4. November 2002

Siebenbürgisch geprägt

Als Hommage an den berühmten rumänischen Komponisten George Enescu, dem Rumänien seinen Eintritt in die europäische Musikgeschichte verdankt, fand am 19. Oktober im Rahmen der rumänischen Kulturtage im kleinen Saal des Münchener Gasteig ein Klavierabend mit dem jungen, bereits international bekannten und gefeierten Münchener Pianisten Leonhard Westermayr statt.
Einen "Stern am Münchener Klavierhimmel" bezeichnet ihn die Süddeutsche Zeitung. Der 1976 geborene Pianist verkörpert zugleich ein "musisch-künstlerisches Ergebnis'' siebenbürgisch-sächsischer Erziehungs- und Bildungsarbeit, war er doch seit seinem siebenten Lebensjahr Schüler von Hermine und später von Walter Krafft, dem Gründer des Münchener Musikseminars. Beide Musikpädagogen stehen in einer jahrhundertelangen Tradition, die zur ethisch-kulturellen Behauptung des gesamten siebenbürgischen Gesellschafts- und Geisteslebens gehörte, wobei dem pädagogisch-erzieherischen Element ein hoher Stellenwert zukam. Leonhard Westermayr ist zu einer ausgereiften pianistischen Musikerpersönlichkeit herangewachsen. Das ist ohne Frage auch auf eine außergewöhnliche native Begabungen innerhalb einer glücklichen Symbiose zurückzuführen, die manuelle Fähigkeiten, einen hohen Grad an Intelligenz, musikalische Sensibilität, künstlerische Intuition und schöpferisches Temperament sowie eine in Demut entwickelte Arbeitsdisziplin harmonisch miteinander verbindet.

Leonhard Westermayr
Leonhard Westermayr

Innerhalb solcher Parameter eröffnete Leonhard Westermayr sein Programm mit Joseph Haydns Andante con Variationi in f-Moll, welches als Spätwerk das Variationsprinzip als Mittel melodischer Intensivierung benutzt. In stilmäßig abgerundeter Klangkultur gelang es Westermayr die beiden kontrastierenden Motive des Themas mit seinen im Moll-Satz punktierten Rhythmen sowie dem lyrisch fließenden durch Arpeggiofiguren reich verzierten Dur-Satz plastisch hervorzuheben und dieses einheitliche Klavierstück, samt seinen zwei Variationen und dem Finale, zu leidenschaftlichem Höhepunkt zu steigern, um in einem zaghaft-leisen Dur-Dreiklang endenden Vortrag das schöne Werk dem Zuhörer nahe zu bringen.

Nahtlos ergab sich sodann der Übergang zu Beethovens Es-Dur Sonate Op. 27 Nr. 1, die bei Beethoven als "Sonata quasi una fantasia" erstmals den entscheidenden Schritt aus der Pflicht der Konvention in die Freiheit subjektiv-improvisatorisch gelockerter Sonatenform wagte. Diesen spannungsvollen "verkehrten" Ablauf vollzog Westermayr mit Bravour und meisterhaft kontrastreich sich ergänzendem Stimmungswechsel ebenso brillant nach wie den Zwiespalt zwischen träumerischer Ruhe (Andante) und dämonisch erregten, in technisch verblüffend rasanter Manier (Scherzo), um zum Finale als Höhepunkt zu gelangen, worin der fast als Fugenthema auftretende Hauptgedanke in seiner scharf profiliert-derb-lustigen Form - nach nochmals erklingender Adagio-Melodie - in nur wenigen Presto-Takten einen energischen Schluss fand.

Als Hommage an George Enescu erklang dann im zweiten Teil des Programms zunächst Enescus Cantabile und Presto für Flöte und Klavier. In einem erfrischenden "Duo" einer rumänisch-deutschen Partnerschaft, gelang es der jungen begabten Hermannstädter Flötistin Cristina Bojin, mit warmen expressivem Flötenton das Cantabile in seiner eindringlichen Melodik sowie das Presto in seinem locker dahinperlenden Figurenwerk technisch virtuos zu gestalten, wobei Leonhard Westermayr sich als einfühlsamer Partner und ausdrucksvoller Begleiter und Mitgestalter erwies.

Zum Abschluss kam dann noch die hier selten zu hörende Suite in D-Dur Op. 10 von George Enescu zu Gehör, die noch stark unter dem Einfluss Debussys und des jungen Ravels steht. Nach dem Vorbild französischer Barocksuiten setzt sie sich aus vier Tänzen: zwei lebhaften Toccata und Bourrée und zwei langsamen Sarabande und Pavane zusammen. Und wenn Westermayr die großflächig angelegten raschen Tanzrhythmen in wirkungsvollem Akkordspiel alternativ zu einem temperamentvoll ausgeführten Figurenwerk eindrucksvoll ausdeutete, gelang es ihm ebenso überzeugend die beiden langsamen Tänze, innerhalb meditativ-stimmungsvoller Inhalte und verträumt oft klagenden Melodik, gefühlsbetont in den Raum zu stellen. Lang anhaltender Applaus eines begeisterten Publikums in voll besetzten Saal belohnten diese außergewöhnliche Leistung, die zusätzlich noch durch eine berauschende Demonstration "funkensprühender" Tastenakrobatik in Mussorgskys Funkensprühe sowie zweier Präludien von Gershwin eine weitere Dimension seiner beeindruckenden Begabung unter Beweis stellte, welche auch "jazzig-erregend" mit Sicherheit ebenso "beglückend wie bereichernd" jedes Zuhörerherz höher schlagen ließ.

Peter Szaunig

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