30. März 2003

Betrachtungen zur Brukenthal-Ausstellung in München

Seine persönlichen Eindrücke von der noch bis 11. Mai 2003 im Haus der Kunst in München gezeigten Doppelausstellung mit Meisterwerken aus der Sammlung des Baron von Brukenthal, Hermannstadt, (Bericht in Folge 3 der "Siebenbürgischen Zeitung", Seite 5) gibt Oswald Kessler aus München im nachfolgenden Beitrag wieder.
Nochmals sei auf die beiden Kataloge zur Ausstellung verwiesen: Barocke Sammellust. Die Sammlung Schönborn-Buchheim. 268 Seiten, 190 Bilder, davon 163 in Farbe, 35 Euro, ISBN 3-93235371-4; und: Barocke Sammellust. Die Sammlung des Baron Samuel von Brukenthal. 214 Seiten, 96 Bilder, davon 84 in Farbe, 25 Euro, ISBN 3-932353-72-2. Beide Kataloge können auch zusammen erstanden werden für 55 Euro an der Ausstellungskasse im Haus der Kunst oder aber im Buchhandel (im Schuber für 88 Euro).

Am 7. April 2003 jährt sich der Todestag des Baron Samuel von Brukenthal zum 200. Mal. Das Bemerkenswerte an der Ausstellung „Barocke Sammellust“ im Haus der Kunst in München erlebt selbst derjenige, der die hier ausgestellten Bilder vielleicht schon in Hermannstadt gesehen hat. Der erste Eindruck ist der einer praktisch perfekten Aufhängung, Beleuchtung und Hintergrundfarbe.
Tizian (1485-1576): Ecce homo; Öl auf Leinen, 66 x 53 cm. Eines der in München gezeigten Bilder der Sammlung Brukenthal.
Tizian (1485-1576): Ecce homo; Öl auf Leinen, 66 x 53 cm. Eines der in München gezeigten Bilder der Sammlung Brukenthal.



Im ersten Raum, auf der rechten Seite, beginnt die Ausstellung mit Darstellungen mythologischer Themen. „Das Urteil des Paris“ von Hendrick I. v. Balen (1575-1632) und „Der Raub der Prosperina“ von Hans von Aachen (1552-1615) sind Kompositionen, die in der Erinnerung weiter wirken. Bei dem großen Bild auf der linken Seite, „Markttag beim Ponte Sant’Angelo in Rom“ von Pieter v. Bredael d. Ä. (1629-1719), kommen Zweifel auf: "Habe ich dieses Bild im Brukenthalpalais in Hermannstadt gesehen?" - Man darf eines nicht vergessen: Alle hier gezeigten Bilder wurden einer monatelangen Restaurierung unterzogen, teils in Hermannstadt, teils in München. Die Bilder zeigen somit einen uns noch unbekannten Glanz!

Wohl immer schon gab es Modeerscheinungen, siehe die Bilder von „Arztpraxen“ des 18. Jahrhunderts, etwa „Der Aderlass“ von Hendrick Goovaerts (1669-1720). Da sind mir die vier Jahreszeiten des Andrea Celesti (1637-17119) im fünften und letzten Raum der Bruckenthal'schen Ausstellung weitaus lieber. Doch Achtung, nicht zu nahe an das Bild mit der Darstellung des Sommers herantreten: Da hegt ganz vorne am Bildrand ein weißer Hund typische Absichten! Der Herr Celesti hatte halt so seinen Spaß mit uns Betrachtern seiner Bilder.

Über die Stillleben mit Blumen, Früchten oder Schmetterlingen kommen wir zu einem Bild, bei dem bestimmte, in die Komposition scheinbar beiläufig hineingestellte Gegenstände uns etwas sagen wollen. Es ist „Susanna im Bade“ von Frans F. de Vriendt (1519-1570). Die Glaskaraffe auf dem Hemd verweist symbolisch auf die Jungfräulichkeit, erfahren wir aus dem empfehlenswerten Ausstellungskatalog. Dieses Symbol des Wertvollen, unwiderruflich Zerbrechlichen konnte man in Siebenbürgen bei Verlobungen und Hochzeiten an verschiedenen Handlungen beobachten. Und da von Siebenbürgen die Rede ist, wäre es an der Zeit, dem ehrbaren „Johann Traugott von Seilen aus Kronstadt“ einen guten Tag zu wünschen. Er blitzt so souverän und lässig aus seiner kostbaren Kleidung hervor, dass an seiner Kronstädter Herkunft überhaupt kein Zweifel besteht.

Vor den Toren Hermannstadts angelangt. Auf der Einfahrtstraße über die Zibinsbrücke wimmelt es von Leuten aller Nationen, Altersgruppen und sozialen Ständen, alle an ihrer Kleidung erkennbar. Dafür gab es ja eine Kleiderordnung in Hermannstadt! Es lohnt sich, vor diesem im Jahr 1808 von Franz Neuhauser d. J. gemalten Bild zu verweilen.

Von dieser Ansicht von Hermannstadt gelangt man in die Sammlung Schönborn-Buchheim. Am Beginn dieser Ausstellung zu sehen ist das Bildnis des Baron Samuel von Brukenthal. Das Portrait wurde nach 1787, also höchstens fünf Jahre vor seinem Tode gemalt. Über den Maler des Bildes streiten die Fachleute noch. Ist es der Siebenbürger Johann Martin Stock? Man sollte das Bild erst betrachten, nachdem man im linken Nebenraum alle Portraits derer von Schönborn gesehen hat. Ein grundlegender Unterschied liegt im Ausdruck der Hände. Nicht nur bei den Schönborns, die alle einen bestimmten Fingerring zeigen und deren Hände sich auf Waffen, Rüstung oder reiche Kleidung stützen, sondern bei allen je gesehenen Portraits aus jener Zeit halten die Hände der Portraitierten einen für ihre Person typischen Gegenstand in der Hand. Nicht so beim Baron von Brukenthal. Er scheint gerade mit dem Betrachter des Bildes zu sprechen. Seine Augen sind teils prüfend, teils gütig auf sein Gegenüber gerichtet. Seine Stirn und Augen sind von hellem Licht erleuchtet. Dieses Licht findet sich nur noch an einer einzigen Stelle im Bild, in der leicht nach oben geöffneten Hand. Als hätte sie kurz zuvor einen wundersamen Kristall umfasst. Nun prüft er den "Empfänger", ob der das Erhaltene zu schätzen weiß. Es sind seine über Jahrzehnte gesammelten Schätze, die er uns allen vermacht hat, auf dass der Geist der Freiheit und der Bildung unter uns fortlebe: „Siehe, dieses alles habe ich euch gegeben.“

Oswald Kessler


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2003, Seite 5)
Barocke Sammellust: Die Sammlu
Markus (Hrsg.) Kersting
Barocke Sammellust: Die Sammlung Schönborn-Buchheim

Edition Minerva, München
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