16. Oktober 2002

Filmabende mit Günter Czernetzky

Bei Filmvorführungen in Geretsried und Nürnberg sprach der siebenbürgische Regisseur Günter Czernetzky über seine Arbeit, die vornehmlich der Dokumentation von Zeitzeugen aus der Nachkriegszeit gewidmet ist.
„Ihr verreckt hier bei ehrlicher Arbeit ...“

„Das geht einem wirklich an die Nieren“, meinte ein tief betroffenen Teilnehmer nach der Vorstellung des Films „Deutsche im Gulag“ (1997) durch den siebenbürgischen Regisseur Günter Czernetzky am 1. Oktober im Nürnberger Haus der Heimat. Veranstalter war die Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. Unter den Millionen Insassen des Archipels GULAG der stalinistischen Sowjetunion waren auch hunderttausende Deutsche: Kommunisten, Wolgadeutsche, Verschleppte aus Osteuropa - auch Siebenbürger Sachsen - sowie DDR-Oppositionelle. Czernetzky stellte erläuternd zum Film seine Methode der lebendigen Geschichtsdarstellung („oral history“) vor, wobei die Befragung von unmittelbar betroffenen Zeitzeugen, in diesem Fall von Opfern, im Zentrum steht. Die unbeschreiblichen Zustände in den Lagern Stalins werden dadurch anschaulicher und direkter präsentiert und verfehlen ihre Wirkung nicht.
Günter Czernetzky bei einem Vortrag zum Thema Dracula-Park in München. Foto: Robert Sonnleitner
Günter Czernetzky bei einem Vortrag zum Thema Dracula-Park in München. Foto: Robert Sonnleitner

Der 46-jährige, in Schäßburg geborene Produzent und Regisseur ist ein Könner seines Faches. Er studierte nicht nur Theater, Film und Fernsehen, sondern auch Philosophie. Als freier Autor inszenierte er u.a. den „Der Zigeunerbaron“ und „Urfaust“, an verschiedenen Hochschulen nimmt er Lehraufträge wahr. Die Aufarbeitung von Schicksalen und Tatsachen aus den Gebieten jenseits des Eisernen Vorhangs, in denen er die Spur dieser inhumanen Vorkommnisse, z.B. in Straflagern, unter der Herrschaft von Diktatoren, bei Spätheimkehrern oder Nachkommen deutscher Soldaten aufnahm, um sie künstlerisch aufgearbeitet der Nachwelt zu erhalten, hat ihm auch Kritik aus einer bestimmten Richtung eingebracht. Er steht jedoch zu seinen „Offenbarungen“, auch weil sie - heutzutage noch immer tabuisierte - Aspekte deutscher Geschichte über das öffentlich-rechtliche Fernsehen einer breiten Öffentlichkeit nahe bringen können.

Der Film „Deutsche im Gulag“ bietet Einblick in die Untiefen menschlichen und unmenschlichen Handelns. In lebhaftem Dialog mit den Zuschauern ging Czernetzky auch auf die Fährnisse einer solchen Filmproduktion ein. Zudem stellte er die „papierene“ Dokumentation des Gulag-Schreckens vor, das Buch „Ihr verreckt hier bei ehrlicher Arbeit - Deutsche im GULAG 1936-1956, Anthologie des Erinnerns“, eine umfassende Anklage gegen eine menschenverachtende Diktatur des 20. Jahrhunderts. Die gekonnte Präsentation, das vielseitige Detailwissen und die beispielhafte Haltung des Autors waren beeindruckend und fügten sich sehr positiv ein in einen wertvollen, zukunftsweisenden, ermutigenden Abend.

Horst Göbbel


Filmabend in Geretsried

Erfreulich viele Landsleute und auch Nichtsiebenbürger, darunter zahlreiche Banater Schwaben, konnte die Kulturreferentin und stellvertretende Kreisgruppenvorsitzende Herta Daniel am 30. September im Saal der Isaraugaststätte an der Jahnstraße in Geretsried begrüßen. Als Ehrengäste hieß sie den Kulturreferenten des Stadtrates, Hans Ketelhut, und unsere Stadträtin und Landsmännin Kunigunde Fischer willkommen. Vom erkrankten Kreisgruppenvorsitzenden Hans Schmidts richtete sie Grüße aus und begrüßte Thomas Schmidt, den Vorsitzenden der Banater Schwaben aus Rumänien, in Geretsried.

