9. Mai 2003

Engere Zusammenarbeit angestrebt

Zum ersten Mal seit ihrer Amtsübernahme im Januar 2001 besuchte die Bayerische Staatsministerin für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen, Christa Stewens, vom 23. bis 24. April Rumänien. An der bayerischen Delegation nahmen neben den für Vertriebenenfragen und grenzüberschreitende Beziehungen zuständigen leitenden Beamten ihres Ministeriums, Ministerialdirigent Dr. Hartmut Singbartl und Ministerialrat Dr. Walter Rösner-Kraus, auch die Landesvorsitzenden der Landsmannschaft der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen in Bayern, Peter Krier bzw. RA Bernd Fabritius, teil. In Vorbereitung der Reise hatten der Bundesvorsitzende der siebenbürgischen Landsmannschaft, Volker E. Dürr, und der Landesvorsitzende Fabritius Vorschläge erarbeitet, die in den Gesprächen thematisiert wurden.
Anlass des Besuches war die Eröffnung der Ausstellung "Deportation in den Baragan 1951-1956 - eine Deportation in Friedenszeiten" im Nationalen Museum für Geschichte in Bukarest. Zudem wurden Arbeitsgespräche mit den Vertretern der deutschen Minderheit in Rumänien, dem Minister für Arbeit und soziale Solidarität, dem Minister für öffentliche Information sowie dem Staatssekretär im Kulturministerium geführt, teilte Fabritius der Siebenbürgische Zeitung mit.

Bayerische Delegation in Bukarest, von links nach rechts: der rumänische Unterstaatssekretär Ovidiu Gant, Bayerns Sozialministerin Christa Stewens, der deutsche Botschafter in Bukarest Dr. Armin Hiller und der Vorsitzende der Landesgruppe Bayern der siebenbürgischen Landsmannschaft, Bernd Fabritius.
Bayerische Delegation in Bukarest, von links nach rechts: der rumänische Unterstaatssekretär Ovidiu Gant, Bayerns Sozialministerin Christa Stewens, der deutsche Botschafter in Bukarest Dr. Armin Hiller und der Vorsitzende der Landesgruppe Bayern der siebenbürgischen Landsmannschaft, Bernd Fabritius.

Am 23. April kam die bayerische Delegation mit Vertretern der deutschen Minderheit zusammen. Der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Klaus Johannis, schilderte die besonderen Anliegen der deutschen Minderheit. Der Abgeordnete des Forums im rumänischen Parlament, Wolfgang Wittstock, beleuchtete die parlamentarische Arbeit. Unterstaatssekretär Ovidiu Gant, der als Vertreter der deutschen Minderheit in der Regierung das Departement für interethnische Beziehungen im Informationsministerium leitet, berichtete aus dem Alltag der Minderheitenpolitik in Rumänien. Für das Regionalforum Banat schilderte Prof. Karl Singer die Situation vor Ort. Das Verhältnis des Forums zur Regierungspartei in Rumänien nach Unterzeichnung des Protokolls für Zusammenarbeit sei eines der "kritischen Kooperation": So könne man gemeinsam an einem Tisch sitzen und eigene Standpunkte kritisch vertreten.

Am nächsten Morgen empfing der deutsche Botschafter in Bukarest, Dr. Armin Hiller, die bayerische Delegation zu einem Arbeitsfrühstück. Seine Exzellenz schilderte die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage in Rumänien. Hiller unterstrich die seiner Meinung nach vorbildliche Minderheitenpolitik der rumänischen Regierung, die auch darin ihre Bestätigung finde, dass in Hermannstadt ein Deutscher zum Oberbürgermeister gewählt worden sei. Auch sei schon vor der Wende aus Rumänien "niemand weggeschickt worden", im Gegenteil, die Deutschen seien "alle freiwillig ausgereist".

In den folgenden Gesprächen wurde dann erläutert, dass eine differenziertere Betrachtungsweise notwendig sei: Vertreibungstatbestände seien auch dann verwirklicht, wenn Deutsche zwar nicht "zwangsweise in den Zug gesetzt", jedoch die Ausreiseentscheidungen durch andere Repressionen herbeigeführt worden seien. Auch die aktuelle Minderheitenpolitik sei kritisch zu beobachten. Es habe sich zwar vieles gebessert und vordergründig werde eine minderheitenfreundliche Politik betrieben, es fehle jedoch zum Beispiel ein Minderheitenschutzgesetz im Sinne vergleichbarer europäischer Regelungen.

