28. Juni 2003

Hermann Oberth: Ein Buch verändert die Welt

Vor 80 Jahren erschien Hermann Oberths Pionierwerk "Die Rakete zu den Planetenräumen" im Oldenbourg Verlag in München. Die Veröffentlichung sollte als erstes Standardwerk der wissenschaftlichen Astronautik in die Entwicklungsgeschichte der Weltraumfahrt eingehen. Kurz zuvor, ebenfalls im Mai 1923, hatte der siebenbürgisch-sächsische Raumfahrtpionier sein Professoren-Diplom für Physik und Mathematik an der Universität Klausenburg (Cluj) erworben. Das Jubiläum wurde sowohl in Klausenburg als auch Dinkelsbühl begangen.
Die Universität Klausenburg hatte sich für dieses Jubiläum viel vorgenommen: Auf dem Symposium "Hermann Oberth und die wissenschaftlichen Grundlagen der Raumfahrt" würdigten ausgewiesene Kenner der Materie aus dem In- und Ausland die herausragenden Verdienste Oberths um die Begründung der Raumfahrtwissenschaft und Weltraumtechnik. Um das längste vergriffene Buch des Raumfahrtpioniers erneut zugänglich zu machen, wurde es gleich zweisprachig neu aufgelegt: sowohl im deutschen Originaltext als auch, erstmalig, in rumänischer Übersetzung. Zudem stiftete die Physik-Fakultät dieser Hochschule einen Hermann-Oberth-Preis für herausragende wissenschaftliche Veröffentlichungen, der an Jungautoren von bis zu 35 Jahren verliehen werden soll. Einen weiteren Höhepunkt bildete schließlich die Enthüllung einer von Wilhelm Fabini realisierten Oberth-Büste vor der Aula Magna der Universität. Es ist dies nun schon die vierte Oberth-Büste in Siebenbürgen (nach Schäßburg, Mediasch und Hermannstadt) und im nächsten Jahr wird im Vorhof der Fliegerschule von Mediasch, wo Hermann Oberth zwischen 1932 und 1938 (nach einem Empfang bei König Karl II.) seine Raketenversuche durchführen durfte, ein weiteres Oberth-Denkmal errichtet. Auch das bald zehn Jahre alte Hermann-Oberth-Museum in Mediasch ist nach wie vor einen Besuch wert, kein Zufall daher, dass für den zweiten Tag des Klausenburger Symposiums eine Fahrt nach Mediasch vorgesehen war.

Während ihres Aufenthalts in Siebenbürgen wurden Dr. Erna Roth-Oberth und Dr.-Ing. Hans Barth (links) von Oberbürgermeister Klaus Johannis empfangen, hier eine Aufnahme vor dem im Dezember 2002 eingeweihten Hermann-Oberth-Denkmal vor dem Hermannstädter Rathaus.
Während ihres Aufenthalts in Siebenbürgen wurden Dr. Erna Roth-Oberth und Dr.-Ing. Hans Barth (links) von Oberbürgermeister Klaus Johannis empfangen, hier eine Aufnahme vor dem im Dezember 2002 eingeweihten Hermann-Oberth-Denkmal vor dem Hermannstädter Rathaus.

Ganz stolz sind die Klausenburger auf die Tatsache, dass ihre Universität den bahnbrechenden Charakter der Oberthschen Arbeit erkannt und sie für die Diplomprüfung zugelassen hatte, obwohl diese von deutschen Hochschulen und Verlagen schon mehrfach abgelehnt worden war. Sowohl Prof. Dr. Simion Simon, Dekan der Physik-Fakultät und spiritus rector der Veranstaltung, und Prof. Dr. Wolfgang Breckner, der für die deutschsprachigen Lehrgänge zuständige Prorektor der Universität, als auch die aus Bukarest angereisten Referenten, darunter Kosmonaut Dr.-Ing. Dumitru-Dorin Prunariu, Präsident der Rumänischen Agentur für Raumfahrt, und Akademiemitglied Prof. Dr. Virgiliu N. Constantinescu, wussten darauf hinzuweisen. Dies tat natürlich auch Prof. Dr. Andrei Marga, Rektor der rund 41 000 Studenten zählenden Universität und ehemaliger Bildungs- und Forschungsminister Rumäniens, doch er spannte den Bogen etwas weiter und stellte die Leistung Hermann Oberths in den allgemeinen Kontext der siebenbürgisch-sächsichen Kulturlandschaft. "Die Tatsache, dass die Sachsen ein Schulvolk par excellence waren", betonte Marga, "erklärt sicherlich zahlreiche ihrer Leistungen in Wissenschaft und Technik, die mit den Konzepten und Ideen eines Hermann Oberth ihren Höhepunkt erreichten. Die Universität Klausenburg würdigt, zusammen mit Hermann Oberth und seinem Pionierwerk, auch die herausragenden Leistungen der Siebenbürger Sachsen in Wissenschaft, Technik sowie der europäischen Kultur überhaupt." Der in Deutschland promovierte Rektor fand anerkennende Worte für das "hervorragende Schulsystem der Sachsen", welches zu einem der weltersten zähle, "auf jeden Fall aber zum Ersten auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens".

