18. Dezember 2002

Siebenbürgische Präsenz in Berlin

Die Rumänischen Kulturwochen in Berlin boten auch in diesem Jahr, vom 9. November bis 15. Dezember, ein reichhaltiges und vielfältiges Programm, das der Eröffnung eines neuen rumänischen Botschaftssitzes in der deutschen Hauptstadt gewidmet war und durch ein Grußwort des Botschafters Adrian Vierita eröffnet wurde.
Die meisten Veranstaltungen – Ausstellungen, Musikabende, Lesungen, Vorträge, Podiumsdiskussionen – fanden traditionsgemäß im Kulturinstitut “Titu Maiorescu” statt, das vor drei Jahren gegründet und in einer imposanten Jugendstilvilla in Berlin-Grunewald eingerichtet wurde. “Wir wollen nicht nur Werte rumänischer Kultur vermitteln,” sagte die Kunsthistorikerin Dr. Ruxandra Demetrescu, Leiterin des Instituts, “sondern wir versuchen auch, Grenzen überschreitend auf den Pfeilern unserer Kultur eine geistige Brücke zwischen Rumänien und Westeuropa zu bauen.”

Unter den zahlreichen prominenten Gästen, die in diesem Jahr eingeladen waren, befanden sich auch fünf bekannte, aus Siebenbürgen stammende Künstler, Schriftsteller und Publizisten, die mit eigenen Beiträgen das Programm bereicherten, so die Mezzosopranistin Hildegard Bergel, der Maler Friedrich von Bömches, die Politologin Dr. Anneli Ute Gabanyi sowie die beiden Schriftsteller Dr. h.c. Hans Bergel und Dr. Claus Stephani.

Der 86-jährige Altmeister Friedrich von Bömches, der aus gesundheitlichen Gründen leider nicht nach Berlin reisen konnte, zeigte in den Räumen des Kulturinstituts eine umfangreiche Retrospektive, wohl “die letzte Ausstellung großformatiger Grafiken und Gemälde”, wie der Schriftsteller und Kunstkritiker Hans Bergel am Abend der Vernissage feststellte. “Wir werden damit – sollte es das Schicksal nicht anderes bestimmen – zu Zeugen eines Aktes von kunsthistorischer Relevanz, der uns über das autobiographische Verständnis Friedrich von Bömches’ hinaus einiges mitteilt.”

In seiner Einführung ging Hans Bergel auf das international gewürdigte Schaffen des siebenbürgischen Künstlers ein, der aus dem letzten Krieg mit dokumentarischen Fotos – sie waren in einer Ausstellung in München zu sehen – heimkehrte, und von seiner Deportation zur “Aufbauarbeit” in die Sowjetunion, 1945-1950, zahlreiche, mit der stumpfen Klinge eines Taschenmessers geschnitzte miniaturhafte Holzstatuetten (Frauen, Männer, Tiere, Schachfiguren) mitbrachte.

In Berlin waren diesmal 38 Ölgemälde und grafische Arbeiten zu sehen, darunter so bekannte Werke wie “Kreuzigung”, “Flucht”, “Hinter Stacheldraht”, “Deportiert” u.a.. Durch sie wird, so Bergel, “mit visionärer Kraft und als künstlerisches Dokument das festgehalten, was uns alle mahnt: die Humanitas als höchsten Auftrag des Kulturbegriffs niemals aus den Augen zu verlieren.”

Die erfolgreiche, in Köln lebende Sängerin Hildegard Bergel bot einen Liederabend mit Werken zweier aus Rumänien stammender Musiker, Rudolf Wagner-Régeny und Felicia Donceanu (nach Texten von Lucian Blaga und George Bacovia), am Klavier begleitet von Dr. Irina Tatur. In der Pause zwischen den beiden Liederzyklen las Hans Bergel, der immer wieder auch als Übersetzer rumänischer Literatur hervorgetreten ist, zuerst einen eigenen Prosatext – “Dunja, die Herrin. Erinnerungsbilder aus dem Donau-Delta” – und danach einige seiner Nachdichtungen aus der Lyrik von Lucian Blaga und George Bacovia.

Unter dem Motto “Heimat und andere verlorene Worte” las der Schriftsteller und Ethnologe Claus Stephani außer Erzählungen, die in Zeitschriften in Italien, Österreich, Israel und in der Schweiz erschienen sind, eine Folge von neuen satirischen Kurzgeschichten, in denen sich der Stephani mit Begriffen wie “Heimat” und “Identität” am Beispiel “erlebter Wirklichkeit” auseinandersetzt. Als musikalische Einstimmung spielte der Berliner Pianist Sven Wentrup “Miniaturen für Klavier” von dem aus Bistritz stammenden Musiker Prof. Arnold Graffi.

Im Rahmen der Vorträge und Podiumsdiskussionen, an denen Prof. Dr. Florin Manolescu (Universität Bochum), die Journalistin Rodica Binder (Köln), Dr. Irina Gregori und Jacques Dewitte (Berlin) mitwirkten, sprach Anneli Ute Gabanyi zu einem aktuellen Thema: “Welches Europa soll es sein? Semantik und Geopolitik im Transformationsprozess nach der Wende”.

Die aus Siebenbürgen stammenden Künstler und Gäste wurden von dem Vorsitzenden der Landesgruppe Berlin und Neue Bundesländer der siebenbürgischen Landsmannschaft, Dipl.-Soz. Johann Schöpf, vorgestellt. Johann Schöpf, “verdienstvoller Vermittler zwischen den Kulturen unserer alten Heimat”, habe als Initiator der Begegnungen maßgeblich dazu beigetragen, dass dieser geistige Austausch zustande kam. Institutsleiterin Dr. Ruxandra Demetrescu würdigte die gemeinsame rumänisch-sächsischen Kulturtätigkeit in Berlin und hob die diesjährige siebenbürgische Präsenz im weit gefächerten Programm besonders hervor. Es bleibt zu hoffen, dass auch die nächsten rumänischen Kulturwochen in Berlin und somit “im gemeinsamen Haus Europa” ebenso erfolgreich verlaufen werden.

M. W.


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2002, Seite 9)

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