Mit dem rumänischen Arbeits- und Sozialminister Marian Sarbu und dem für internationale Beziehungen zuständigen Staatssekretär Razvan Cirica sprach die bayerische delegation über Aspekte der Arbeits- und Sozialpolitik sowie neue Gesetzesvorhaben in Rumänien. Ministerin Stewens wies auf die Notwendigkeit hin, Sozialeinrichtungen der deutschen Minderheit zu unterstützen. Mit erheblichen Finanzmitteln des Steuerzahlers aus Deutschland, aber auch der Sozialwerke der in Deutschland lebenden Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben seien z.B. Altersheime in Hermannstadt, Kronstadt, Temeschburg und anderen Ortschaften errichtet worden. Die Folgekosten der für die deutsche Minderheit gebauten Sozialeinrichtungen seien nicht gesichert und eine Unterstützung durch den rumänischen Staat für den Fortbestand unerlässlich. Nach Darstellung von Minister Sarbu fielen die Altersheime in die Zuständigkeit der kommunalen Verantwortungsträger. Gleichwohl sei nun auf zentraler Ebene ein Solidarfonds geplant, aus dem auch die Altersheime der deutschen Minderheit mit Personal- und Unterhaltskosten unterstützt werden könnten. Fabritius gab zu bedenken, dass bei staatlicher Förderung der Altersheime der deutschen Minderheit deren große Einzugsgebiete und der überregionale Bezug zu beachten wären. Zum Abschluss der Gespräche wurde ein Protokoll über Zusammenarbeit unterzeichnet. Darin vereinbarte man die Vertiefung der Kooperation, einen regeren Erfahrungsaustausch auf Expertenebene sowie die Durchführung gemeinsamer Projekte.

Schutz deutscher Kulturgüter angemahnt

Mit dem Minister für öffentliche Information, Vasile Dâncu, zu dessen Ressort auch die "interethnischen Beziehungen" gehören, wurden hauptsächlich Themen der deutschen Minderheit erörtert. Ministerin Stewens sprach die Notwendigkeit des Schutzes deutscher Kulturgüter in Siebenbürgen, dem Banat und den anderen deutschen Siedlungsgebieten an. Minister Dâncu berichtete von einem in Planung befindlichen Projekt für gemeinsamen Kulturgüterschutz. Eine erste Konferenz sei für den kommenden Herbst in Bistriz vorgesehen. Zu diesem Treffen würden auch die Vertreter der Landsmannschaften der inzwischen außerhalb Rumäniens lebenden Deutschen aus Rumänien eingeladen werden.

Auch die Rückgabe des Gemeinschaftseigentums an die deutsche Minderheit wurde von Ministerin Stewens angesprochen. Diese sei für die Schaffung einer materiellen Grundlage zum eigenständigen Fortbestand der deutschen Minderheit unerlässlich. Zwar sei bekannt, dass schon im letzten Jahr die gesetzlichen Grundlagen geschaffen worden seien, es werde jedoch mit Sorge beobachtet, dass die Umsetzung noch auf sich warten lasse. Über 600 Anträge der evangelischen Landeskirche seien bereits vor Jahreswechsel gestellt, aber bis heute noch nicht beschieden. Damit sei auch die wirtschaftliche Existenz der Sozialeinrichtungen nicht gesichert. Darauf erwiderte Minister Dâncu, er unterstütze diese Anliegen aus Überzeugung, es sei geplant, die gesamte Restitutionsproblematik bis Ende 2004 abzuwickeln. Er bat aber um Verständnis, da sehr viele Anträge zu bearbeiten seien.

