9. März 2003

Architekt an der Zeitenwende

In Gröbenzell bei München starb nach längerem Leiden am 12. Februar dieses Jahres im Alter von wenig über 82 Jahren Hans Wolfram Theil. Er wurde unter anderem mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis für ein Lebenswerk ausgezeichnet, dessen beide Hauptstränge – Architektur und Einsatz für die Landsleute – in der von ihm geschaffenen Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl anschaulich vereint sind.
Der am 8. Januar 1921 in Schäßburg, Siebenbürgen, als Urenkel des Gymansiallehrers und Dichters Michael Albert (1836-1893) Geborene studierte nach dem Abitur am Schäßburger Bischof-Teutsch-Gymnasium – unterbrochen vom Kriegseinsatz 1942-1945 – an den Technischen Hochschulen in München und Stuttgart Architektur. 1946 erwarb er das Diplom der TH Stuttgart und war hier von 1947 bis 1953 wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Hochbaukunde. Von 1950 bis 1985 betrieb Theil in der baden-württembergischen Landeshauptstadt ein eigenes Architektur-Büro, das sich im Laufe der Jahre landesweit einen Namen machte.
Hans Wolfram Theil, 1997 in seiner Wohnung in Langwied bei München aufgenommen. Im Hintergrund der von ihm modellierte Porträtkopf von Hermann Oberth. Foto: Konrad Klein
Hans Wolfram Theil, 1997 in seiner Wohnung in Langwied bei München aufgenommen. Im Hintergrund der von ihm modellierte Porträtkopf von Hermann Oberth. Foto: Konrad Klein


Hans Wolfram Theil erwarb sich vor allem als Planer, Entwerfer und Erbauer von rund fünfzig öffentlichen Bauwerken wie Sporthallen, Kirchen, Schulen, Gemeindehäusern, Altenheimen u.a. einen vorzüglichen Ruf. Darunter verdient besonders die Göppinger Sporthalle Erwähnung, in der Theil - gemeinsam mit Albrecht Elbner - einen Bautypus schuf, der beispielgebend werden sollte. Seine Charakteristika dürfen als typisch für Theils gesamte Bauauffassung und -konzeption angesehen werden: möglichst optimale Raumhelle und Formklarheit, verbunden mit übersichtlicher Zweckmäßigkeit. Bezeichnend ist dabei jedesmal ebenso der allen seinen Bauanlagen zugrunde liegende Gedanke der Großzügigkeit, die dem Gesamtbauwerk einen Zug von Schwerelosigkeit verleiht.

Wie sehr den vielfach öffentlich prämiierten Architekten Hans Wolfram Theil parallel zur praktischen Seite seiner Berufstätigkeit auch die Theorie des Bauens beschäftigte, lässt sich in seinen Veröffentlichungen nachlesen. Es handelt sich dabei nicht nur um zahlreiche Beiträge in Fachperiodika, sondern auch um Bücher, die selbst dem Laien Wesen und Aufgabe modernen Bauens nahe bringen. So erschien zum Beispiel 1959 das Buch "Saalbau. Handbuch für die Planung von Saalbauten und Kulturzentren", zehn Jahre später, 1969, "Schule. Handbuch für die Planung von Schulhausbauten", oder 1978 "Das Haus, in dem wir wohnen". Alle diese Fachinformationen sind zugleich kulturhistorisch aufschlussreiche Hinweise auf das Bauen in Zeiten der Umbrüche, der neuen gesellschaftlichen und damit auch der gewandelten Lebensorientierungen, in deren Rahmen die Auffassung vom Beisammensein im Gemeinschafts- ebenso wie das Leben im Wohnraum Veränderungen erfuhr. Besonders "Das Haus, in dem wir wohnen", ist heute noch mit Gewinn zu lesen.

Deutlich wird beim Studium dieser Schriften die humanistische Bildungsgrundlage Theils, zu der auch das Denken in ästhetischen Kategorien gehört. Das lässt sich an einer Lieblingsbeschäftigung dieses Mannes gleichsam mit Händen greifen, ich meine seine Auseinandersetzung mit der Bildhauerei. Schon während der Schäßburger Schuljahre hatten Bronzebüsten prägnanter Persönlichkeiten Aufsehen erregt. Als Student der Architektur in Stuttgart beteiligte er sich an Skulpturwettbewerben und trug deutschlandweit ausgeschriebene Preise davon. Nach der Aufgabe des Stuttgarter Architekturbüros und der Übersiedlung nach Langwied, München, nahm er diese Beschäftigung wieder auf und schuf eine Reihe von Porträtbüsten, deren Beste keinen Vergleich scheuen müssen. Wer sie kennt, bedauert es, dass Hans Wolfram Theil die Bildhauerei nur nebenher betrieb.

Es war auch dieser bildnerische Drang, der ihn zum Mitschöpfer der Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl prädestinierte. Die Synthese aus architektonischem Raum- und skulpturalem Bilddenken, die hier glückte - unpathetisch, in zwingender Harmonie der einzelnen Elemente, aussageklar -, ist bis heute eine der wenigen öffentlichen künstlerischen Selbstdarstellungen der Siebenbürger in Deutschland.

Theil verschloss sich neben seinen beachtlichen Arbeitspensen nicht dem Anspruch, den seine Landsleute im Zeichen ihres Gemeinschaftslebens an ihn stellten - sei es als langjähriger Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg, sei es als Anreger und Verwirklicher des Museumsum- und -ausbaus auf Schloss Horneck o.a. Er war in allen diesen und vielen anderen Fragen ein kenntnisreicher und kritischer, sachlicher und höflicher Gesprächspartner. Ein Mann, der guten Stil mit Lebensfreude verband, geistige Wachheit mit Neugierde an allem, was in der Welt geschah.

Die Beisetzung fand am 18. Februar auf dem Neuen Münchner Südfriedhof statt. Seitens der Siebenbürger Sachsen hielt Dr. Wilhelm Bruckner, Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft, eine gehaltvolle Grabrede.

Hans Bergel



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