24. März 2001

Bundesvorstand erörterte Ziele der landsmannschaftlichen Arbeit

„Was sind wir? Was wollen wir? Was haben wir anzubieten?“ An diesen Fragen machte der landsmannschaftliche Bundesvorsitzende Volker Dürr seinen Bericht zur Lage fest, den er dem Verbandsvorstand einleitend zu dessen Tagung am 10. und 11. März in München vorlegte. Zusammengekommen waren in der Bundesgeschäftstelle der Landsmannschaft die Vorstandsmitglieder sowie aus Siebenbürgen, als ständiger Vertreter der Heimatkirche im Gremium, der Dechant des Kronstädter Kirchenbezirks und Pfarrer in Wolkendorf, Klaus Daniel, der sachkundig Einblick bot in die derzeitige Situation im Herkunftsland.
Zur Debatte standen während der beiden Sitzungstage Nahziele der Verbandsarbeit, zu deren Umsetzung auch organisatorische Entscheidungen zu fällen waren.
Bereits am Vorabend hatte Dürr die gleichen Fragen seinem Statement bei einem kleinen Empfang für Freunde und Förderer der Landsmannschaft in der gleichen Bundesgeschäftsstelle in München vorangestellt, die nach seinen Vorstellungen mehr und mehr zu einem Begegnungszentrum werden soll. Zu den Gästen hatten dort unter anderen Ministerialrat Bruno Lischke vom Bayerischen Sozialministerium, die Münchner Stadträte Reinhold Babor, Andreas Lorenz und Robert Brannenkämper, der rumänische Generalkonsul in der bayerischen Landeshauptstadt, Vlad Vasiliu, gehört, dazu Spitzenvertreter des BdV, der banatschwäbischen Landsmannschaft und des Südostdeutschen Kulturwerks sowie ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter siebenbürgisch-sächsischer Einrichtungen.
Von ihrer Herkunft, ihrer Geschichte und ihrem bewegten Schicksal her verfügten die Siebenbürger, so Dürr, über eine reiche Erfahrung an interkulturellem Zusammenleben und gehörten nach wie vor zu den historischen Trägern deutschen und damit gesamteuropäischen Kulturguts, ohne dabei ihrer spezifisch siebenbürgischen Identität je verlustig gegangen zu sein. Dieses Erbgut sei Nährboden ihrer ausgeprägten Integrationsbereitschaft, in der gesundes Selbstbewusstsein sich paare mit verständnisvoller Toleranz Andersartigen gegenüber. Daraus erwachse das Angebot ihres Verbands ans gesellschaftliche und politische Umfeld, nämlich partnerschaftliche Zusammenarbeit zu ermöglichen, Nachbarschaft im eigentlichen, aktiven Sinne zu pflegen. Auf diese Weise wolle man „mitbauen an wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen, an humanitären Brücken in Europa und damit Schnittstellen überbrücken helfen“. Dürrs Angebot stieß bei dem Empfang durchaus auf offene Ohren. Ministerialrat Lischke versprach weitere Unterstützung bei grenzüberschreitenden Jugendprojekten aus dem von ihm vertretenen Hause, die Münchner Stadträte wollen die Möglichkeit ausloten, den Siebenbürger Sachsen und auch anderen Landsmannschaften in der bayerischen Hauptstadt gelegentlich „ein Forum zu ihrer Selbstdarstellung“ zu bieten.
Tags darauf waren die Erörterungen im Bundesvorstand in großen Teilen abgestellt auf die Fragen, die Dürr in seinem Statement angedacht hatte. Das zeigte sich zunächst in der Diskussion über den Programmentwurf zum diesjährigen Heimattag, der vom zuständigen Bundesreferenten Johann Schuller vorgelegt wurde. Das Pfingsttreffen, bei dem EU-Kommissar Günter Verheugen Festredner sein wird, steht unter dem Motto: 50 Jahre Heimattage der Siebenbürer Sachsen in Dinkelsbühl: Zusammenhalt üben – Partnerschaft stiften. Man will damit einerseits bewusst machen, in welchem Maße diese Großveranstaltung - die ja ursprünglich als eine Art „Kontaktbörse mit Suchdienst“ ins Leben gerufen worden war, um die durch Krieg und Nachkrieg in alle Winde zerstreuten Landsleute zusammenzuführen – sich ausgewirkt hat und nach wie vor auswirkt auf das Wissen um die gruppeneigene Identität, andererseits soll das Motto Auskunft geben sowohl über die inzwischen institutionalisierte Partnerschaft des Verbands mit der Gastgeberstadt als auch über den Willen der Veranstalter, am Zustandekommen partnerschaftlicher Beziehungen auch über Grenzen hinweg aktiv mitzuwirken. Neben unterschiedlichen Programmpunkten, die in beträchtlicher Zahl von der mitausrichtenden Landesgruppe Baden-Württemberg getragen werden, soll auch, mit besonderem Bezug zur Jugendarbeit, die den Heimattag abschließende Podiumsdiskussion diesem Gedanken untergeordnet sein.
