13. November 2002

Volkszählung in Rumänien gab Anstoß zu Uneinigkeit

Der Konflikt zwischen Bürgermeisteramt und Landesforumsvorsitz mache sich bereits bemerkbar, hieß es im Grußwort des DFDR-Ehrenvorsitzenden Paul Philippi gleich zur Eröffnung der DFDR-Vertreterversammlung am 26. Oktober in der Stadt am Zibin. Und in der Tat: Der Bürgermeister von Hermannstadt und ehrenamtliche Präses des Landesforums, Klaus Johannis, war kurzfristig in eine Regierungsdelegation berufen worden, die sich allerdings zum Zeitpunkt der Forumstagung bereits auf dem Flug nach Berlin befand. In der deutschen Hauptstadt sollen, so teilte Philippi mit, Verträge in Millionenhöhe unterzeichnet werden, "die auch uns zugute kommen".
Für gut befand Philippi ferner die Tatsache, dass bei dieser Gelegenheit der Landesforumsvorsitzende Johannis weitere Gespräche mit Vertretern der Regierung wie der Regierungspartei (PSD) "in unserer Sache" führen könne. Angesagt beim Wirtschaftsforum in Berlin zum Thema "Investitionen in Südost- und Osteuropa" waren schließlich, so Johannis zwei Tage zuvor auf seiner wöchentlichen Pressekonferenz, neben der rumänischen Abordnung unter Leitung von Vasile Dâncu, Minister für Öffentliche Informationen und mithin Vorgesetzter des Departements für interethnische Beziehungen, auch Mitglieder des Deutschen Bundestags sowie Vertreter der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds.

Doch erstmals seit Bestehen des Landesforums ging eine Vertreterversammlung ohne den amtierenden Vorsitzenden über die Bühne, und erstmals musste daher der Ehrenvorsitzende eine Tagung des "rumäniendeutschen Parlaments" leiten. Zur Seite stand ihm aber der parlamentarische Abgeordnete dieses Gremiums, Wolfgang Wittstock, übrigens Amtsnachfolger von Philippi und somit Amtsvorgänger von Johannis in der Funktion des Landesforumsvorsitzenden. Kraft der langjährigen DFDR-Erfahrung konnte das Tandem Philippi und Wittstock die Präsidiumsarbeit denn auch bestens bestreiten.

Im Präsidium fehlten diesmal neben Johannis auch der Unterstaatssekretär im Department für interethnische Beziehungen, Ovidiu Gant, ebenfalls in Berlin präsent, sowie gleich drei Regionalforumsvorsitzende (Banat, Bukowina und Sathmarland), die aus wichtigen Gründen in ihrer regionalen Heimat geblieben waren.

Zwei von den insgesamt elf Tagesordnungspunkten (Bericht des DFDR-Vorsitzenden Johannis und des Regierungsvertreters Gant) mussten daher, aber nur zum Teil unter "mildernden Umständen" (Wittstock) gestrichen werden, weitere zwei wollte Wolfgang Wittstock zur Beschlussfassung erst gar nicht freigeben, da der Vorstand darüber noch nicht entschieden hat: die Novellierung der hauseigenen Statuten und ein neuer Verteilerschlüssel der BMI-Gelder für die deutschbesiedelten Regionen in Rumänien, "alles noch unausgegorene Angelegenheiten", so Wittstock.

Dafür schlug der DFDR-Abgeordnete, der mittlerweile "routiniert durch das Gestrüpp des parlamentarischen Alltags" (Philippi) in Bukarest geht, diesem "Parlament" in Hermannstadt nun zwei andere Tagesordnungspunkte zusätzlich vor: die Ratifizierung des Protokolls über Zusammenarbeit zwischen dem DFDR und der Regierungspartei (PSD) sowie die Festlegung der Mitgliedsbeiträge für das kommende Jahr.

Diskussionsstoff gab es also genug für die 30 Forumsvertreter aus dem ganzen Land. Wenig diskussionsfreudig erwiesen sie sich anlässlich der vorgelegten Berichte (des DFDR-Abgeordneten, der Schul- und Wirtschaftskommission sowie der Vertreter im Minderheitenrat); Interesse bekundeten sie jedoch, als es um die "eigene Wurst" (Philippi), also um das leidige Geld ging.

