25. April 2003

Brukenthal als europäische Persönlichkeit

Der 200. Todestag des Gouverneurs von Siebenbürgen und Begründers der größten Kunstsammlung Südosteuropas, Samuel von Brukenthal (1721-1803), wurde in Hermannstadt mit mehreren Tagungen und einem Gottesdienst begangen. Bürgermeister und DFDR-Vorsitzender Klaus Johannis forderte den testamentarischen Vollzug "ad literam".
Nicht der Titel eines "Freiherrn" habe Samuel von Brukenthal den Weg nach oben frei gemacht, vielmehr sei sein Anschluss an die Freimaurerbewegung ausschlaggebend gewesen für seine steile Karriere als Politiker und für seine Sammelleidenschaft. Diese These wurde Anfang April auf einer Tagung im Hermannstädter Bischofspalais aufgestellt, die dem 200. Todestag dieses siebenbürgischen "homo europaeus" gewidmet war.

Tagung zum 200. Todestag von Samuel von Brukenthal im Hermannstädter Brukenthalmuseum, von links nach rechts: Konsul Reinhold Neukötter, DFDR-Ehrenvorsitzender Paul Philippi, Bürgermeister Klaus Johannis, Bischof Christoph Klein, Museumsdirektor Alexandru Lungu und Staatssekretär Ioan Opris. Foto: Martin Eichler
Tagung zum 200. Todestag von Samuel von Brukenthal im Hermannstädter Brukenthalmuseum, von links nach rechts: Konsul Reinhold Neukötter, DFDR-Ehrenvorsitzender Paul Philippi, Bürgermeister Klaus Johannis, Bischof Christoph Klein, Museumsdirektor Alexandru Lungu und Staatssekretär Ioan Opris. Foto: Martin Eichler

In seinem einleitenden Referat hatte zwar Dr. Daniel Zikeli auf diesen Aspekt in Brukenthals Biografie aufmerksam gemacht und an die Studienzeit des späteren Gubernators von Siebenbürgen in Halle seit 1743 erinnert. Der Siebenbürger hatte als Hörer an der dortigen Fakultät für Jurisprudenz eine Tochter der Berliner Loge "Zu den drei Weltkugeln" an der Saale mit dem Namen "Zu den drei goldenen Schlüsseln" gegründet und deren Leitung auch bald übernommen.

Den Freiherrn als Freimaurer stellte vor allem Manfred Wittstock in den Vordergrund und betrat damit effektives Neuland. Der frühere Journalist war im Katalog zur Ausstellung im Rahmen des internationalen Jahres des Barock (Budapest 1993) auf eine Feststellung gestoßen, wonach Brukenhtal vermutlich während seines Aufenthalts in Wien schon 1753 der dortigen Loge "Zu den drei Kronen" beigetreten sei. Diese Tatsache war nach Ansicht Wittstocks entscheidend für die Audienz Brukenthals bei Maria Theresia. In nur fünf Tagen konnte er, wie es hieß, der Kaiserin zu Füßen fallen. Und während der Logenabende im "Gasthaus zum roten Apfel", erst recht aber in der Hofburg pflegte der Siebenbürger Sachse nicht nur Geselligkeit, sondern, so vermutet Wittstock, auch Kontakte zu den Logenbrüdern, darunter zu Kaiser Franz I. und Herzog Albert K. August, dem Mann bzw. Schwiegersohn der Kaiserin - beide als Kunstsammler und Kunstmäzene in der Wiener Szene jener Zeit bestens bekannt.

Und von da ab, stellten auch die Vor- und Nachredner von Manfred Wittstock in ihren Referaten zu Brukenthals Wirken als Politiker (Gerhard Schullerus), als Ökonom (Dieter Nowak) bzw. zu dessen Weltanschauung, Glaube und Bezug zur Kirche (Hermann Pitters) fest, ging es schlagartig bergauf mit dem Siebenbürger Sachsen. Denn schon 1762 erhob Maria Theresia den aus relativ bescheidenen Verhältnissen stammenden Brukenthal in den Freiherrenstand, und zugleich mit der Ernennung zum Präsidenten der siebenbürgischen Kanzlei und zum Geheimrat erhielt er sodann noch von der Kaiserin 1765 das Kleinkreuz des Stephanordens, 1773 zudem das Kommandokreuz des gleichen Ordens, 1777 schließlich wurde er durch ein kaiserliches Reskript zum Gouverneur Siebenbürgens bestimmt.

Während Prof. Dr. Paul Philippi die Hypothese Wittstocks "zumindest für befragenswert" hielt, fand sie der Romanautor Eginald Schlattner als "durchaus einleuchtend". Einleuchtend vermutlich deswegen, weil Gemäldesammler meistens auch über ein Kupferstichkabinett verfügten und über ein solches an Werke berühmter Meister gelangten - oder umgekehrt. Die später weltbekannt gewordene Kupferstichsammlung "Albertina" des Herzogs Albert dürfte Brukenthal diesbezüglich beeinflusst haben. Auf alle Fälle besaß der Leschkircher Königsrichter-Sohn nach dem Kurzböckschen Almanach von 1773 das zweitgrößte Privatkabinett in Wien dieser Art nach jenem des Barons von Hagen.