Auskunft über Schwierigkeiten und Hürden bei der Aussiedleraufnahme gab auf der Tagung in München der zuständige Bundesrechtsreferent Johann Schmidt, indem er auch auf seinen Aufsatz in der jüngsten Ausgabe dieser Zeitung verwies. Der Vorstand beauftragte Bundesvorsitzenden Dürr, seinen Stellvertreter Bernd B. Fabritius und Rechtanwalt Schmidt, in dieser Sache politisch aktiv zu bleiben, um der weiteren Zunahme von unzumutbaren Härtefällen entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite war die Bleibehilfe nach Siebenbürgen ebenfalls Gegenstand der Aussprachen. Bundesgeschäftsführer Erhard Graeff berichtete von der Jahresplanungskonferenz über die Fördermittel der Bundesregierung für die Rumäniendeutschen, an der er seitens der Landsmannschaft Ende Januar in Hermannstadt teilgenommen hatte. Zur Lage im Herkunftsland, über das kürzlich in der Wirtschaftswoche zu lesen war, es benötige mindestens noch 35 Jahre, um ökonomisch und finanziell die für den EU-Beitritt nötigen Voraussetzungen zu erreichen, lieferte Dechant Daniel ausführliche Informationen. Entgegen allen Befürchtungen habe sich nach dem Regierungswechsel Ende letzten Jahres die Situation der Minderheiten, speziell der Siebenbürger Sachsen, nicht zugespitzt. Man gewinne den Eindruck, dass Iliescu und seine Mannschaft nicht in Gegensatz geraten wollen mit den einschlägigen Wertvorstellungen und Umgangsnormen des Westens. Auch im Leben der Heimatkirche, so der Seelsorger, geschehe einiges: in Hamruden sei die Renovierung der Kirchenburg abgeschlossen, in Kronstadt soll eine Woche nach Ostern das neu eingerichtete Altenheim eröffnet werden, die Herrichtung des Diasporaheims für Schüler in Hermannstadt mache sichtlich Fortschritte: „Es werden Zeichen der Hoffnung gesetzt“, befand Daniel, wobei er in diesem Zusammenhang ein übriges Mal die wichtige Rolle der Zusammenarbeit mit der Landsmannschaft und deren Sozialwerk hervorstrich.
Während die Bundesregierung ihre Bleibehilfe nach Siebenbürgen in diesem Jahr ungeschmälert fortsetzen wird, schafft das nahezu Ausbleiben ihrer Fördermitteln hierzulande erhebliche Schwierigkeiten beim Fortführen vor allem der kulturellen Breitenarbeit. Daher muss, so Dürr auf der Vorstandssitzung, vermehrt auf Eigeninitiative und die Mittel zurückgegriffen werden, die auf Beschluss des Verbandstages vom Oktober 1999 der landsmannschaftlichen Kulturarbeit über das Sozialwerk zufließen. Es gehe darum, bisher bewährte Schwerpunkte dieser Arbeit und die organisatorischen Voraussetzungen dafür unter keinen Umständen fallen zu lassen, da sonst die gruppenspezifische Identitätsstiftung als eines der grundlegenden Ziele des Verbands ernst gefährdet sei.
Zur landsmannschaftlichen Fremdrenteninititative berichtete Bundesrechtsreferent Ernst Bruckner, dass inzwischen ein nächster Modellfall rentenrechtlicher Benachteiligung beim Bundessozialgericht in Kassel anhängig sei, wodurch die Problempalette aufgefächert werde und mit der zu erwartenden Richtervorlage die Möglichkeit einer zusätzlichen „Chancenauswertung“ beim Bundesverfassungsgericht gegeben sei. Im Vorstand wurde zudem angeregt, dass in nächster Zeit mit den Professoren Ulrich Becker und Alexander Gagel, die in Karlsruhe die Aktion der Interessengemeinschaft gutachterlich begleiten, ein Positionierungsgespräch stattfinden soll, damit letzte Einzelheiten über die dortige Vorgehensweise miteinander abgestimmt werden.
Neben einer Reihe von verbandsinternen Fragen erörterte der Vorstand zudem die Haushaltsübersicht 2000 und den Haushaltsplan 2001 der Bundesgeschäftsstelle, die Schatzmeister Peter Pastior vorstellte, und genehmigte beide Papiere ohne Gegenstimmen.

Hannes Schuster

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