15. April 2001

Oskar Pastior Ehrendoktor der Hermannstädter Universität

Er ist mittlerweile der Dritte in der Reihe deutsch-sächsischer Literaten, die von der jungen Hermannstädter "Lucian Blaga"-Universität den Ehrendoktortitel erhielten. Aber er ist eigentlich der Einzige unter ihnen, der mit dieser Hochschule nichts am Hut hat. Und dennoch verlieh sie ihm - nach Georg Scherg und Joachim Wittstock - Ende März den "Doktorhut" und mithin die Ehre, das Kürzel h.c. vor seinen Namen setzen zu dürfen, aber "nicht müssen", so Oskar Pastior, der "Paganini der deutschen Sprache", wie „Der Spiegel“ noch vor etlichen Jahren den gebürtigen Hermannstädter nannte.
Nun war dieser "Sprachenkomponist" ein zweites Mal nach fast dreißigjähriger Abwesenheit erneut in seine einstige Geburtsstadt gekommen, unterdessen auch als Hauptstadt des rumänischen Jazz bekannt, und präsentierte hier statt einer Dankesrede größtenteils die freien Improvisationen, die dem gewandten Wortkünstler nun einmal eigen sind. Ähnlich einem Duke Ellington oder anderen Größen des Jazz lieferte er in einer Art Konzert - man hatte den Eindruck auf Anhieb - erfrischende Laute und Rhythmen, kontrapunktierte Harmonien und konstruierte geistreiche wie klangvolle Bilder, die mit Lyrik im herkömmlichen Sinn nichts mehr zu tun haben.
Doch gerade das macht die Größe von "O Skaro", diesem "Sprachmelker" aus, wie ihn Gleichgesinnte nennen und wie er auch in der Laudatio von Horst Schuller Anger, Lehrstuhlinhaber der Hermannstädter Germanistik-Fakultät, dem zahlreichen Publikum in der "Aula Magna" vorgestellt wurde. Und die Ehrenverleihung, so Rektor Dumitru Ciocoi-Pop, sei eben "eine Anerkennung dieser Größe".
Allein Pastior zeigte sich bei aller Größe und großen Worten eher bescheiden, fast schon zurückhaltend und horchte erst dann sichtlich erfreut auf, als der Laudator auf die "Sprachbiografie" des Dichters einging: "Das abwechselnde Öffnen und Schließen der Jalousien im Elternhaus in der Reißenfelsgasse begleitete er mit leierndem Sprechgesang, den er im Rückblick als sein erstes Gedicht bezeichnete. Dieses Gedicht hat er später ergänzt und zu einem sogenannte Testament erweitert." Aber auch die Grammatikstunden seines sprachbesessenen Lehrers oder die Abiturprüfung im Fach Chemie habe er wie alles andere danach auf deren "textgeneratives Potential" (Schuller Anger) getestet und dann sprachlich verfremdet, zerlegt und zerredet, um es eben Text werden zu lassen. So erschienen unterdessen 38 Bücher des Autors, zwei davon in rumänischer Übersetzung, ferner vier Hörspiele und dann noch rund 20 Bände mit Übersetzungen aus dem Rumänischen, Niederländischen, Italienischen, Französischen, Russischen oder Japanischen.
Erstrecht die Erfahrungen im Westen, wo er seit 1969 als freischaffender Schriftsteller in Berlin lebt, hat Pastiors Kreativität ins Grenzfreie verlegt und ihm denn auch unzählige Preise und Anerkennungen eingebracht. So auch diese der Hermannstädter Universität, die ihm auf einmal "luftig zu Teil wurde - wie Eukalyptus", nie erstrebt, nie bezweckt, aber dann doch erfreut entgegengenommen wurde. "Gaudeamus igitur" erklang am Anfang und Ende der würdevollen Veranstaltung, und mit dem Geehrten freuten sich der Bischof, der Stadtpfarrer, der Hochschulsenat, die Schriftstellerkollegen, der Brukenthalchor, kurz: was im sächsischen Hermannstadt heute Rang und Namen hat.
Zwei Tage zuvor hatte es übrigens eine ähnliche Feier in der Landeshauptstadt Bukarest gegeben, wo Pastior in früher Zeit studiert hat und auch als Journalist kurzfristig tätig war. Hier verlieh ihm die Rumänische Kulturstiftung einen Sonderpreis für seine gesamte schriftstellerische Tätigkeit.

Martin Ohnweiler

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.