28. November 2002

Siebenbürgisch-sächsische Keramik neu belebt

Dem Freundeskreis Siebenbürgen e.V. ist es gelungen, alte siebenbürgisch-sächsische Formen und Malmotive originalgetreu neu aufleben zu lassen. Original Koronder Keramik bietet der Freundeskreis auch beim diesjährigen Weihnachtsmarkt auf dem Marktplatz in Neckarsulm, und zwar am 30. November und 1. Dezember an. Der Erlös ist für das Jugendgästehaus in Korond in Siebenbürgen bestimmt.
Wie am Beispiel der heute in Korond (Kreis Harghita, Siebenbürgen) gefertigten Keramik ersichtlich, haben sich viele Formen und Muster von Gebrauchskeramik bis in unsere Zeit erhalten.

Die Hochzeitskanne

Nicht so im Falle der Weinkannen und humpenförmigen, so genannten Hermannstädter Nelkenkrüge. Sowohl die Form der Kanne und des Humpens als auch die Motive in der Bemalung sind bei den Töpfern verloren gegangen. Originale sind nur mehr im Brukenthalmuseum in Hermannstadt, im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim oder in mancher Privatsammlung zu betrachten. In sächsischen Gemeinden des Weinlandes in Siebenbürgen war es Brauch, dem jungen Paar zur Hochzeit eine Weinkanne für ihren neu gegründeten Haushalt mitzugeben. Die Hochzeitskanne fasste fünf Liter. Vor dem Ausguss besaß sie einen Steg, an dem die volle Kanne gut getragen werden konnte. Der Überlieferung nach trug der Brautvater bei der Trauung die volle Kanne in die Kirche, um mit dem Wein das abschließende Abendmahl zu feiern. Der Hochzeitskanne erwuchs daher ein besonderer Erinnerungswert.
Siebenbürgisch-sächsische Hochzeitkanne, Korond 2002. Nacharbeit nach alten Mustern.
Siebenbürgisch-sächsische Hochzeitkanne, Korond 2002. Nacharbeit nach alten Mustern.

Auf Anregung und unter der Anleitung des Freundeskreises Siebenbürgen e.V., Neckarsulm, werden diese wunderschönen Hochzeitskannen seit dem Jahr 2000 in der Werkstatt des Töpfers Iljés Vészti Mihály in Korond/Siebenbürgen wieder angefertigt. Die Gestaltung der Malerei auf den Kannen ist Symbolen und Motiven siebenbürgisch-sächsischer Keramik nachempfunden. Zur Ausführung kommen zur Zeit weiß engobierte Kannen mit kobaltblauer Malerei sowie kobaltblau engobierte Kannen mit weißer Malerei.


Hermannstädter Nelkenkrüge 1740/2002

Die Humpen aus dem Raum Hermannstadt, die uns erhalten geblieben sind, sind Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden. Datierungen reichen von 1740 bis 1747. Die Gefäße sind unterschiedlich hoch, haben einen breiten Boden mit überstehendem Rand, einen sich konisch nach oben verjüngenden Körper und oberhalb des Henkelansatzes einen zylindrischen Ring, auf dem ein Deckel sitzen kann.

Typisch für diese Krüge sind die Pflanzen- und Lichtsymbole, die zu einem Lebensbaum vereint werden. Das Lichtsymbol ist die Sonne, die durch konzentrische Kreise dargestellt ist und durch die Striche am Kreisumfang zum "Strahlen" kommt. Wurde der Sonne in der Mitte auch ein Radkreuz eingezeichnet, so wollte der Künstler auf die Allmacht Gottes hinweisen. Die Punkte in den Kreisvierteln sollen die vier Himmelsrichtungen oder die vier Elemente (Erde, Wasser, Luft und Feuer) darstellen.

Hermannstädter Nelkenkrug, Korond 2002, mit Zinndeckel und Bodenring aus der Weygang-Zinngießerei in Öhringen. Nacharbeit nach Mustern von 1742-1747.
Hermannstädter Nelkenkrug, Korond 2002, mit Zinndeckel und Bodenring aus der Weygang-Zinngießerei in Öhringen. Nacharbeit nach Mustern von 1742-1747.

Gleichzeitig erinnert diese Darstellung an eine Nelke (Nägeleinnelke oder Nägelchen), bei der die Blütenblätter die Form kleiner Nägel haben. In der christlichen Interpretation sind das die “Näglein”, mit denen Jesus ans Kreuz geschlagen wurde. Diese Symbole wurden am Beispiel der Hermannstädter Nelkenkrüge zu einem Lebensbaum vereint. Dieser wächst aus einem Herzen empor. Jeder Zweig trägt eine Blüte - Voraussetzung für Leben und Fruchtbarkeit. Der Lebensbaum gehört zu den wichtigsten sinnbildhaften Darstellungen auf Tongefäßen, sowohl bei den Siebenbürger Sachsen als auch bei den Rumänen und den Széklern, wo er zudem eine Unheil abwehrende Bedeutung hat: Schutz von Herd und Haus (siehe Claus Stephani: Begleitbuch zur Ausstellung “Kostbarkeiten Siebenbürgischer Töpferkunst”, München 1998). Es ist festzustellen, dass die Hermannstäder Nelkenkrüge keine große Verbreitung hatten. Aufgrund der kurzen Zeitspanne ihrer Herstellung handelt es sich um eine wertvolle Interpretation in Form und Muster.

Der Freundeskreis Siebenbürgen e.V. aus Neckarsulm hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte siebenbürgische Formen und Motive in der Keramik wieder zu beleben. Mit den vorliegenden Hochzeitskannen und Hermannstädter Nelkenkrügen (Humpen) aus der Werkstatt von Iljés Vészti Mihály, Korond Nr. 652, ist dieses Vorhaben gut gelungen.

Mit Hilfe der Zinngießerei Weygang in Öhringen konnten wir an einigen Humpen auch Zinndeckel und einen Bodenschutzring montieren lassen. Damit haben wir äußerst wertvolle Keramikgefäße zur Freude aller Freunde siebenbürgischer Keramik wieder belebt. Wir wünschen all diesen Kannen, Humpen und Tellern ein langes Leben.

Am Neckarsulmer Weihnachtsmarkt am ersten Adventswochenende können Hochzeitskannen und Hermannstädter Humpen am Stand des Freundeskreises erworben werden.

Johannes Kravatzky

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