19. März 2003

Geistige Traditionen erneuert - in memoriam Dietrich von Bausznern

Der Interpret und Komponist Dietrich von Bausznern wäre am 19. März 75 Jahre alt geworden.
Gelegentlich hat man die siebenbürgisch-sächsischen Musiker nach Herkunft und Ort ihres Wirkens folgendermaßen eingeteilt: Musiker, die in Siebenbürgen geboren wurden und im Ausland wirkten; Musiker, die im Ausland geboren wurden, deren Eltern und Vorfahren aus Siebenbürgen stammten; Musiker, die aus dem Ausland nach Siebenbürgen zuzogen; Musiker aus dem Ausland, die zeitweilig in Siebenbürgen lebten; Musiker, die in Siebenbürgen geboren wurden und dort auch lebten. Das ist ein recht weitgefasster Kreis, der für die siebenbürgisch-sächische Musik in Anspruch genommen wird.

Die Kategorisierung ist im Grunde natürlich irrelevant, aber sie führt zu der interessanten Frage, ob nun auch die Nachkommen von Siebenbürger Sachsen im ersten, zweiten oder sogar dritten Glied noch Siebenbürger Sachsen sind, beziehungsweise ob sie, wenn sie Musiker geworden sind, der siebenbürgischen Musikgeschichte gutgeschrieben werden dürfen oder nicht? Diese Frage soll hier weder näher erörtert noch beantwortet, sondern nur noch einmal am Beispiel Dietrich von Bausznern gestellt werden, um vielleicht grundsätzliche Gedanken dazu anzuregen und einer Prüfung zu unterziehen, ob die siebenbürgische Musikgeschichtsschreibung gut oder nicht gut daran tut, außerhalb Siebenbürgens lebende Nachkommen in den Kreis ihrer Betrachtungen einzubeziehen bzw. ob sie das Recht dazu hat, oder in welcher Weise sie das tun könnte oder sollte.

Dietrich Edler von Bausznern war der jüngste Sohn des in Mannheim geborenen Pfarrers, Lehrers, Musikliebhabers und Musikeditors Friedrich von Bausznern (1891-1964), des Sohns des in Mannheim, Dresden, Weimar, Frankfurt und Berlin tätig gewesenen Komponisten Waldemar von Baußnern. Letzterer wurde als Sohn des aus Hermannstadt gebürtigen Rechnungsoffizials, Musikamateurs und ersten Musikdirektors des Hermannstädter Musikvereins Carl August Edler von Bausznern (1797-1875) und dessen zweiter Gattin Friederike Kantara aus Königsberg 1866 in Berlin geboren - die Eltern hatten kurz (1865/1866) in Berlin gewohnt. Die Entfernung Dietrichs vom siebenbürgischen Ursprung ist also beträchtlich. Allerdings war er sich seiner Abkunft von siebenbürgischen Ahnen bewusst, hatte seine, wenn auch ferne, Herkunft von einem alten siebenbürgischen Patrizier- und Adelsgeschlecht zeitlebens bekräftigt, sich zu ihr bekannt und sich Siebenbürgen verbunden gezeigt (er hatte sogar die alte Schreibweise des Namens wieder angenommen). Besucht aber hat er – wie noch sein Vater und Großvater – Siebenbürgen nie, und direkte Verbindungen zum Land seiner Ahnen hat er nicht gepflegt.

Dietrich von Bausznern wurde am 19. März 1928 in Rastenburg (Ostpreußen) geboren, wuchs in Stolzenberg (Pommern) auf und kam bei Kriegsende auf der Flucht nach Potsdam. Hier nahm er Musikunterricht bei Hans Chemin-Petit und machte das Abitur. Vorübergehend (1947 bis 1949) studierte er bei Ottmar Gerster an der Hochschule für Musik in Weimar, dann übersiedelte er nach Freiburg im Breisgau und studierte dort von 1949 bis 1953 bei Harald Genzmer. Schon während des Studiums engagierte man ihn als ständigen Mitarbeiter an die Schulfunkabteilung des Südwestfunks. Stationen seines beruflichen Aufstiegs waren sodann seine Stellungen als Dozent an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg (1962 bis 1969), am Richard-Strauss-Konservatorium in München (1969 bis 1973) und von 1973 an als Hauptfachlehrer für Musiktheorie und Tonsatz an der Staatlichen Hochschule für Musik in Frankfurt am Main. Dort erfolgte 1979 seine Ernennung zum Professor. Seit 1952 versah er gleichzeitig den Kantoren- und Organistendienst in Kirchzarten (im Schwarzwald), wo er seinen Wohnsitz hatte und wo er Leiter des Jugendbildungswerks Musik und seit 1971 der „Kirchzartener Konzerte“ war. Er wirkte außerdem in leitender Funktion bei der „Arbeitswoche Moderne Musik Wuppertal“, beim Deutschen Komponistenverband, der GEMA, dem Breisgauer Sängerbund und in verschiedenen kirchlichen Gremien. An Ehrungen, die ihm zuteil wurden, sind zu nennen der Reinhold-Schneider-Preis, der Johann-Wenzel-Stamitz-Preis, die Goldene Ehrennadel der Stadt Kirchzarten und das Bundesverdienstkreuz.

Zu seinem Hauptanliegen als Interpret und Komponist gehörten die Bewahrung der geistigen Traditionen in der evangelischen Kirchenmusik und die Erneuerung dieser Musik aus der Überlieferung heraus. Aus vielfältigem, rastlosem und auch aufreibendem Tätigsein riss ihn ein zu früher Tod am 20. Januar 1980. Sein kompositorisches Werk umfasst zwölf geistliche Konzerte und vier Kantaten für Soli, Chor und Orchester (bzw. Orgel), elf Motetten, des Weiteren Lied- und Chorsätze, Orgelmusik, Orchesterwerke, konzertante Werke für Klavier und Orchester, Kammermusik für Melodieinstrumente mit Klavier bzw. Orgel und für andere Besetzungen, außerdem eine „Jugendoper“, eine „Funkoper“ und ein Singspiel für Kinder.

Seit Bausznerns Tod sind über zwanzig Jahre vergangen. Wir müssen fragen: Wer erinnert sich noch an ihn, wer kennt seine Verdienste, wer erkennt die Spuren seiner Wirksamkeit, wer kennt und spielt seine Kompositionen, worin äußert sich sein Nachleben? Seine Kinder halten vielleicht sein Andenken wach. Drei von vier Kindern sind Musiker geworden: Matthias Simon Edler von Bausznern (geboren 1955) ist Violoncellist und Musikmanager, Christian Edler von Bausznern (geboren 1961) ist Pianist, Organist und Schulmusiker, Constanze von Bausznern-Kollmann (geboren 1964) ist Flötistin und Musikwissenschaftlerin. Eine Reihe von Enkelkindern setzt die Linie der Edlen von Bausznern fort. Ob sie sich für ihren Großvater und die siebenbürgischen Ahnen interessieren?

Es bleibe also dahingestellt, ob die siebenbürgische Musikhistoriographie Dietrich von Baußnern beanspruchen darf oder nicht. Sie und siebenbürgische Einrichtungen wie Interpreten sind es allemal, die sich seiner erinnern und ihm ein tätiges Andenken bewahren. Vielleicht sollten sie sich aber künftig noch mehr für Bausznerns kompositorische Hinterlassenschaft einsetzen.

K. T.


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 4 vom 20. März 2003, Seite 7)

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