25. November 2002

Siebenbürgisch-sächsisches Mundartseminar in München

Am 19. Oktober fand in München ein siebenbürgisch-sächsisches Mundartseminar statt, zu dem das Haus des Deutschen Ostens und der Siebenbürgisch-sächsische Literaturkreis München eingeladen hatten.
Am Vormittag hielt Prof. Dr. Helmut Protze aus Leipzig vor zahlreichem Publikum einen Vortrag zum Thema "Hauptmerkmale der siebenbürgisch-sächsischen Mundart". Prof. Dr. Protze ist Mitherausgeber der "Kleinen Enzyklopädie - Die deutsche Sprache", Leipzig, wo er in Band I das Kapitel "Die deutschen Mundarten" erarbeitet hat. Obwohl selber kein Siebenbürger Sachse, ist Prof. Dr. Protze doch ein profunder Kenner dieser Mundart, nicht zuletzt dank langjähriger, umfangreicher Feldforschung. Bei seinen zahlreichen (fast 50) Besuchen in Siebenbürgen hat Prof. Dr. Protze in über 80 Dörfern Mundartaufnahmen gemacht.

Treffen der Mundartautoren in München, von links nach rechts: Oswald Kessler, Doris Hutter, Elisabeth Kessler, Paul Staedel, Hilde Juchum, Martin Hedrich, Richard Sonnleitner, Bernddieter Schobel, Maria Guni, Stefan Hann. Nicht auf dem Bild: Frau Femmig.
Treffen der Mundartautoren in München, von links nach rechts: Oswald Kessler, Doris Hutter, Elisabeth Kessler, Paul Staedel, Hilde Juchum, Martin Hedrich, Richard Sonnleitner, Bernddieter Schobel, Maria Guni, Stefan Hann. Nicht auf dem Bild: Frau Femmig.

Seit 1955 besteht eine enge Verbundenheit mit der Arbeit am "Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch". Damals wurde von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin in Leipzig eine Arbeitsstelle "Siebenbürgisch-Sächsisches Wörterbuch" eingerichtet, und mit der Durchführung der Aufgaben Herr Protze betraut. Aus diesem reichen Wissensschatz konnte Prof. Dr. Protze in seinem Vortrag ausgiebig schöpfen. Er zeigte parallele Entwicklungen auf, z.B. zwischen der Zipser und der siebenbürgisch-sächsischen Mundart. Auf besonderes Interesse stießen seine Ausführungen über die sprachlichen Hinweise auf die Herkunftsgebiete. Diesbezüglich wird im Großen und Ganzen der gegenwärtige Wissensstand durch die Sprachforschung abgedeckt.

Am Nachmittag lasen acht Mundartautoren aus ihren Werken, umrahmt von Liedern, die der Reußmarkter Chor München unter der Leitung von Paul Staedel sang. In seinen Begrüßungsworten bat Udo Acker, stellvertretender Direktor des HDO, um Verständnis dafür, dass der große Saal aus baulichen Gründen nicht benutzt werden konnte. In dem etwas kleineren Raum hatten er und Elisabeth Kessler als Organisatoren einige Mühe gehabt, die zahlreiche Zuhörerschaft unterzubringen. Andererseits hatte dies den unbestreitbaren Vorteil, dass Zuhörer, Sänger und Autoren sich auch im wörtlichen Sinne näher kamen. Und da sich das ausgegebene Motto "Heitere Gedichte" als glücklicher Griff bewies, wurde es für alle Beteiligten ein vergnüglicher Nachmittag. Als Glücksfall muss man es auch bezeichnen, dass Maria Guni sich hatte überreden lassen, auch diesmal die Moderation zu übernehmen. Mit liebevollen Worten ließ sie immer wieder ein Stück Heimat lebendig werden: Man spürte förmlich den Duft gebratener Batull-Äpfel, wenn sie davon sprach. Diese Moderation war selber ein Gedicht!

