21. Februar 2001

Großer Narrensprung in Sachsenheim

Die Urzelnzunft Sachsenheim ist ein voll akzeptiertes Mitglied der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte. Herzlichkeit und Respekt für die Urzeln bekam man nicht nur bei den offiziellen Reden, sondern auch während den zwei närrischen Tagen des Landschaftstreffen Neckar-Alb der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte am ersten Februarwochenende in Sachsenheim zu spüren.
Wulf Wagner begann seine hochwertige und sympathische Moderation der Brauchtumsvorführungen der Zünfte am Samstag, dem 3. Februar, mit den Worten: "Ein besonderer Gruß gilt den Goreschanern! Ich wünsch euch en hischen Owend!"





Foto: Walter Fielk





Für ein Fest mit 25 000 Zuschauern (Süddeutsche Presse) und zwei Zelten, davon eines mit 2 200 Sitzplätzen, hatte man in gigantischen Dimensionen planen müssen. Anderthalb Jahre beschäftigten sich denn auch die Hauptverantwortlichen mit diesem Narrentreffen: Zunftmeister Thomas Lutsch, Reinhard Lang und Richard Henning von den Siebenbürgern, und vom Turnverein Großsachsenheim der Vorsitzende Hermann Siber, dazu Siegfried Haag, Wolfgang Theisz und Gerhard Schweitzer. Sie fanden, was sie bei jedem Gespräch hervorhoben, eine stattliche Reihe von Helfern, die zum Teil ebenso wie sie tagelang Urlaub nahmen, um das Fest vorbereiten und gestalten zu können, die zahlreichen Gäste zu beköstigen, einzuquartieren, zu beraten, zu bedienen, zu unterhalten, handwerklich zu agieren und den Umzug zu organisieren.





Foto: Walter Fielk





Bei so vielen recht jungen Helfern freute sich sogar die Sonne! Sie ließ sich nicht "lumpen": während beider Umzüge verjagte sie den Regen und amüsierte sich über die Lumpenwimpeln, die im Festzelt und auf den Straßen auf einer Länge von fünf Kilometern fröhlich in der Luft wedelten. Die waren im Gundelsheimer Siebenbürger Altersheim von den dort lebenden Urzeln-Fans auf die Schnüre gereiht und danach von sechs Helfern in der Landschaft angebracht worden. Gemeinschaft war schon immer unsere Stärke.
Und bei den Agnethlern sind sich einige auch nicht zu alt, um mitzuhelfen. Der mit 81 Jahren älteste aktive Urzel Michael Knall (Talli) organisierte anhand eines Besuchs in Siebenbürgen aus den Karpaten ein schönes Bärenfell für den im Umzug tanzenden Bären. Als sich kein Kürschner fand, der das Fell auf Menschenmaß nähen konnte, übernahm er mit seinem Bruder Rudolf die mühselige Arbeit.
So sah man am Samstag nach den Vorführungen im Schlosshof und dem Fackelumzug, beim Brauchtumsabend der Fasnet-Landschaft auf der Bühne des großen Zeltes neben dem Paradehauptmann mit den beiden Engeln Maike Lang und Jasmin Heichel, den drei bewährten und mittlerweile berühmten Reifenschwingern der Urzelnzunft und Mummerl mit Rössl, auch einen schönen Bären. Wulf Wagner erklärte den Gästen, dass Siebenbürgen eine deutsche Sprachinsel sei, in der evangelische Menschen sich ein Brauchtum bewahrt haben. Thomas Lutsch begrüßte unter den Ehrengästen besonders Andreas Stein, den Bürgermeister von Sachsenheim, und Alex Moser, den Vizepräsidenten der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte.





Foto: Walter Fielk





Der Moderator würdigte den Urzelbrauch, indem er ihn präzise beschrieb. Das Können der Reifenschwinger bewertete er als "hohe technische Kunscht". Trotzdem wagte er sich an das Schwingen des Reifens mit einem Glas, was sogar gelang. Dann wurde er immer heimischer: Als die Siebenbürgische Tanzgruppe Bietigheim-Sachsenheim auftrat, tanzte er die "Schwäbische Tanzfolge" einwandfrei mit, allerdings mit doppelt so schnellen Drehungen, und hatte als Partnerin die Gattin des leider verhinderten Präsidenten der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte, Peter Stiegler.
Nach reichlichen Aufführungen der beteiligten Narrenzünfte spielte abends die Band "Memories" zum Tanz auf, was erfahrungsgemäß wegen Überfüllung jede Bühne klein aussehen lässt, während im anderen Zelt die Jugend an "Sachsenheims längster Theke" spezifische Musik genoss. Die Quartiere wurden von der Fußballgruppe der Siebenbürger aus Sachsenheim betreut.
Am Vormittag des Sonntags wartete die Frauenabteilung des Turnvereins mit einem Riesen-Frühstücks-Bufett und besonders freundlichen Helferinnen auf. Nach dem Festgottesdienst gab es einen Narrenfrühschoppen und danach im Kulturhaus den Zunftmeisterempfang durch den Bürgermeister der Stadt Sachsenheim, wo u.a. Heiner Bierbrot, der Vorsitzende der Sport- und Kulturgemeinschaft Sachsenheim, zugegen war. Dabei erhielt der Urzel Rudolf Roth die Goldene Ehrennadel der schwäbisch-alemannischen Narrenzunft. Die Gastgeschenke der Urzelnzunft waren diesmal 30 Miniaturen einer Urzellarwe (hergestellt von Dietmar Koch und Gerhard Haupt) bzw. eines Reifenschwingers (angefertigt von Brigitte Mrass und ihrer Familie). Der Bürgermeister dankte den Urzeln ein weiteres Mal dafür, dass sie ihren Brauch in Sachsenheim eingeführt und damit das Leben der Stadt bereichert haben, Alex Moser lobte die gute Integration der Urzeln in der Vereinigung und die Organisation des Festes.
Am "Großen Narrensprung", dem üblichen Umzug, beteiligten sich 42 Vereine bzw. Zünfte. Die Urzeln hatten in ihren Reihen auch zwei Agnethler Trachtenpaare.
Im Zelt waren wieder die vielen Helfer gefragt. In sechs Schichten sorgten bis zu 80 Personen dafür, dass sich die Gäste wohl fühlen konnten. Die von der Firma unseres Landsmanns und Sponsors Michael Keul-Wiesbauer zur Verfügung gestellten Container waren unentbehrlich genauso wie die Helfer im Informationsbüro. Richard Henning, der u.a. den Auf- und Abbau des Zeltes leitete, sagte gegen Ende des Festes, die Zusammenarbeit mit den Helfern habe gut geklappt. Seine Frau Minni fügte hinzu, dass auch all denen ein großes Dankeschön gebühre, deren Arbeit nicht gesehen werde und die zugearbeitet hätten, was nicht minder wichtig gewesen sei. Dafür danken alle, die zwei unterhaltsame närrische Tage genießen konnten.
Die Agnethler, denen das Urzelnlaufen neben dem Brauch ein Stück Identifikation bedeutet, danken zudem der Stadt Sachsenheim, dem Turnverein und allen Teilnehmern, die das Fest ermöglicht, mitgetragen und bereichert haben.

Doris Hutter

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