12. Juni 2003

Susanne Kastner: "Bundesregierung wird siebenbürgische Kultur weiter fördern"

Die Bundesregierung werde sich weiterhin für die Pflege des Kulturgutes der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten und Südosteuropa einsetzen. Dies sicherte Susanne Kastner, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, den Siebenbürger Sachsen in ihrer Festrede beim Heimattag in Dinkelsbühl zu. Die SPD-Politikerin würdigte sowohl die beispielhafte Integration der Siebenbürger in Deutschland als auch das „durchaus lebendige deutsche Kulturleben in Rumänien“.
An dieser Stelle sage ich zuerst einmal ein herzliches Dankeschön für diesen wunderschönen Festzug hier in Dinkelsbühl und für diese Demonstration ihrer gelebten Heimatliebe. Das war für mich in der Tat wirklich sehr, sehr eindrucksvoll und deswegen ein herzliches Dankeschön nicht nur für die Einladung, sondern auch für ihre Demonstration Ihrer Tradition. Diese Heimattage finden nunmehr seit 52 Jahren regelmäßig in Dinkelsbühl statt. Hier zeigt sich, dass die Siebenbürger Sachsen Kunst und Tradition leben.

Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner während ihrer Festrede am Pfingstsonntag in Dinkelsbühl. Foto: Günther Melzer
Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner während ihrer Festrede am Pfingstsonntag in Dinkelsbühl. Foto: Günther Melzer

Es wird aber ebenso deutlich, dass die meisten von Ihnen hier als Siebenbürger Sachsen ein neues Zuhause gefunden haben. Die Siebenbürger Sachsen in Deutschland sind ein Beispiel für Integrationsfähigkeit, und, was noch viel wichtiger ist, Sie sind ein Beispiel für Integrationsbereitschaft. Integration bedeutet dabei nicht nur Sprache, Arbeit und Wohnung, sondern auch die Wiedergewinnung des Selbstvertrauens und Selbstbewusstseins als Siebenbürger Sachsen. Ein Beleg dafür, wie beispielhaft Sie diese Aufgabe gemeistert haben, stellen sicherlich die Heimattage dar.

Verehrter Herr Dürr, ich möchte Ihnen und der Landsmannschaft an dieser Stelle danken für die Arbeit, die Sie und Ihre Vorgänger seit der Gründung der Landsmannschaften im Sommer 1949 geleistet haben. Die Pflege der über 850 Jahre alten Tradition der Siebenbürger Sachsen war und ist sicherlich keine leichte Aufgabe, aber Sie haben es immer verstanden, diese beispielhaft zu meistern.

Der frühere Präsident des Europäischen Parlaments Klaus Hänsch, bemerkte an dieser Stelle recht zutreffend: „Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist nicht nur eine ungarische, eine rumänische, eine habsburgische, eine deutsche Geschichte. Sie ist vor allem eins: Sie ist europäische Geschichte.“

Die Integration der Siebenbürger Sachsen in Deutschland ist ein gutes und offensichtliches Beispiel für ein Grundprinzip, auf das das Europäische Haus aufbaut: „Einigkeit in Vielfalt“. Das heißt nicht Nebeneinander, sondern Miteinander. Das Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen innerhalb Europas wird somit auch beim Motto der diesjährigen Heimattage deutlich: „Partnerschaft in Gemeinschaft“.

Die Bewahrung und Pflege von Gemeinsamkeiten, Tradition und Kultur ist keine leichte Aufgabe. Hierbei werden Sie jedoch von unterschiedlichen Seiten unterstützt. Politik und Gesellschaft haben sich vermehrt dem Schicksal der Vertriebenen zugewandt. Dem Dialog mit den Vertriebenen wurde somit neuer Raum gegeben. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Forderungen nach einer Abschlussgesetzgebung bei der Frage der Spätaussiedler. Fünfzig Jahre nach dem Stalin-Dekret könne man heute nicht mehr von einem allgemeinen Kriegsfolgenschicksal ausgehen.

Ich persönlich sehe jedoch keinen Grund, auf diese Forderung einzugehen. Das Zuwanderungsgesetz hält weiterhin an der Kriegsfolgenschicksalsvermutung fest. In diesem Zusammenhang sei die Vorschrift in § 96 des Bundesvertriebenengesetzes erwähnt. Mit diesem Paragraphen haben Bund und Länder bereits 1953 die Verpflichtung übernommen, das kulturelle und historische Erbe in den ehemaligen deutschen Provinzen und der historischen Siedlungsgebiete in Ost-, Mittelost- und Südosteuropa zu sichern und zu bewahren. Hierzu gehört selbstverständlich auch Siebenbürgen. Durch den Paragraphen 96 ist die Pflege des Kulturgutes und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung sichergestellt. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung weiterhin ein.

Selbstverständlich dürfen auch die Bundesländer nicht aus ihrer Wahrnehmung der Aufgaben des § 96 entlassen werden. Auch wenn die staatliche Förderung in erster Linie eine Aufgabe des Bundes ist, so müssen auch die Länder weiterhin in die Pflicht genommen werden.
Ebenso notwendig ist auch die Förderung und Unterstützung der in Rumänien verbliebenen Siebenbürger Sachsen. Bei meinen Gesprächen mit dem rumänischen Premierminister Nastase und Mitgliedern seines Kabinetts wurde übereinstimmend festgestellt, dass sich die deutsch-rumänischen Beziehungen seit Unterzeichnung des Deutsch-Rumänischen Freundschaftsvertrages vor zehn Jahren kontinuierlich verbessert und intensiviert haben. In diesem Vertrag ist im übrigen auch der Schutz der deutschen Minderheit verankert.

Obwohl die deutsche Minderheit in Rumänien nur noch rund 80 000 Personen zählt, gibt es gerade heute ein durchaus lebendiges deutsches Kulturleben in Rumänien. Ich konnte das auf meinen vielen Reisen, auch durch Siebenbürgen feststellen. Es gibt deutschsprachige Kindergärten und deutsche Schulen, wo ein Platz heiß begehrt ist, deutschsprachige Studiengänge an Universitäten, deutsche Tageszeitungen, deutsche Kulturstätten und Theater. Die Förderung dieser Einrichtungen vor Ort und die Sicherstellung vieler Institutionen ist eine Aufgabe der Bundesregierung, die auch zukünftig fortgesetzt wird.

Der sozialdemokratische Bundeskanzler Willy Brandt unterstrich seinerzeit: „Es kann für mich keinen Zweifel geben, dass die Erfahrungen der Heimatvertriebenen, ihr moralisches, soziales und nationales Gewicht, unmittelbar zur Geltung kommen müssen. Unser Staat und unsere Wirtschaft stünden nicht dort, wo sie heute stehen, wenn ihnen nicht so starke Kraftströme durch die vertriebenen Landsleute zugeflossen wären. Unsere Demokratie wäre nicht krisenfest, wenn sie nicht von den Vertriebenen und Flüchtlingen mitgestaltet und mitgetragen würde.“ Diesen Worten Willy Brandts möchte ich mich anschließen.

Ein bekannter Spruch sagt: „Wer seinen Vergangenheit nicht kennt, der kann seine Zukunft nicht leben.“ Wir haben heute wieder, zum wiederholten Male erlebt, dass Sie Ihre Vergangenheit kennen, und deshalb werden Sie auch eine gute Zukunft haben.
Gottes Segen für uns alle.

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