17. Dezember 2002

Märchenstunde mit Sigrid Früh

Das Programm der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2002 hat auch für Jugendliche und Kinder etwas geboten. Siebenbürgisch-sächsische und schwäbische Märchen wurden von Sigrid Früh, Nachfahrin des schwäbischen Dichters Justinus Kerner und „zurzeit wohl bekannteste Märchenerzählerin Deutschlands“ (Neue Zürcher Zeitung), „zum Leben erweckt“, wie es im Bericht der Heilbronner Stimme heißt.
Logo der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2002
Logo der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2002

Der zentrale Informationsbereich des Siebenbürgischen Museums auf Schloss Horneck bot den idealen äußeren Rahmen für die siebenbrügisch-schwäbische Märchenstunde. Er war bis auf den letzten Platz besetzt.

Anders als bei der Lesung von Karin Gündisch, die ebenfalls ein Angebot für Kinder und Jugendliche war, konnte die Vorsitzende des Museumsvereins, Irmgard Sedler, auch etwa 20 Kinder begrüßen. Sie ließen sich an diesem trüben Nachmittag des 15. November von Sigrid Früh vor allem durch siebenbürgisch-sächsische Märchen aus der Haltrich-Sammlung, wie „die Königstochter in der Flammenburg“ oder „Der Eberkönig“ (auch als „Das Borstenkind“ bekannt), ins Märchenreich entführen. Wie sie dasaß, innerlich gesammelt und trotzdem gelöst, den Körper und Gesten nur sparsam einsetzend, gütig die Augen auf die Kinder richtend, erinnerte sie mich stark an meine Grießi. Nur das Kopftuch und das Strick- oder Stopfzeug fehlten. Sie sprach bedächtig und – auch wenn man ihre Freude an der besonderen Farbigkeit der Haltrich’schen Sprache spürte – mitunter fast monoton. Trotzdem zog sie das Publikum schnell in ihren Bann und baute gekonnt Spannung auf. Manch ein Kind wollte die Hand der Mutter ja nicht loslassen. Aber die Augen leuchteten und man merkte, dass sie für Momente in die Rolle des siegreichen Helden oder der verwunschenen Prinzessin schlüpften. Dass sie nicht ganz in einer Phantasiewelt versanken, in der es nicht nur von Drachen und sonstigem Getier wimmelt, sondern in dem diese Tiere, aber auch Bäume und sogar tote Materie bis hin zu Sonne, Mond und Sternen agieren und sprechen, dafür sorgten die harten Besucherhocker.

Im Banne siebenbürgischer Märchen. Lesung von Sigrid Früh. Foto: Hans-Werner Schuster
Im Banne siebenbürgischer Märchen. Lesung von Sigrid Früh. Foto: Hans-Werner Schuster

Sigrid Früh erzählte noch schwäbische Märchen und sogar ein armenisches Märchen aus Siebenbürgen. Hier wie auch in den weiteren kurzen Einführungen ging sie auf die Besonderheiten der jeweiligen Märchenlandschaft ein, machte aber auch auf die Gemeinsamkeiten aufmerksam, so wie schon die Märchen einen Eindruck von der universellen Mythologie, aus der sie ihren Stoff beziehen, vermittelten. Kindgerecht, sparsam sich aufs Wesentliche beschränkend, zeigte sich auch dabei die Ausnahmestellung der Protagonistin. Immerhin gilt die Germanistin und Volkskundlerin als eine der renommiertesten Märchen- und Sagenforscherinnen, die außerdem als Sammlerin und Herausgeberin rund 30 Märchen- und Sagenbücher veröffentlicht hat. Viele der Anwesenden nutzten die Gelegenheit, eines der Bücher zu erwerben und von der Autorin signieren zu lassen, um beim späteren Nachlesen den Zauber dieser Stunde wieder auferstehen zu lassen.

H-W


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2002, Seite 5)

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.