Ein "richtiges" Gedicht, nämlich ein gereimtes, war Hilda Femmigs humorvolle Betrachtung, wie wir trotz mancher Widrigkeiten standhaft versuchen, uns mit unserer Kultur in Europa einzubringen. Stefan Hann las zwei lustige Gedichte vor: Im ersten ging es um den Bischof im modernen Straßenverkehr, im zweiten um die berüchtigte Sitte der "Eselsbank". Doris Hutter war es dann, die den zeitgemäßen Gedanken in die Diskussion warf, demzufolge Autoren nicht Gedichte, sondern Texte schreiben. Zum Glück erwiesen sich ihre "Texte" dann doch als Gedichte, noch dazu recht lustige. Nicht nur ein unfehlbares Rezept konnte sie vorlegen, wie man Kindern den Genuss von Schweinefleisch abgewöhnt, sondern auch die "Hajer Ann" wurde gehörig aufs Korn genommen. Leider konnte Rose Schmidt nicht persönlich anwesend sein, so dass ihr längeres Gedicht von Elisabeth Kessler vorgetragen wurde, die deshalb auf ihren eigenen Beitrag verzichtete und stattdessen mit viel Humor beschrieb, wie vorteilhaft die schmalen Hände einer Pfarrfrau im Schweinestall sein können. Hilde Juchum wiederum machte sich Gedanken über den Wettlauf von Weihnachtsmann und Osterhase, über das Spinnen der Alten und den eitlen Wunsch einer Ehefrau, in den Träumen ihres Mannes einen bevorzugten Platz einzunehmen.

Und dann kam der Baciu Pipiric, pardon, der Martin Hedrich, in der Tracht eines rumänischen Hirten. Und mit ihm der Roder Dialekt. Es ist ein so genannter J-Dialekt, einer der eigenwilligsten unserer Sprachlandschaft und damit auf jeden Fall erhaltenswert. Allerdings auch nicht leicht verständlich. Vielleicht solltest du, lieber Martin, vorher kurz erzählen, was der Inhalt ist, damit die Zuhörer sich danach voll dem Genuss des - wenn man sich hineingehört hat - durchaus wohlklingenden Dialektes hingeben können. Oswald Kessler trug zunächst "Gat erroden" von Karl Gustav Reich vor. In "Vertrahn zem Härwest (II)" lässt ihn die Geschichte des eigenen Volkes auf die unbändige Kraft des Lebens, die gilbendes Herbstlaub im Weingarten umwandeln kann in schäumenden Wein vertrauen. In die Diskussion um Gedicht oder Text brachte Bernddieter Schobel den dritten Begriff ein: Värschker. "Os Persien kam ist en nobel Schah. / Mat Värschkern kit der Schobel na." Was er "gescheddelt Värschker" nannte, ist der gute, alte Schüttelreim, von dem er gleich ein Dutzend zum Besten gab. Es ist nicht bekannt, dass bisher sächsische Schüttelreime geschrieben bzw. vorgelesen worden seien, somit also eine Weltpremiere! Und dann durfte natürlich auch die "Trengeman vu Pelsendref" nicht fehlen. Diesmal brachte sie ihren kulturellen Beitrag beim Stadtfest-Umzug ein.

Das erste Lied, das der Chor sang, war nicht nur ein Geschenk an die Zuhörer insgesamt, sondern ganz besonders für einen unter ihnen: "Der Härwest" von Viktor Kästner, Melodie von Josef Beer. Er saß im Saal und konnte überrascht die Ehrung entgegennehmen. Die anderen Lieder, teils in siebenbürgisch-sächsischer Mundart, waren ebenfalls Werke bekannter Komponisten: Karl Fisi, H. Mild, Kirschner u.a. Paul Staedel zeigte, dass er nicht nur Dirigieren kann, sondern trug zum Schluss noch zwei bekannte Gedichte des verstorbenen "Blasia-Poeten" Suk Kraus vor.

Ein herzlicher Dank für die Ausrichtung dieses Mundart-Seminars gebührt dem Haus des Deutschen Ostens in München mit seinem stellvertretenden Leiter Udo Acker, Elisabeth Kessler und Oswald Kessler, allen Beteiligten, darunter vor allem den Zuhörern für ihre zahlreiche Teilnahme.

Bernddieter Schobel


(gedruckte Ausgabe: siebenbürgische Zeitung, Folge 19 vom 30. November 2002, Seite 7)

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