20. Juli 2003

Neugeboren unbekannt? - Mitnichten!

Günther Ott, Direktor i. R. an den Kölner Museen und zeitweiliger Direktor des Siebenbürgischen Museums, Gundelsheim, hat vielfach über Leben und Werk von Neugeboren veröffentlicht. In dem nachfolgenden Beitrag reagiert der Neugeboren-Kenner auf den Artikel von Konrad Klein, "Henri Nouveau - eine Neuentdeckung, die überfällig war", abgedruckt in der "Siebenbürgischen Zeitung", Folge 9 vom 31. Mai 2003, Seite 9.
In seinem Artikel zur Nouveau-Ausstellung in Regensburg fragt Konrad Klein ironisch-provokant: "Aber mal ehrlich: Welcher Kunsthistoriker könnte schon was mit dem Namen Heinrich Neugeboren/Henri Nouveau anfangen?" - Meint der Autor unsere Kunsthistoriker aus Siebenbürgen, wo Neugeboren 1901 in Kronstadt zur Welt kam, oder jene aus Deutschland, wo unser Landsmann in Berlin und Dessau studierte? Oder gar "die" Kunsthistoriker aus Frankreich, wo sich der Künstler 1929 in Paris endgültig niederließ, sich den Namen Henri Nouveau zulegte und von der Musik zur Bildenden Kunst umschwenkte? Hier hatte er u.a. in Paris, Grenoble, Straßburg und Cannes Einzelausstellungen, nahm aber auch an Gruppenausstellungen teil. Das französische Publikum lernte seine Kompositionen in Konzerten kennen, die nicht selten im Rahmen von Ausstellungseröffnungen stattfanden. Mehrere französische Museen besitzen Werke Nouveaus. Nach seinem Tode (1959) wurde in Paris die "Association des Amis de Henri Nouveau" mit tatkräftiger Unterstützung der Lebensgefährtin des Künstlers und Nachlassverwalterin, Hedwige B. Nadolny, gegründet. Ein Teil seines Werkes ging als Stiftung an die "Fondation de France", was im Todesjahr 1975 von Frau Nadolny in einer Ausstellung in Paris gebührend gefeiert wurde.
Henrik Neugeboren - Henri Nouveau (1901-1959). Foto aus dem Ausstellungskatalog.
Henrik Neugeboren - Henri Nouveau (1901-1959). Foto aus dem Ausstellungskatalog.


Und wie steht es mit der Präsentation des vielseitigen OEuvres von Nouveau/Neugeboren in Deutschland? In Köln richtete das Französische Kulturinstitut eine Nouveau-Ausstellung aus und brachte seine Kompositionen in mehreren Konzerten zu Gehör. In der Domstadt am Rhein gibt es auch eine Galerie im Nobelviertel Marienburg, die sich vor allem mit den Konstruktivisten beschäftigt und wo der Name Nouveau bestens bekannt ist.

1961 fand in Stuttgart im Kunst- und Auktionshaus Dr. Fritz Nagel eine Versteigerung statt, auf der auch drei Gemälde Nouveaus vertreten waren, auf die mich Hans Meschendörfer hinwies. Anlässlich des ersten Todesjahres des Künstlers gab es im Schloss Morsbroich/Leverkusen eine Ausstellung seiner Werke und ein Konzert sowie im Museé des Arts Décoratifs in Paris ebenfalls ein Gedenkkonzert. Zehn Jahre danach wurde im Park des Städtischen Krankenhauses der Stadt Leverkusen Nouveaus Bach-Monument enthüllt, eine sieben Meter hohe Stahlskulptur als dreidimensionale Darstellung von Takten aus J. S. Bachs wohltemperiertem Klavier gestaltet. Frau Nadolny hatte Nouveaus 1928 entstandenen Entwurf der Stadt Leverkusen gestiftet.