Aber auch Dr. Erna Roth-Oberth, die Tochter der Raumfahrtpioniers, wollte den "siebenbürgischen Rahmen" nicht verlassen. In ihrer Grußadresse an die Tagung unterstrich sie ausdrücklich: "Mein Vater hat sich stets, und das mit Stolz, zu den Siebenbürger Sachsen, aus deren Reihen er stammte, bekannt, weil diese Menschen nicht nur fleißig und tüchtig waren, sondern vor allem auch deswegen, weil sie eine so hervorragende Brücke zwischen den Kulturen schlugen. Sie vermittelten rumänische Kultur in den Westen, besonders in den deutschsprachigen Raum, und brachten von dort kulturelle und zivilisatorische Werte in ihre Heimat. Siebenbürgen war ein Vorbild für Toleranz und friedliches Zusammenleben von verschiedenen Nationalitäten, die sich gegenseitig befruchteten, ihre Eigenart und kulturelle Identität aber beibehalten konnten. Damit wurde hier eigentlich schon so manches von dem vorgelebt, was man heute nun in einem vereinigten Europa erzielen will: eben friedliches Zusammenleben aller Völkerschaften bei gleichzeitiger Beibehaltung ihrer eigenen Kultur."

Das Eröffnungsreferat der wissenschaftlichen Tagung hielt sodann der ausgewiesene Oberth-Forscher Dr.-Ing. Hans Barth. Er hatte seinen Vortrag - trotz 18-jähriger Fehlübung - auf Rumänisch verfasst, was bei den Teilnehmern sehr gut ankam. Die deutschsprachige Version bot Barth dann auf dem Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl. Hier wie dort wurden, einerseits, die Bedeutung und Wirkung dieses Werkes für die Entwicklungsgeschichte der Raumfahrt klar dargestellt und, andererseits, auch aufgezeigt, was die von Hermann Oberth begründete Wissenschaft und Technologie für die Gegenwart und Zukunft der Menschheit bedeutet. Auf die Wirkung des Buches eingehend, betonte Barth: "Ich kenne kaum ein zweites Buch wissenschaftlichen Inhalts, dessen Einfluss und Wirkung so gewaltig und nachhaltig gewesen wäre wie dieses Erstlingswerk des siebenbürgisch-sächsischen Raumfahrtpioniers. Sucht man Vergleichbares in der wissenschaftlichen Literatur, so fallen einem wohl am ehesten die Namen Kopernikus und Darwin ein. Beide leisteten Bahnbrechendes für die menschliche Erkenntnis, ihre Werke veränderten alte Weltbilder, die die Menschen von dem sie umgebenden Kosmos bzw. von sich selbst hatten. Oberth leistete mit diesem Buch Ebenbürtiges: Die Beweisführung, dass man die Anziehungskraft der Erde überwinden und damit den Heimatplaneten verlassen kann, um neue Existenzsphären zu erschließen, bewerte ich als eine gleichrangige erkenntnistheoretische Leistung. Bei Oberth kommen aber auch noch weitere Wirkungskomponenten hinzu: Die von ihm begründete Raumfahrt bereichert nicht allein die Welt der Erkenntnis, sie verändert zudem auch unsere wirtschaftliche, soziale, politische und kulturelle Welt."

Um die Bandbreite und Reichweite dieses Werkes zu verdeutlichen, beantwortete Barth die drei Fragen: 1. was beinhaltet diese Schrift, 2. was hat ihre Veröffentlichung bewirkt und, wohl das Wichtigste, 3. wie verändert das Inganggesetzte die Welt von heute und morgen. Und in der Tat: Es hat sich viel verändert in unserem täglichen Leben seit der Weltraum ein technologischer und wirtschaftlicher Bestandteil des Planeten Erde geworden ist. Auch wenn wir uns dessen nicht immer bewusst sind, und oft noch Schwierigkeiten haben, dies zu erkennen.

hb


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeituing, Folge 10 vo 25. Juni 2003, Seite 14)

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