21. Januar 2003

Genese einer Identität

Schwerpunkt des hier zu besprechenden Buches, Oilivia Spiridon: „Untersuchungen zur rumäniendeutschen Erzählliteratur der Nachkriegszeit“, ist die Analyse sowie die kritische Bewertung deutschsprachiger Literatur im Rumänien der Nachkriegszeit. Romane, Prosatexte und Kurzgeschichten von ca. 90 Autoren aus Siebenbürgen und aus dem Banat belegen den Emanzipationsprozess einer Minderheitenliteratur vor dem Hintergrund der rumänischen Kulturpolitik einerseits, des westlichen Literaturbetriebs andererseits.
Schwerpunkt des hier zu besprechenden Buches ist die Analyse sowie die kritische Bewertung deutschsprachiger Literatur im Rumänien der Nachkriegszeit. Romane, Prosatexte und Kurzgeschichten von ca. 90 Autoren aus Siebenbürgen und aus dem Banat belegen den Emanzipationsprozess einer Minderheitenliteratur vor dem Hintergrund der rumänischen Kulturpolitik einerseits, des westlichen Literaturbetriebs andererseits. Ausführlich geht Spiridon auf die Autorenprofile aus ganz unterschiedlichen Generationen, auf literarische Strömungen sowie auf die einschneidende Zäsur, die Ausreise von mehr und mehr Autoren in die Bundesrepublik Deutschland ab den 80er Jahren, ein. Breiter Raum wird dabei wichtigen Exponenten aus Siebenbürgen gewidmet, wie z. B. Hans Bergel, Oskar Pastior, Georg Scherg, Heinrich Zillich und Erwin Wittstock. Das Buch, das eine überarbeitete Fassung der Dissertation der Verfasserin darstellt, verknüpft gekonnt literaturgeschichtliche, literaturtheoretische und kulturwissenschaftliche Entwicklungen und Zusammenhänge. Auch historische, politische und soziale Faktoren werden berücksichtigt, so dass dem Leser die vielfältigen Erscheinungsformen und Umwälzungen deutschsprachiger Literatur in Rumänien bewusst werden. Ausführlich geht Spiridon zudem auf die erschwerten Bedingungen des Literaturbetriebs unter der rumänischen Diktatur ein. (S. 94 ff.)

Zu Beginn ihrer Studie problematisiert Spiridon den Begriff ‚rumäniendeutsche‘ Literatur und begründet, warum die deutschen Regionalliteraturen (Siebenbürgen, Banat und Bukowina) erst nach Ende des 2. Weltkriegs zu einer mehr oder weniger eigenständigen Literatur zusammenwuchsen. Zusammenfassend meint sie, „dass es zwischen 1918 und 1944 in Rumänien keine Literatur mit rumäniendeutschem Selbstverständnis und mit ausgeprägten gruppenübergreifenden Struktureigentümlichkeiten gab, sondern drei Regionalliteraturen von unterschiedlicher Qualität, deren Teilmengen nicht ausschließlich regionalistische Züge aufwiesen.“ (S. 27, Anm. 41) Klar und verständlich legt die Verfasserin die einzelnen Phasen der Literaturentwicklung und der (staatlichen) Kulturpolitik in Bezug auf die rumäniendeutsche Literatur nach 1945 dar und hütet sich dabei vor pauschalen Urteilen und vorschnellen Kategorisierungen. Dies wird deutlich bei den Äußerungen Spiridons zur Standortbestimmung der jüngeren Schriftstellergeneration (Herta Müller, Richard Wagner, Johann Lippet u.a.), die fast durchgängig geprägt sind von Sachlichkeit hinsichtlich deren ästhetischen Positionen - jede Übertreibung ist der Verfasserin in dieser Sache fremd - und von Fairness in der Beurteilung literarischer Produktionen von Autoren der älteren Generation. (S. 275 ff.)

Fazit: Spiridon, Jahrgang 1971, in Siebenbürgen geboren und aufgewachsen, Absolventin germanistischer Studiengänge der Universitäten Hermannstadt und Passau, hat mit ihrem Buch ein umfassendes Kompendium vorgelegt, das den Reichtum geistiger Traditionen der deutschen Minderheit in Rumänien aufzeigt. Eine Bibliographie sowie ein Personenregister runden das Buch ab.

Carmen Wagner


Oilivia Spiridon: Untersuchungen zur rumäniendeutschen Erzählliteratur der Nachkriegszeit. Igel Verlag, Oldenburg 2002 (Literatur- und Medienwissenschaft, Bd. 86). 356 Seiten, 44,00 Euro, ISBN 3-89621-150-1.

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