30. September 2002

Neue Wege der siebenbürgischen Frauenarbeit

Bundesfrauenreferat der Landsmannschaft hielt diesjährige Tagung in Siebenbürgen ab / Sächsinnen von hüben und drüben leisteten Aufklärungsarbeit, bauten Vorurteile ab und entdeckten Gemeinsamkeiten
Das Bundesreferat für Frauen, Familie und Aussiedler der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen hielt seine diesjährige Tagung unter dem Leitwort „Neue Dimensionen der siebenbürgischen Frauenarbeit“ vom 20. bis 28. August in Siebenbürgen ab. Tagungsorte waren das Schülerheim der evangelischen Kirche in Hermannstadt sowie das Erholungsheim in Wolkendorf bei Kronstadt. 20 Frauen aus Deutschland und Ute Moisiuc aus Temeschburg, Geschäftsführerin des deutschen Forums im Banat, sowie fünf Männer, darunter der Vorsitzende der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, Harald Janesch, nahmen unter der Leitung der Bundesfrauenreferentin Enni Janesch an der Tagung teil.

Die Teilnehmerinnen der Frauentagung mit Bischof Klein und seiner Frau Gerda Klein vor der Stadtpfarrkirche in Hermannstadt. Foto: Alida Henning
Die Teilnehmerinnen der Frauentagung mit Bischof Klein und seiner Frau Gerda Klein vor der Stadtpfarrkirche in Hermannstadt. Foto: Alida Henning

Nach 30 Stunden Fahrt im Reisebus kam die Gruppe müde im Schülerwohnheim in der alten Fleischergasse an. Das Haus mit den Kariatiden (im Volksmund „Haus mit den steinernen Jungfrauen“), das unter der Leitung der evangelischen Kirche in Hermannstadt steht und mit Mitteln der Elena-Muresanu-Stiftung und finanzieller Unterstützung des Bayerischen Sozialministeriums renoviert und erweitert wurde und zur Schulzeit Schülern des Brukenthal Gymnasiums als Internat dient, erwies sich von Anfang an als geeigneter Tagungsort. Obzwar wir in den Räumen an unsere Internatszeit erinnert wurden, weil auch Mehrfachbelegung der Zimmer erforderlich war, fühlten wir uns trotzdem in dem großzügigen Haus und dem Innenhof unter der Aufsicht des Hausmeisterehepaares gut aufgehoben.

Bei einem ersten Bummel durch die Stadt war alle Müdigkeit verflogen. So trafen wir uns dann entspannt zu einer Vorstellungsrunde. Der Abend bot interessante Gespräche angesichts dieser erstmalig geführten Runde von daheimgebliebenen, spätausgesiedelten oder im Kindesalter durch Flucht umgesiedelten Frauen siebenbürgischer Herkunft unter der Moderation von Ilse Philippi und Enni Janesch. Anwesend waren die ehemalige Lehrerin Marga Grau (welche Freude, als sie einige ihrer Schülerinnen unter den Teilnehmerinnen wiederfand!), die Rückkehrerin Marie Luise Höppner-Roth und die Journalistin der Hermannstädter Zeitung, Beatrice Ungar.

An den folgenden Tagen musste ein dichtes, gut organisiertes Programm bewältigt werden, bei dem Ilse Philippi die Gruppe als Moderatorin begleitete. Programmpunkte waren der Besuch der Evangelischen Akademie in Neppendorf, das Kennenlernen der Projekte "Arbeitslose Frauen 'Sebastian Hann' in Heltau", "Jugendwerkstatt für behinderte Jugendliche in Mediasch", das Spital Lukas in Lasseln, und „Ferien auf dem Bauerndorf“ von Jinga-Roth in Reußdörfchen, ferner die Begegnungen mit den Frauen des Seniorenkreises und der jungen Frauengruppe unter der Leitung von Frau Guip im Schullerhaus in Mediasch sowie mit den Frauen des Forums und der evangelischen Kirche auf dem Schänzchen in Schäßburg, die Besichtigung der mit alten Fresken bemalten Kirche in Malmkrog, die Gespräche mit den Gemeindegliedern der evangelischen Kirche und abschließend das Treffen auf dem gepflegten Kirch- und Pfarrhof in Großau, das Maria Schenker aus Augsburg organisiert hatte. Überall, wo wir hinkamen, wurden wir herzlich empfangen und nach alter Tradition mit Krapfen und siebenbürgischem Gebäck bewirtet. Die Bundesreferentin stellte jedes Mal die Gruppe und die landsmannschaftliche Arbeit in der Bundesrepublik vor. Dabei betonte sie, dass die Landsmannschaft in all den zurückliegenden Jahren die persönliche Entscheidung der Menschen in Siebenbürgen respektiert hätte, ob sie in Siebenbürgen bleiben oder auswandern wollten, und immer bereit gewesen sei, den Menschen zu helfen, ganz gleich wo sie lebten.