Und es sollte die größte Sammlung Siebenbürgens und Südosteuropas werden, da sie nach und nach in die Heimat des Sammlers überführt wurde. Der Entstehungsprozess des Brukenthalschen Kunstschatzes mit Kupferstichen, Gemälden, Handschriften und Bibliothek wie Mineral- und Münzen-, aber auch der archäologischen Sammlung ist heute schwer nachzuvollziehen, da das Hausarchiv ähnlich den zahlreichen anderen Wertgegenständen in den Jahren des Kommunismus nach und nach widerrechtlich aus dem Brukenthal-Besitz veräußert bzw. zwangsverlegt wurden.

Überhaupt seien die Kenntnisse um Brukenhtals Biografie noch lange nicht vollständig, um "reflektiv" über sein Wirken selbst 200 Jahre nach seinem Tod urteilen zu können, meinte Paul Philippi. Eher sächsisch zentriert waren daher in den Augen des Historikers ein Gutteil der Referate bei Tagung dort, wo auch der Siebenbürgische Landtag in Anwesenheit von Brukenthal einst und das Landeskonsistorium unserer Heimatkirche, dessen Grundstein der Gubernator 1754 mit gelegt hatte, auch heute noch tagt. Auch in der anschließenden Diskussion erfuhr man aufschlussreiche Details, die Brukenthal in seiner Vielschichtigkeit präsentierten. Und das war ja auch die Absicht der Organisatoren: des Vereins Deutsches Kulturerbe in Rumänien, der Evangelischen Akademie Siebenbürgen und der Stiftung Samuel von Brukenthal. Selbst in die Perspektive des 21. Jahrhunderts wurde das Gedenken an Brukenthal gerückt. Aus dieser Sicht deutete Bischof D. Dr. Christoph Klein einleuchtend den Wahlspruch Brukenthals, fidem genusque servabo, um. Und DFDR-Vorsitzender Klaus Johannis stellte die gleiche Persönlichkeit als "einen Mann von Welt" und seine "Weltläufigkeit" als ein "Modell für die Zukunft" dar.

Schließlich stimmte auch der Rahmen: Brukenhtlas wohl bekanntestes Bildnis eines immer noch unbekannten Meisters wurde zu diesem Anlass aus der Pinakothek kurzfristig in die bischöfliche Ahnengalerie verlegt, und aus Klausenburg hatte man das junge, jedoch musikalisch durchaus ausgereifte Bläsertrio (Ingrid Körösi, Oboe, Razvan Cosmin Poptean, Klarinette, und Daniel Verde, Fagott) für Musik zum Ein- und Ausklang geladen.

Szenenwechsel eine Woche später im barocken Salon des Palais am Großen Ring. Zur Rechten des Generaldirektors dieser Institution saßen bei der Jubiläumstagung im Präsidium die Vertreter der sächsischen Gemeinschaft (Bischof, Bürgermeister, DFDR-Ehrenvorsitzender und der deutsche Konsul), zur Linken die Vertreter der Regierung (Staatssekretär), der Präfektur, der Orthodoxie und des Astra-Museums. So in etwa könnte man sich durchaus auch die neue Zusammensetzung eines Kuratoriums im Hermannstädter Brukenthalmuseum vorstellen. Zudem sah man im Saal unter den honorigen Gästen den Botschafter Österreichs (Christian Zeilleisen) sowie Prinz Paul von Rumänien mit Gattin und Senator Hermann Fabini.

"Kooperation" war denn auch das Schlüsselwort in den meisten Grußbotschaften, Brukenthals Vermächtnis wurde gleichfalls in diesem Sinne angesprochen, lediglich Bürgermeister Klaus Johannis forderte den testamentarischen Vollzug ad literam. Noch mehr: Ein Standbild von Brukenthal würde vor dessen Palais wohl am besten stehen, regte das Stadtoberhaupt an. Es gab Applaus. Anerkennung fand auch die Veranstaltung insgesamt ebenso wie die Tagung im Bischofspalais einige Tage zuvor. Die Weit- und Weltläufigkeit dieses Mannes wurde bei der Eröffnung des Symposions von den Festrednern (Direktor Alexandru Lungu, Staatssekretär Ioan Opris, Bischof Christoph Klein, Bürgermeister Klaus Johannis und DFDR-Ehrenvorsitzender Paul Philippi) erneut hervorgestrichen, und tags darauf wurde die Vielschichtigkeit von Brukenthals Wirkens in über 24 Referaten in aller Ausführlichkeit nochmals beleuchtet. Brukenthal also über alles während dieser Tage in der Haupt- und Hermannstadt.

Das ist aber noch nicht alles. Im kommenden Sommer wird im Palais die Geschichte der Brukenthalschen Sammlungen in einer umfangreichen Ausstellung nachvollzogen, im Herbst dürften Rubens Radierungen hierher kommen (wie nur unlängst jene von Dürer), und bei der Olympiade 2004 in Athen wird aus der Herrmannstädter Pinakothek Tizians "Ecce homo" zu sehen sein.

Im Palais selbst wurde eine Ausstellung mit "Buch- und Druckgrafik" aus dem Fundus des Hauses eröffnet, im Alten Rathaus nebenan wird gleichzeitig anhand von Zeugnissen aller Art die Biografie des Barons und einstigen Gubernators Siebenbürgens präsentiert. Brukenthals 200. Todestages gedachte man schließlich in einem zweisprachigen Gottesdienst (Kilian Dörr) in der Evangelischen Stadtpfarrkirche und legte einen Kranz nieder an der Gedenktafel, wo Brukenthals sterbliche Überreste begraben sind.

Martin Ohnweiler


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 7 vom 30. April 2003, Seite 3)

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