29. April 2003

Genealogen tagten in Gundelsheim

Beachtliche Ergebnisse und Projekte haben die siebenbürgische Familienforscher auf einer dreitägigen Tagung der Sektion Genealogie des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) vom 4. bis 6. April 2003 auf Schloss Horneck in Gundelsheim vorgelegt. Neuer Sektionsvorsitzender Dr. Christian Weiss. Sein Vorgänger, Balduin Herter, will der siebenbürgischen Familienforschung und speziell der Heraldik weiter als Mitstreiter und Ratgeber verbunden bleiben.
Die Ahnenforschung und Familienkunde sind nach Inhalt und Arbeitsweise eine historische Hilfswissenschaft. Unter den siebenbürgischen Genealogen sind zwar keine Fachwissenschaftler, aber ihre Arbeit kann sich durchaus sehen lassen. So arbeitet Meta Phleps an einer fünfbändigen genealogischen Datensammlung aus Reps in Buchform: 8 800 Personendaten hat Phleps aus Matrikeln, Familienbüchern und Ahnenpässen vom 17. bis 20. Jahrhundert zusammengetragen. Drei Bände mit Nachkommenreihen von 77 Repser „Stammvätern“ liegen ebenfalls vor. Die 81-jährige Genealogin (früher war sie Bankangestellte) zu ihrer Arbeit: „Genealogie ist eine Sucht, wer ihr verfällt, ist sein Leben lang damit beschäftigt“. Ihr Sohn Ingo Phleps unterstützt sie nicht nur „technisch“, sondern ist inzwischen auch „süchtig“ geworden.

Siebenbürgische Familienforscher tagten auf Schloss Horneck in Gundelsheim. Foto: Monika Ferrier
Siebenbürgische Familienforscher tagten auf Schloss Horneck in Gundelsheim. Foto: Monika Ferrier

Durch das aktive Wirken solcher „Amateure“ werden immer weitere siebenbürgische Gemeinden genealogisch „erschlossen“. Georg H. Gehann, der sich seit zwölf Jahren der Familienforschung widmet, präsentierte das jetzt fast fertiggestellte „Familienbuch Großlasseln“, das demnächst in Druck geht und auf CD erscheint. Heltau, Rosenau, Leschkirch, Kronstadt und andere Orte wurden angesprochen. 46 Genealogen aus 28 Gemeinden Siebenbürgens nahmen an der Sitzung in Gundelsheim teil. Das ist erfreulich, zeigt aber auch, dass noch viel zu tun ist. Daher wurden alle Heimatortsgemeinschaften aufgerufen, Interessenten für die Familienforschung zu gewinnen. Der Vorsitzende des HOG-Verbandes, Michael Konnerth, sprach sich für eine noch engere Zusammenarbeit der Sektion mit den HOGs aus.

Daten erfassen, sichern, speichern, austauschen - das heißt heute natürlich auch Computergenealogie. Über alte und neue Wege der EDV-Erfassung sprach die Informatikerin Christa Tabara, die auch die Schriftleitung der „Siebenbürgischen Familienforschung“ hat und eine Mailing-Liste betreut, an der sich über 200 Genealogen beteiligen. Etwa 70 siebenbürgische Genealogen arbeiten noch mit dem Programm AHN-DATA, das allerdings nicht mehr weiter entwickelt wird. Die siebenbürgischen Forscher nutzen inzwischen viele neue Programme, wollen sich aber nicht auf eines festzulegen.

Katalog des Genealogischen Archivs

Die Siebenbürgische Bibliothek und das Archiv auf Schloss Horneck haben eine Fülle von genealogischen Schriften zu bieten. Balduin Herter berichtete über die gedruckte Literatur, Karl Bertleff und Christian Reinerth stellten den Katalog des Genealogischen Archivs (KGA) vor, der nicht gedruckte genealogische Schriften wie Ahnenlisten und Ahnenpässe, Familienbücher und Chroniken, Biografien und viele andere Personendokumente umfasst. Und ständig gibt es neue Zugänge. Aber vieles befindet sich noch im Privatbesitz und daher erging der Appell an alle Sammler, ihre Unterlagen dem Archiv zur Verfügung zu stellen. Eine Übersicht des im Siebenbürgen-Institut Vorhandenen findet sich im Internet unter http://www.siebenbuergische-familienforschung.de/kga.html. Forschen kann man dann natürlich in Gundelsheim.

