27. Mai 2003

"Integration, nicht Assimilation war das Ziel"

Mit einem Festakt im Abgeordnetenhaus von Berlin hat der Bund der Vertriebenen am 6. Mai an das Inkrafttreten des Bundesvertriebenengesetzes vor 50 Jahren erinnert. Wie berichtet, wurde Bundesinnenminister Otto Schily mit der Wenzel-Jaksch-Medaille ausgezeichnet. Der Leiter der Redaktion Zeitgeschichte des ZDF, Guido Knopp, sprach über den Umgang mit der deutschen Geschichte.
In seiner Festrede würdigte Schily die Integration der Vertriebenen als eine Erfolgsgeschichte, zu der das Bundesvertriebenengesetz den Rahmen gebildet habe. Die eigentliche Integrationsarbeit aber hätten die Vertriebenen selbst geleistet. Das Gesetz regelt, welcher Personenkreis bei der Integration in das berufliche, soziale und kulturelle Umfeld der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist. Diente das Gesetz am Anfang hauptsächlich der Integration der Vertriebenen, so betreffe es heute vornehmlich die Aussiedler. Der Forderung nach einer Abschlussgesetzgebung für Spätaussiedler erteilte der Schily eine klare Absage. Die Bundesregierung gehe weiter von der Vermutung des pauschalen Kriegsfolgenschicksals bei Spätaussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion aus.

BdV-Präsidentin Erika Steinbach, MdB, wies auf die geistig-kulturellen Wurzeln hin, die uns mit dem europäischen Osten und den Nachbarstaaten verbinden. In ihrer Bestandsaufnahme stellte sie die Eingliederung der Millionen von Heimatvertriebenen und Flüchtlinge als eine gewaltige Integrationsleistung dar, zu der das Bundesvertriebenengesetz einen wichtigen Beitrag geleistet habe. „Integration, nicht Assimilation war und ist das Ziel dieses Gesetzes. Das sind die ideellen Grundgedanken von Eingliederungspolitik, die den Vertriebenen nicht mit bloßer Caritas, sondern mit Solidarität und Gleichberechtigung begegnen will.“ Es sei weise gewesen, dass Bund und Länder der jungen Bundesrepublik Deutschland 1953 mit dem Bundesvertriebenengesetz die Verantwortung für das gesamte kulturelle Erbe unabhängig von Grenzen und staatlicher Zugehörigkeit hervorgehoben hätten. Der gesetzliche Auftrag sei geboren aus der Erkenntnis, „dass es ein einheitliches, ein gemeinsames kulturelles Fundament gibt“, sagte Steinbach.

Der Leiter der Redaktion Zeitgeschichte des ZDF, Prof. Guido Knopp, hatte die Moderation des Festaktes übernommen. In seiner Ansprache ging er vor allem auf den Umgang mit dem Thema Vertreibung ein: „Politiker aller Couleur, Journalisten und Historiker – sie verstehen heute mehr und mehr, wie wichtig es ist, Flucht und Vertreibung der Deutschen als Akt des Unrechts anzuerkennen, zu erforschen, darzustellen.“ Das sei nicht immer so gewesen. Ab Ende der sechziger Jahre seien vor allem die Deutschen als Tätern in den Mittelpunkt der geschichtlichen Debatte gerückt. „Heute gibt es einen größeren Mut, auch über Deutsche als Opfer zu reden. Denn eine ganze Generation von Journalisten und Historikern ist herangewachsen, die sich von den Denkmustern der alten Grabenkämpfe souverän befreit hat. Tabus und eine vordergründige politische Korrektheit werden nicht mehr akzeptiert.“ Und weiter : „Es war eine jahrzehntelange Zumutung für Vertriebene und Flüchtlinge, dass sie ihr Leid privatisieren mussten.“

Walter Stratmann (DOD)


(gedruckte Ausgabe. Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 31. Mai 2003, Seite 6)

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