Und dabei wurden die "Varianten für einen neuen regionalen Verteilerschlüssel" der BMI-Gelder und jene zur Gründung eines "Reservefonds aus den Nettomitteln der Regionalforen" von den DFDR-Beauftragten Helmut Auner und Martin Bottesch in ihrem Grundsatzpapier lediglich als Entwurf für den DFDR-Vorstand Diskussion gestellt, führte die Vorlage zur Uneinigkeit. Die Deutschen aus dem Altreich (8 Prozent Anteil an der deutschen Bevölkerung) jedenfalls fühlen sich so weiterhin als Minderheit innerhalb dieser Minderheit. Die Banater Schwaben hingegen wollen ihren Mehranteil an der deutschen Volksgruppe in Rumänien, mit 42,5 Prozent nach der letzten Volkszählung, denn auch in dieser Form finanziell honoriert wissen. Die Sathmarer, deren Anteil unter den Rumäniendeutschen bei 15,9 Prozent liegt und die von daher über alle vorgeschlagenen Forums-Verteiler-Varianten eigentlich bestens bedient werden, drängten indes nicht nur auf die Angaben der Volkszählung, sondern zusätzlich auf historische Kriterien bei der Geldervermittlung. Die Siebenbürger Sachsen (30,5 Prozent), da nicht wesentlich in dieser Angelegenheit benachteiligt, hielten sich aus der Diskussion denn auch größtenteils heraus. Aus der Bukowina (3,1 Prozent) waren dazu erst gar keine Stellungnahmen zu hören. Im Klartext: Bislang galt ein Verteilerschlüssel, wonach jeweils 33 Prozent der BMI-Gelder nach Siebenbürgen bzw. ins Banat flossen, jeweils sieben Prozent ins Altreich und ins Buchenland und 20 Prozent nach Nordsiebenbürgen (Sathmarland).

Das solle sich jedoch ändern, hieß es auf der Vertreterversammlung, und man solle dabei mit einem Maß messen, forderten vormals die Vertreter aus dem Banat. Und das eine Maß sei - gleich dem vorrangigen Verteilerkriterium für die rumänischen Regierungsgelder im Minderheitendepartement - eben die Volkszählung. Der Altreich-Vertreter (Klaus Fabritius) hingegen konterte, denn gerade die Volkszählung habe ergeben, dass in dieser Region südlich der Karpaten die deutsche Bevölkerung stabiler als anderswo gewesen sei und demnach mehr BMI-Stabilisierungsgelder hierher fließen müssten. In absoluten Zahlen mag die Stabilität der Altreichdeutschen wohl auch stimmen, bloß die Stimme des Banats (Horst Martin) hat das relativiert mit dem Hinweis, dass die Schwaben, obgleich seit der Volkszählung 1992 und bis heute von ähnlichem Bevölkerungsschwund wie Sachsen u.a. (etwa 50 Prozent) betroffen, neuerdings nicht 40 Prozent, sondern eben einen Anteil von 42,5 Prozent an der deutschen Bevölkerung in Rumänien haben, und mithin ein Anteil von unter 40 Prozent der finanziellen Zuwendungen für sie nicht mehr annehmbar sei.

Glücklicherweise werden die Zuwendungen der rumänischen Regierung für die deutsche Minderheit im kommenden Jahr ansteigen. Dafür haben sich die DFDR-Vertreter im Minderheitenrat und im Parlament eingesetzt unter Heranziehung der Ergebnisse der Volkszählung. Mit 0,2 Prozent an der Gesamtbevölkerung, aber mit 2,6 Prozent Anteil an den Minderheiten insgesamt in Rumänien rangieren nämlich die Deutschen hierzulande auf Platz 4 hinter den Ungarn, Roma und Ukrainern und können demnach 6,2 Prozent des für die 18 Volksgruppen vorgesehenen Haushaltes beanspruchen. Das dürften, so der DFDR-Geschäftsführer Hansmartin Borger, 11,5 Milliarden Lei sein, um 3,7 Milliarden Lei mehr als im Vorjahr und mehr als die Inflationsrate für diese Zeitspanne letztlich ausmacht.

Zwar haben die Regional- und Lokalforen wie auch die Medien der Deutschen hierzulande im Vorjahr Anträge für die damals vorgesehenen 7,8 Milliarden Lei gestellt, aber diese Summe restlos bis heute nicht verrechnet oder aufgebraucht. Vermutlich wird daher der Vorstand noch bis Jahresende eine Haushaltsumschichtung vornehmen und im Budget des kommenden Jahres dann ohnehin weitere Änderungen einplanen müssen. Die Mitgliedsbeiträge, bis dato nur zu etwa 60 Prozent bei des DFDR-Landesgeschäftsstelle eingelaufen, können nämlich - trotz der nunmehr beschlossenen und inflationsangepassten Erhöhung - ihr Gesamtniveau aus vorangegangenen Jahre ab 2003 als Einnahmeposten voraussichtlich nicht mehr erreichen. Allerorts wird schließlich nach der Aufhebung des Visazwangs mit einem Mitgliederschwund gerechnet. In Schäßburg gar hat man von den über 800 aktenkundigen Mitgliedern beim Forum bis Ende Oktober nur etwa 300 Beitragszahlungen registriert.

Mitunter auch deshalb hat man eine Satzungsänderung in diesem Sinne ins Auge gefasst. Vom Siebenbürgenforum, wie seinerzeit berichtet, über ein Brainstorming in Sovata im letzten Frühjahr ausgeklügelt, galt es nun an dieser landesweiten Basis, Varianten für Paragraf 6 der DFDR-Statuten zu formulieren, um auch Personen aus dem andersnationalen Umfeld künftig die Möglichkeit zu bieten, Forumsmitglied zu werden. Doch selbst dabei stießen sentimentale wie pragmatische Argumente aufeinander, und so ging man auch in dieser Angelegenheit geteilter Meinung auseinander - zuvor aber ratifizierte man mit zwei Stimmenthaltungen das Protokoll über die Zusammenarbeit zwischen PSD und DFDR.

Martin Ohnweiler

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