Ausführlich erörtert wurde die Förderung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien als Vertretung der deutschen Minderheit und die Einbeziehung in gemeinsame Verantwortung, zumindest bei Angelegenheiten der Minderheiten. Hinsichtlich der von Minister Dâncu angeführten Verdoppelung der Förderung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien durch den rumänischen Staat im letzten Jahr erwiderte Ministerin Stewens, dass dadurch nur eine Angleichung der Minderheitenförderung vorgenommen worden wäre. Das Forum sei in der Vergangenheit im Vergleich zu anderen Minderheiten in Rumänien sehr wenig gefördert worden; trotz der vorgenommenen Angleichung bestehe Raum für weitere Verbesserung. Es sei verwunderlich, dass der Vertreter der deutschen Minderheit in der Regierung nicht Mitglied in der bayerisch-rumänischen Regierungskommission sei. Wünschenswert sei die Beachtung von fachlichen Zuständigkeiten und Kompetenzen bei der Besetzung der Kommission. Auch wäre zu überdenken, die Vertreter der deutschen Minderheitenorganisationen konsultativ einzubeziehen. Vereinbarungsgemäß sollten auch Nicht-Regierungsorganisationen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, so etwa das Forum und auch die Landsmannschaften in Deutschland. Ministerin Stewens unterstrich die Bedeutung der Landsmannschaften als Brücke für gute bilaterale Beziehungen. Für den guten Dialog der rumänischen Regierung mit den Landsmannschaften in Deutschland dankte sie besonders und betonte, dieses sei für Regierungen anderer Nachbarstaaten leider nicht selbstverständlich.

In der Eröffnungsrede zur Ausstellung "Deportation in den Baragan 1951-1956 - eine Deportation in Friedenszeiten" im Nationalen Museum für Geschichte in Bukarest unterstrich Sozialministerin Christa Stewens, es gehe nicht um eine Aneinanderreihung historischer Bilder, sondern um die Darstellung eines kurzen Zeitraumes gemeinsamer Gegenwartsgeschichte. Unter den rund 40 000 Verschleppten habe es auch 10 000 Deutsche gegeben, die heute zum Teil in Bayern leben würden. Diese Menschen hätten weder infolge der Deportation noch des späteren Vertreibungsschicksals resigniert, sondern in der neuen Heimat, in Bayern und anderen Teilen Deutschlands, eine neue Zukunft aufgebaut und hervorragende Integratiosleistungen erbracht. Sie würden heute noch gute Beziehungen zu ihrem Herkunftsland pflegen und hätten zwischen den Menschen einerseits und dem Repressionsstaat andererseits stets zu unterscheiden gewusst. Sie würden heute den Kern der gegenseitigen Beziehungen ausmachen und seien "die besten Botschafter beider Länder".

Der Staatssekretär im Ministerium für Kultur, Prof. Dr. Ioan Opris, dankte der Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft der Banater Schwaben und dem Haus des Deutschen Ostens in München als Organisatoren der Ausstellung. Rumänien sei zu einer objektiven Rezeption der Geschichte bereit, und er freue sich deswegen besonders, dass diese Ausstellung im Nationalen Museum für Geschichte in Bukarest gezeigt werden könne. Die Ausstellung werde in das Nationale Museum aufgenommen und fester Bestandteil der Darstellung rumänischer Geschichte werden.

Beim abschließenden Essen auf Einladung der bayerischen Staatsministerin für die rumänischen Gastgeber betonte auch Staatssekretär Opris die Leistungen der deutschen Minderheit in Rumänien und würdigte die Bemühungen der ausgewanderten Deutschen. Von den dreißig unter staatlichem Schutz stehenden Kulturobjekten in Rumänien seien sieben der deutschen Minderheit zuzuordnen. Er betonte die Einzigartigkeit von Birthälm, Schäßburg, Deutsch-Weißkirch und anderer deutscher Kulturdenkmäler und sicherte zu, sich für deren Erhalt einzusetzen. Es sei ihm deswegen eine besondere Freude, zu Pfingsten 2003 beim Heimattreffen in Dinkelsbühl als Gast anwesend sein zu dürfen.

Vor ihrer Abreise bekräftigte Ministerin Stewens ihren Entschluss, schon im Frühjahr 2004 mit Siebenbürgen und dem Banat die Hauptsiedlungsgebiete der deutschen Minderheiten in Rumänien kennen lernen zu wollen. Auf Hermannstadt, wo mit Herrn Johannis ein Landsmann Oberbürgermeister sei, freue sie sich ganz besonders.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 8 vom 15. Mai 2003)

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