechungssachverhalten enthalten, erkennen lassen, aus welchen Unterlagen diese Daten entnommen wurden, und keinerlei Widersprüche in der Aktenlage Zweifel am Wahrheitsgehalt der Urkunden aufkommen lassen. Dieses ist stets im Rahmen einer Einzelfallprüfung festzustellen und bei Fehlen von Widersprüchen eine 6/6-Bewertung durchzuführen (so z.B. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 8.7.1997, AZ. L 5 AR 475/95; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2000, Az. L 9 Rj 2551/98). Trotz dieser Entscheidungen und einer diesen Entscheidungen folgende Empfehlung des Verbandes deutscher Rentenversicherer (VDR) haben einige Landesversicherungsanstalten nach wie vor regelmäßig nur 5/6-Werte anerkannt und Lohnlistenauszüge grundsätzlich abgelehnt.

In mehreren Verfahren wurde nun die Landersversicherungsanstalt (LVA) Hessen verpflichtet, bei Vorlage entsprechender Unterlagen und bei Fehlen von Widersprüchen in der Akte 6/6-Werte anzuerkennen. Im Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen, AZ. S-2/11/RJ 415/99 hatte die LVA Hessen vorgetragen, Lohnlisten würden in Rumänien nur fünf Jahre lang aufbewahrt werden, weswegen keine ausreichenden Auszüge gefertigt werden könnten. Diese Auffassung war jedoch von einem Gutachten des Instituts für Ostrecht im Verfahren LSG Baden-Württemberg L 9 RJ 2551/98 widerlegt worden. Zudem hatte das Sozialgericht Gießen den Arbeitgeber angeschrieben und (stichprobenhaft) Kopien der Lohnlisten für die Jahre 1960 und 1961 zugesandt bekommen. Dadurch wurde die Behauptung der LVA Hessen, wonach Lohnlisten in Rumänien nur fünf Jahre lang aufbewahrt werden, widerlegt. Im Rahmen der genaueren Prüfung wurde auch festgestellt, dass die Angaben im Lohnlistenauszug ganz genau den Angaben in den übermittelten Kopien der Lohnlisten entsprochen haben.

Auf Grund dieser Ergebnisse wurde die LVA Hessen dann durch Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. August 2002, Aktenzeichen S-2/11/RJ 415/99, verpflichtet, die durch Lohnlistenauszug belegten Zeiten als nachgewiesen mit 6/6-Werten anzuerkennen. Das Sozialgericht schloss sich damit den Ergebnissen der Musterprozesse in Bayern und Baden-Württemberg an.

Es bleibt abzuwarten, ob die LVA Hessen dieser Entscheidung nun folgen oder weiter ablehnen wird und es in jedem Fall darauf ankommen lässt, ob sich Betroffene gegen die rechtswidrigen Entscheidungen wehren.

Da gemäß § 44 des Sozialgesetzbuches (SGB) X die Möglichkeit besteht, jeden Rentenbescheid (auch nach Jahren) überprüfen zu lassen, empfehlen wir Betroffenen bei Vorlage von Lohnlisten und Ablehnung durch die Behörden die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung prüfen zu lassen. Hilfestellungen bieten gerichtlich zugelassene Rentenberater und Rechtsanwälte mit Praxis im Fremdrentenrecht.

RA Bernd Fabritius,
stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen

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