16. März 2003

Organist Volkmar Zehner zieht alle Register

Das "Objekt der Begierde" - leicht wie eine Feder, zierlich gebaut, von schlichter Eleganz? - "Sie" wiegt 18,5 Tonnen, ist 6 Meter hoch, besitzt 3 755 Pfeifen und 55 Register. Kaufpreis: 750 000 Euro. Hamburgs größter Orgelneubau. Ein derartiges Medienecho wird die evangelische Kirche am Rockenhof kaum ein zweites Mal erleben. Über die feierliche Einweihung am 15. September 2002 im Hamburger Stadtteil Volksdorf berichteten "Die Welt", "Hamburger Morgenpost" sowie das "NDR-Fernsehen". Mitten im Rampenlicht der Sohn eines Bistritzers.
"Es ist mein Wunschinstrument", schwärmt Volkmar Zehner, der Kirchenmusiker und Organist der evangelisch-lutherischen Gemeinde Hamburg-Volksdorf. "Denn dieses Instrument eignet sich hervorragend für Werke aus dem Barock, der Romantik und Moderne." Als einzigartig im Hamburger Musikraum gilt der süddeutsch-elsässische Stil des Instrumentes aus der Werkstatt des Leonberger Orgelbauern Konrad Mühleisen.
Kirchenmusiker Volkmar Zehner vor der neuen Prachtorgel
Kirchenmusiker Volkmar Zehner vor der neuen Prachtorgel

Die Mühleisen-Orgel wurde übrigens, eine bemerkenswerte Randnotiz, von der Kirchengemeinde Volksdorf ausschließlich aus Spenden finanziert. Dessen eingedenk, auch in Anbetracht der für diese Breiten ungewöhnlichen Klangästhetik hofft Zehner, dass dieses Instrument "einen neuen Akzent, gleichsam einen neuen Farbtupfer in der Orgellandschaft Hamburgs setzen" wird. An dem notwendigen künstlerischen Engagement seinerseits wird es freilich nicht scheitern, vergegenwärtigt man sich die bisherige Laufbahn des Kirchenmusikers.

Sein 1986 an der Hochschule für Musik und Theater Hannover aufgenommenes Studium (Orgel, Klavier, Cembalo, Dirigieren) schloss Volkmar Zehner 1993 mit der Kirchenmusik-A-Prüfung erfolgreich ab. Das Konzertexamen für Orgel folgte Mai 1997 mit Auszeichnung. Schon während dieser Studienjahre profilierte er sich als Organist der Friedenskirche Amum (1987/1988) und der Evangelisch-Lutherischen Lukaskirche Hannover (1989-1995). Besondere Farbtupfer waren ein Gastspiel am Niedersächsischen Staatstheater Hannover, die Russlandreise mit J. S. Bachs „Johannespassion“ im April 1993 sowie ein Studienjahr in Lyon am Conservatoire National de Région, gekrönt mit dem Erwerb der Medaille d’Or. Seit Mai 1995 nun ist Volkmar Zehner Kirchenmusiker der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Hamburg-Volksdorf und seit Oktober 1997 zusätzlich Beauftragter für Kirchenmusik im Kirchenkreis Stormam, Bezirk Bramfeld-Volksdorf.

Mit Siebenbürgen verbindet den Organisten die Herkunft seines Vaters, Hanspeter Zehner, Verfasser des Schönbirker Heimatbuches, der über die mütterliche Linie mit Bischof Georg Daniel Teutsch (1817-1893) verwandt ist. In Schönbirk, einem fünf Kilometer westlich von Bistritz gelegenen Dorf in Nordsiebenbürgen, versah Volkmars Großvater, vormals Bistritzer Gymnasialprofessor, Anfang der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts das Pfarramt. In der Mitte des (1337 erstmals urkundlich erwähnten) Dorfes standen die evangelische Kirche mit einer Orgel, das Pfarrhaus und die Schule. Im Zuge der Kriegswirren mussten die Siebenbürger Sachsen am 19. September 1944 ihr Heimatdorf verlassen. So auch Volkmars Großeltern sowie zwei Tanten, die in Vöcklabruck eine zweite Heimat fanden. Vater Hanspeter indes, Teilnehmer am Russlandfeldzug, gelangte erst nach Kriegsende in den Westen. Als Deutschlehrer im Stuttgarter Raum tätig, heiratete er 1958 Ursula Maria Mohr. 1965 kam Volkmar als viertgeborenes von sechs Kindern in Calw (Schwarzwald) zur Welt. Siebenbürgen hat der heute 37-Jährige, inzwischen selbst Vater dreier Kinder, auf verschiedenen Reisen kennen gelernt, zuletzt 2001 zusammen mit Vater Hanspeter Zehner. Ein Geschenk der Kinder an den Vater anlässlich seines 75. Geburtstags.

Bistritz, Kronstadt oder Hermannstadt hinterließen damals bleibende Eindrücke, dergestalt, dass sich Volkmar Zehner eine Rückkehr, allerdings unter anderen Vorzeichen, gut vorstellen kann. So denkt er an eine Konzertreise nach Siebenbürgen mit seiner 90-köpfigen Kantorei. Der Wahlhamburger fügt hinzu: „Ich muss gestehen, dass ich mit der siebenbürgischen Musik erst 2001 in Berührung gekommen bin. Ebenso fasziniert haben mich die bedeutenden Orgeln, die z.B. in Kronstadt (große Renovierung), Hermannstadt (romantische Orgel) oder Bistritz (Barockorgel, Renovierung angedacht) stehen. Ich kann mir vorstellen, auf diesem Gebiet wie auf dem Gebiet der Chormusik einen fruchtbaren Austausch zu beginnen“. In Zehners diesjährigem Terminkalender stehen - neben der vielfältigen Probenarbeit, den Gottesdiensten und Konzertauftritten - mit der „Volksdorfer Internationalen Orgelwoche“ sowie der Aufnahme einer CD (Orgelwerke u.a. von C. Franck, J. S. und C. Ph. E. Bach) mindestens zwei hochkarätige Projekte. Nicht auszuschließen, dass sich eben erst angedachte Initiativen bald noch hinzugesellen.

Christian Schoger


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 4 vom 20. März 2003, Seite 8)

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