Der Filmabend wurde von Günter Czernetzky, Regisseur und Mitautor des Films "Schicksal der Donauschwaben", aus München bestritten. Die Mitautorin Astrid Beyer aus Augsburg hatte leider kurzfristig abgesagt. Sie ist als freie Journalistin an der Medienkonzeption und Installation am Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm beteiligt. Die Idee zu diesem Film, der am 25. Januar 1998 vom Sender Südwest 3 ausgestrahlt wurde, stammt von Astrid Beyer. Der zuständige Redakteur Reschl hat den erfahrenen Regisseur und Autor mehrerer ähnlicher Dokumentarfilme Günter Czernetzky gewinnen können. Laut Czernetzky wurde es eine gute Zusammenarbeit.

Die Filmvorführung vor rund 100 interessierten Zuschauern war dank moderner Beamertechnik ein Erfolg. Der aufwühlende 45-Minuten-Film weckte bei den Anwesenden unterschiedliche Empfindungen und Erinnerungen an die Kriegszeit und die verheerenden Folgen für die betroffene deutsche Minderheit der Banater Schwaben in Jugoslawien, Ungarn und Rumänien.

Den Autoren des Films ist es gelungen, ausgewogen und glaubhaft die geschichtlichen Hintergründe im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges mit interessantem, teilweise seltenem Ton- und Bildmaterial aus Archiven in Deutschland, Budapest, und Bukarest zu zeigen. Aufgelockert werden die erschütternden Kriegsbilder und Szenen durch Einblendungen mit Bildern aus heutigen Dorflandschaften des ehemaligen donauschwäbischen Siedlungsgebietes und vor allem durch beeindruckende und bewegende Interviews mit Betroffenen, die über ihre schrecklichen Erfahrungen berichten.

Für diesen Film erhielten die beiden Autoren 1999 den Medienpreis des BdV Bayern. In der Begründung zur Preisverleihung heißt es unter anderem: "Dies ist ein sorgfältig gemachter, besonnener Film, der auf dem Hintergrund des Geschehens im ehemaligen Jugoslawien neue Aktualität gewinnt." Und weiter: "Der Beitrag endet mit der Ankunft der Donauschwaben in Württemberg und Baden und dem Hinweis auf die Aufbauleistung der Vertriebenen. So steht am Schluss ganz bewusst die Hoffnung." Günter Czernetzky und Astrid Beyer haben mit diesem Film einen wichtigen Beitrag geleistet, indem sie ein schwieriges Thema kompetent, souverän und mit der nötigen Behutsamkeit gestalteten.

Bei der anschließenden Diskussion mit dem Autor brachten vor allem die anwesenden Banater Schwaben ihre Erinnerungen ein und lobten die mutige und sachkundige Aufarbeitung dieses geschichtlichen Abschnittes, bei der vor allem mehr Jugendliche als Zuschauer und Zuhörer erwünscht gewesen wären, wie es ein Anwesender ausdrückte.

Das Ergebnis der spontanen Spendenaktion nach der Filmvorführung will Czernetzky, der auf ein Honorar verzichtete, für die Arbeitsgemeinschaft "ZeitZeugenVideo (ZZV)" einsetzen, die sich bemüht, mit möglichst vielen Vertretern der Erlebnisgeneration Video-Interviews zu führen und deren Erinnerungen für die interessierte Nachwelt zu sichern. Ebenso stellte er als Mitherausgeber das Buch "Ihr verreckt hier bei ehrlicher Arbeit! Deutsche im GULAG 1936 – 1956, Anthologie des Erinnerns" vor, welches im Leopold Stocker Verlag, Graz, 2000, erschienen ist. Am Ende überreichte Herta Daniel dem verdienten Landsmann Günter Czernetzky zum Dank das Heimatbuch „Geretsried, eine Doppelschwaige wird Stadt“ und wünschte ihm Erfolg für die Realisierung weiterer Vorhaben.

Walter Klemm

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