11. April 2003

Immobilienrückgabe in Rumänien: "Es herrscht eine merkwürdige Stille"

Gespräch mit dem Hauptanwalt des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Friedrich Gunesch, über die Restitutionsansprüche seiner Behörde
Die Termin für Anträge der Glaubensgemeinschaften in Rumänien auf Immobilienrückgabe ist Anfang März abgelaufen. Gut über 6 000 Restitutionsansprüche insgesamt sollen bei der zuständigen Kommission des Ministeriums für öffentlichen Verwaltung eingegangen sein. Die meisten Ansprüche stellten dabei die griechisch-katholische Kirche (am 27. Februar waren es 1 783) und die mosaische Glaubensgemeinschaft (1 774), während die orthodoxe Kirche mit 590 Gesuchen knapp vor der römisch-katholischen Kirche (317) lag. Ob auch unsere Heimatkirche die Antragsfrist einhalten konnte, wollten wir von Hauptanwalt des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Friedrich Gunesch, erfahren, desgleichen: „Wie viele Gesuche gab es in diesem Sinne?“ Dazu Friedrich Gunesch erklärte gegenüber unserem Hermannstädter Mitarbeiter, Martin Ohnweiler:

Insgesamt 680 Gesuche unserer Gemeinden wurden an die Bukarester Zentralkommission weitergeleitet und die letzten Anträge am 27. Februar dort abgegeben. Die Antragsfrist haben wir demnach eingehalten, obgleich wir unter Umständen einer Terminverlängerung zustimmen würden. Denn trotz wiederholter Aufforderungen und Nachfragen bei den Bezirken haben nicht alle unsere Gemeinden Rückgabeansprüche gestellt. Fälle der entlegenen Diaspora könnten diesbezüglich noch aufgegriffen und nachgereicht werden.

Warum gab es örtlich diese Zurückhaltung?

Das Landeskonsistorium hat die Bezirkskonsistorien und Kirchengemeinden klar aufgefordert, letztendlich in eigener Verantwortung alle ihre einst enteigneten Besitztümer zu beanspruchen. Es wurde also ihnen überlassen, welche Immobilien sie wiederhaben, aber danach auch verwalten wollen bzw. können. Nachdem nur im Falle der Auflösung einer Kirchengemeinde deren Besitz in das Eigentum der Gesamtgemeinde übergeht - und seit 1986 ist keine derartige Auflösung mehr ausgesprochen worden - musste also mehrheitlich eine solche Entscheidung vor Ort gefällt werden.

Welche Kirchenbezirke haben sich besonders für die Rückgabe von einst enteignetem Besitz stark gemacht, was wurde konkret in den jeweiligen Regionen beansprucht?

Effizient und beinahe vollständig haben die Bezirkskonsistorien Kronstadt und Hermannstadt die einst kirchlichen Gebäude zurückverlangt, sodann der Kirchenbezirk Schäßburg, der, zeitlich gesehen, sogar als Erster die Aktion, allerdings ohne das Nösnerland, startete. In den Kirchenbezirken Mediasch und Mühlbach haben mehrere Kirchengemeinden keine Anträge gestellt und das mit der Inexistenz von Besitztümern bzw. mit der Existenz von wertlosem und daher zukünftig belastendem Besitz begründet, also ganz einfach auf eine Rückgabe verzichtet. Zurückgefordert wurden vornehmlich Schulgebäude, Gemeindesäle, ehemalige Lehrerwohnungen, Mietwohnungen, in wenigen Fällen dann noch Krankenhäuser, Archive, Museen oder andere einstige wie heutige öffentliche Einrichtungen.

Immer wieder taucht die Frage auf: Was machen die mittlerweile stark geschrumpften Kirchengemeinden dann mit dem eingeforderten Besitz, sollte man all diesen Gesuchen auch tatsächlich stattgeben?

Vorab: Wir haben fast ausnahmslos als erste Option für eine Rückgabe in natura plädiert bzw. das Eigentumsrecht wieder beansprucht und nur als zweite Option die Gewährung einer Entschädigung. So oder anders ist mit den vorläufigen Rückgabeansprüchen vorläufig auch nur der kleinere Teil dieses Fragenkomplexes gelöst. Erst danach tauchen Probleme wie Nutzung, Verwaltung, Vermietung, Instandhaltung u.a.m. bei eventueller Rückgabe auf, die von den Kirchengemeinden einvernehmlich mit den Bezirkskonsistorien wie dem Landeskonsistorium und seiner Kanzlei danach entsprechend geregelt werden. In der Regel jedoch gilt jetzt schon, dass sich der alte/neue Eigentümer zunächst auf Gebäude mit großem, wenn auch nur symbolischen Wert konzentrieren soll (beispielsweise Brukenthalmuseum), dann auf mögliche Einrichtungen für die Kirche (Kindergärten, Altenheime, Hospiz) oder auf Häuser für Mieteinnahmen und nur letztlich für zweitrangige Immobilien wie bereits verfallene Schulen oder andere ruinierte Gebäude.

Apropos Brukenthalmuseum: Zum 200. Todestag von Brukenthal wollte man eigentlich das Problem schon vom Tisch, also gelöst haben. Wie verlaufen hierbei die Dinge?

Das Problem Brukenthalmuseum ist längst nicht vom Tisch, nur, wie bekannt, der Antrag auf Rückgabe dieser Institution. Doch es gibt diesbezüglich bereits sachliche sowie ruhige Gespräche und positive Kontakte zwischen dem Museum und dem Ministerium für Kultur und Kulte.

Gibt es auch erste Reaktionen seitens der zuständigen Kommission in Bukarest auf die Ansuchen der evangelischen Kirchengemeinden? Oder gibt es sogar Rückmeldungen von den lokalen Behörden, mitunter auch aus der Bevölkerung?

Interessanterweise gibt es bisher fast keine Rückmeldungen aus dem Territorium, auch aus Bukarest nicht. Die vor langer Zeit angekündigte Aktion - das Gesetz wurde ja schon vor zehn Jahren angedacht - ist in dieser ersten Phase zunächst einmal abgeschlossen. Und seither herrscht eine merkwürdige Stille - hoffentlich nicht die berühmt-berüchtigte vor dem Sturm. Lediglich seitens des Kreisschulinspektorats Hermannstadt ist mir bekannt, dass dort auf Grund einer eigens hierfür aufgestellten Liste nach Ausweichmöglichkeiten gesucht wird.

Trotzdem: Wann und wie werden, aus Ihrer Sicht, diese Ansuchen einmal gelöst sein?

Ich schätze, dass im Herbst 2003 die ersten Bescheide von der Bukarester Zentralkommission ausgestellt werden könnten. Voraussetzung dafür aber ist, dass die Zentralbehörde noch in diesem Monat weitere Unterausschüsse für die einzelnen Kirchen oder Regionen bestimmt und auf lokaler Ebene einsetzt.

Herr Hauptanwalt, wir danken für das Gespräch.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2003, Seite 3)

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