Beim Empfang im Spiegelsaal des Hermannstädter Forums durch den Forumsvorsitzenden Martin Bottesch und seine Stellvertreterin Beatrice Ungar konnten wir uns über die Projekte informieren. Dabei bedankten wir uns für die Bereitstellung zweier Kleinbusse durch das Forum.
Bischof Dr. Christoph Klein und seine Frau Gerda Klein luden uns zu einem Gespräch ins Bischofpalais ein. Der Terminplan des Bischofs hatte sich kurzfristig geändert, so dass eine Begegnung möglich wurde. Am Sonntag besuchten wir zum Abschluss den Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche, wo uns Pfarrer Siegfried Schullerus herzlich begrüßte. Die Bundesfrauenreferentin stellte die Gruppe den Gottesdienstbesuchern vor und überbrachte Grüße von den Landsleuten aus Deutschland.

Ortswechsel! Nun ging es aus dem bergigen Teil Siebenbürgens in die weite Ebene des Burzenlandes, ins Erholungsheim nach Wolkendorf. Die Leiterin des Heimes, Ute Daniel, erwartete uns mit einem wohlschmeckenden Essen. Der noch schnell eingeschobene Besuch der Kirchenburg Tartlau bescherte uns zwei Erlebnisse der besonderen Art. Auf dem Weg dorthin sahen wir Hunderte von Störchen, die hinter einem Mähdrescher auf einem abgeernteten Feld nach Kleingetier suchten. Etwas abgehetzt erreichten wir die Tartlauer Kirche, wo gerade ein Konzert des Kronstädter Bachchores begonnen hatte. Wir setzten uns hin und lauschten der herrlichen Musik, froh, diese Ruhe gefunden zu haben.

Der letzte Tag in Kronstadt. Nach einer exzellenten Führung durch die Schwarze Kirche gingen wir zum Forum. Anlässlich unseres Treffens mit den Frauen des Handarbeitskreises unter der Leitung von Christa Sudrigean gewannen wir Einblick in das fruchtbare Zusammenwirken der Teilnehmerinnen bei der Ausführung von Handarbeiten. Beim Mittagessen im Pfarrhof in Bartholomä, zu dem das Pfarrerehepaar Denisa und Kurt Boltres eingeladen hatte, begegneten wir fünfzig Frauen aus den Burzenländer Gemeinden. In einem großen Zelt servierte man Spezialitäten vom Grill. Die Gespräche wurden leider von einem Wolkenbruch unterbunden. Es regnete so stark, dass ein kleiner Bach durch das Zelt lief. Nach dem Regen ging die Gesellschaft auseinander. Gegen Abend, als Dechant Klaus Daniel durch die restaurierte Kirchenburg in Wolkendorf führte, schien dann aber schon wieder die Sonne.

Trotz der anstrengenden Programmpunkte tagsüber fanden wir uns abends immer wieder zu einem Vortrag und anschließenden Diskussionen zusammen. Die Bundesfrauenreferentin berichtete über die vielfältige Arbeit der Frauen in der Landsmannschaft. Die anwesenden Landes- und Kreisgruppenreferentinnen ergänzten die Ausführungen mit Berichten über die Arbeit in ihren Gliederungen. Einen Themenschwerpunkt bildeten die Diskussionen über den Weltgebetstag 2002, der in diesem Jahr von Rumänien ausgegangen war. Die Erfahrungen aus der Initiative, der Organisation und dem Verlauf wurden ausgetauscht.

In dem Referat von Ilse Philippi „Schwester, neige dein Ohr zu mir“ ging es um physische, psychische, finanzielle und verwaltungsmäßige Probleme der in Siebenbürgen Lebenden als Folge der Kriegs- und Nachkriegszeit. Die anschließende Diskussion zeigte die Schwierigkeiten auf, die unser Volksstamm nach dem zweiten Weltkrieg zu bewältigen hatte.

Fazit: Bei allen Begegnungen war es zu guten Gesprächen gekommen. Es wurde viel Aufklärungsarbeit von beiden Seiten geleistet, Vorurteile konnten abgebaut werden, Gemeinsamkeiten wurden festgestellt. Zu der harmonischen Stimmung haben auch die täglichen Morgenandachten beigetragen, die die Landesfrauenreferentin von Baden-Württemberg, Christa Andree, vorbereitet hatte. Nach der 36-stündigen Rückreise bleibt das Gefühl der Zusammengehörigkeit, die Freude über manches unverhoffte Wiedersehen mit Bekannten und Verwandten, die herzliche Aufnahme sowie die reizvolle Landschaft Siebenbürgens. All das ließ uns die Anstrengungen vergessen und die Reise als Erlebnis und als Aufforderung zu neuen Wegen begreifen. „Eines steht fest: die Weichen für die Zusammenarbeit zwischen Landsmannschaftsfrauen und Frauen aus Kirche und Forum sind gestellt. Es gilt, sie wahrzunehmen und voll auszunützen“, schreibt Beatrice Ungar in ihrem Artikel „Geben und Empfangen“ in der Hermannstädter Zeitung. Mir bleibt nur noch übrig, allen zu danken, die zum Erfolg dieser Tagung beigetragen haben.

E. J.


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2002, Seite 4)

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