Durch die Tatsache, dass Nouveau/Neugeboren mehr als sein halbes Leben in Frankreich verbracht hat und sich dort die "Association des Amis" für sein Werk einsetzt, mag sein Name dort bekannter sein als in Deutschland. Immerhin gab es außer in Leverkusen und Köln genügend Ausstellungen und Konzerte von ihm auch in anderen deutschen Städten (Stuttgart, Aachen, Frankfurt a.M., Darmstadt, Hamburg u.a.m.), kommentiert in den örtlichen Tageszeitungen. Von Köln aus wurden von der Rumänischen Redaktion des Deutschlandfunks längere Berichte in rumänischer Sprache gesendet, obwohl Neugeboren in der Habsburger Monarchie geboren wurde und Kronstadt vor dem Anschluss Siebenbürgens an das Königreich Rumänien verlassen hatte. 1972 brachte der Neue Weg auf der Titelseite eine Biografie heraus. Daraus sei zitiert: „Heute ist Heinrich Neugeborens Werk weltbekannt. Es wurde in Österreich, Polen, der Bundesrepublik Deutschland, Ungarn, Belgien, Holland, in den USA, in Brasilien und der Schweiz ausgestellt ...“.
Henri Nouveau, 'Die Nichtzuglaubengalischianel', 1931, 28,7 x 20,1 cm. Siebenbürgisches Museum Gundelsheim.
Henri Nouveau, 'Die Nichtzuglaubengalischianel', 1931, 28,7 x 20,1 cm. Siebenbürgisches Museum Gundelsheim.

Was nun die akademischen Kunsthistoriker aus Siebenbürgen betrifft, so wäre die Frage, an einen größeren Kreis gerichtet, interessanter und aufschlussreicher: Inwieweit beschäftigt sich der Großteil der Siebenbürger mit moderner Kunst, ist also der Name Nouveau bekannt?

Was die Leser der Siebenbürgischen Zeitung anbetrifft, hatten sie wiederholt Gelegenheit, ihm in Artikeln und Berichten zu begegnen. Nach Dr. Heinrich Zillichs Nachruf zum Tode von Nouveau/Neugeboren in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Südostdeutsche Vierteljahresblätter (Folge 2/1960) würdigten in derselben Zeitschrift (4/1981 und 1/1982) auf insgesamt 18 Seiten Karl Teutsch und ich Leben und Werk des Musikers, bildenden Künstlers und Schriftstellers. So bot sich unseren Landsleuten wiederholt Gelegenheit, sich mit unserem Künstler und der modernen Kunst zu beschäftigen. Taten sie das nicht, gab es dafür manche Gründe. In unseren Schulen wurden Mädchen und Jungen – aus der Perspektive eines Hermanstädters betrachtet – kaum an die Kunst herangeführt, weder im Unterricht noch in Ausstellungen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen.

Gerne hätte ich in der Bundesrepublik, in siebenbürgischen oder ostdeutschen Instituten, eine Nouveau-Ausstellung gesehen, um den Künstler ins Bewusstsein seiner Landsleute zu bringen. So hoffte ich, die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen, wo in den höheren Etagen einer unserer Landsleute saß, würde dies Projekt organisatorisch und finanziell unterstützen. Doch die Tore in Düsseldorf blieben verschlossen.

Noch bis zum 24. August gastiert die Nouveau-Ausstellung, nach den Stationen in Pontoise und Regensburg, auch im Siebenbürgischen Museum, Gundelsheim, was viele beglücken, manchen Fachmann der modernen Kunst erfreuen dürfte. Die Auflistung von Nouveaus Einzelausstellungen bzw. Beteiligungen an Gruppenausstellungen sowie der Verbreitung seiner Werke in öffentlichen Sammlungen (in Deutschland, Frankreich, Israel, Ungarn, den Niederlanden und den USA) ist zu imposant, als dass einem jene skeptische Frage von Konrad Klein in den Sinn kommen könnte.

Günther Ott, Köln


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2003, Seite 11)

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