An vielseitigen Vorhaben arbeiten zurzeit einzelne Mitglieder der Sektion. Dr. Werner Klemm stellte das Projekt "Siebenbürgisches Namenbuch" vor. Es soll ein längst nötiges Nachschlagewerk für Genealogen, eine Zusammenstellung von Ableitungen und Deutungen siebenbürgischer Familiennamen werden. Grundlage sind eine Reihe bisher erschienener wissenschaftlicher Untersuchungen zu siebenbürgischen Familiennamen. Die bisher umfassendste ist das Buch von Fritz Keintzel-Schön "Die siebenbürgisch-sächsischen Familiennamen", erschienen 1976. Ein weiteres Projekt besteht in der erweiterten Neuauflage des Beitrags von Dr. Ernst Wagner "Siebenbürgische Nachkommen des Exulanten Paul Regius". Durch die verdienstvolle Arbeit Dr. Karl Zsigmonds an den im Staatsarchiv Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureș) wiedergefundenen Sächsisch-Regener Matrikeln werden umfangreiche Ergänzungen und eine Weiterführung vieler Familienreihen zu erwarten sein.

Es gibt kaum Familien, die nicht mit Zu- und Auswanderungen zu tun hat. Um 1900 sollen etwa 20 000 Sachsen in den USA gewesen sein, von denen 5000 zurückkehrten. Allein aus Reichesdorf im Weinland waren es 119 Männer und 10 Frauen. Migrationsforschung betreibt Monika Ferrier aus Kanada. Anhand der Schiffslisten von Ellis Island bei New York hat Frau Ferrier ein Verzeichnis der Auswanderer angelegt und nach siebenbürgischen Orten geordnet. Dafür wurde sie in Gundelsheim mit großem Lob bedacht. Verbindung besteht auch zum Genealogen Paul Kreutzer jun. in den USA, der sich den siebenbürgischen Zuwanderern in die Staaten auf der Grundlage der dort gegründeten Kirchengemeinden widmet. Der Binnenwanderung in Siebenbürgen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, regte Richard Weisskircher schriftlich mit Bezug auf Birthälm an. Noch nicht aufgenommen ist das sehr große genealogische Arbeitsfeld der Auswanderung aus Siebenbürgen nach Deutschland.

Führungswechsel in der Sektion Genealogie des siebenbürgischen Landeskundevereins, von links nach rechts: Paul Salmen jun., stellvertretender Leiter, Dr. Christian Weiß, neuer Sektionsleiter, und Balduin Herter, dessen Vorgänger. Foto: Christa Tabara.
Führungswechsel in der Sektion Genealogie des siebenbürgischen Landeskundevereins, von links nach rechts: Paul Salmen jun., stellvertretender Leiter, Dr. Christian Weiß, neuer Sektionsleiter, und Balduin Herter, dessen Vorgänger. Foto: Christa Tabara.

Seit vielen Jahren wird die Sektion Genealogie von Balduin Herter geleitet, und der Dank für sein verdienstvolles Wirken war auf dieser Tagung erneut verbunden mit der Suche nach einem Nachfolger, denn Herter ist zugleich auch Vorsitzender des Fördervereins Siebenbürgische Bibliothek. Der Genealogie und ganz speziell der Heraldik will Herter als Mitstreiter und Ratgeber weiter verbunden bleiben. Ein richtiger Generationswechsel konnte noch nicht vollzogen werden, aber zum neuen Vorsitzenden der Sektion ist der seit 2000 in Tübingen lebende Pfarrer i.R. Dr. Christian Weiss und als Stellvertreter Paul Salmen jun. (Tartlau) erkoren. Weitere Mitglieder wirken besonders auf folgenden Gebieten: Archivierung - Karl Bertleff und Christian Reinerth, EDV-Gruppe - Christa Tabara und Ingo Phleps, Ortsfamilienbuch - Dr. Harald Lienert, Zusammenarbeit mit HOG - Michael Konnerth und Hans Hermannstädter, Verbindung zu Einzelforschern im Lande - Richard Ackner.

Christian Weiss hatte nach dem Theologie-Studium in Klausenburg und Vikariat beim Kronstädter Stadtpfarrer Dr. Konrad Möckel von 1958 bis 2000 Pfarrstellen in Agnetheln, Roseln, Kelling und Kleinscheuern inne, zuletzt mit Vertretung in zahlreichen anderen Gemeinden. 1978 bis 1986 war er Dechant im Unterwald, 1972 bis 1976 auch Sprachlektor für Griechisch, Latein und Hebräisch am Theologischen Institut in Hermannstadt. Dr. Weiss ist verheiratet, hat drei Kinder und neun Enkel. In seiner neuen Tätigkeit will sich Dr. Christian Weiss um die siebenbürgischen Genealogie-Datenbank bemühen sowie Kontaktperson zu sein für HOG-Genealogen und Familienforscher, die sich sowohl untereinander als auch mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde und der Gundelsheimer Forschungsstelle austauschen. Weiterhin will Weiss die Kontakte zu anderen Genealogievereinen ausbauen und die siebenbürgische Familienforschung insgesamt vertiefen.

Die Tagung in Gundelsheim hat dazu gute Impulse gegeben. Weitere Infos bei der Sektion Genealogie im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, Schloss Horneck, 74831 Gundelsheim/Neckar.

S. B.


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 7 vom 30. April 2003, Seite 5)

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