3. August 2003

Bachchor auf Tournee: Wohlklang und Präzision

Hermannstädter Bachchor gastierte in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern / Seine fünfte Auslandsreise wurde in erheblichem Maße von der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung gefördert
Eine zehntägige Konzertreise ist geglückt. Der auf Einladung der Kurhessischen Kantorei (für Konzerte in Schlüchtern und Marburg), des Verbands für Evangelische Kirchenmusik Württemberg (für Kloster Maulbronn), der evangelischen Christuskirche in München sowie der Partnerstadt Landshut nach Deutschland angereiste Hermannstädter Bachchor ist zwischen dem 4. und 9. Juli an fünf Abenden vor zahlreichem und gut eingestimmtem Publikum aufgetreten. Das Echo seiner Darbietungen ist durchwegs positiv. Hinzu kam ein ebenfalls gelungener Orgelvortragsabend von Ursula Philippi in Marburg.

Rückblickend können Chorleiter Kurt Philippi, Ortrun Rhein als Chorvorstand, die ehrenamtlich im Chor wirkenden Sängerinnen und Sänger - 53 waren diesmal unterwegs - sowie das zehnköpfige begleitende Orchester mit dem Verlauf und dem Ergebnis dieser fünften Auslandstournee des Chores seit 1991 zufrieden sein.

An Höhepunkten gab es natürlich einige und da eine Rangfolge zu versuchen, fällt schwer. Von der Stimmung her war der Auftritt in der Lutherischen Pfarrkirche in Marburg zum Abschluss des "Musikalischen Sommerfestes" der Stadt an der Lahn am Sonntagabend (6. Juli) hervorragend. Die Hermannstädter Chorgemeinschaft hatte auch im Gottesdienst am Vormittag zusammen mit dem Marburger" Kirchenchor gesungen. Im Kloster Maulbronn dann ein übervoller Kirchenraum und ein sehr dankbares Publikum.

Musikalisch vielleicht am besten gelungen war das Konzert; in München, wo der Bachchor erstmalig aufgetreten ist. Auch die Akustik in der Christuskirche am Dom-Pedro-Platz, wo der aus Hermannstadt kommende Pfarrer Michael Gross amtiert, ist einmalig schön. Den Choristen und Instrumentalisten wurde nach dem Konzert gute Unterkunft bei Privat geboten, man kann wohl sagen nach althergebrachter, heimatlicher Sitte, denn die Quartiergeberfamilien waren überwiegend Siebenbürger Sachsen. Das war am Dienstag (8.Juli). - Am nächsten Abend in Landshut dann wiederum ein gutes Publikum. Außer der Kirchenorgel ein eigens für das Konzert herbei gebrachtes Orgelpositiv und - eine gute Bewirtung.

Initiative und Förderung für diesen letzten Abend der Tournee kamen vom Freundeskreis Landshut-Hermannstadt sowie von der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung München, beide Institutionen vertreten durch Ortwin Schuster, Richter am Sozialgericht in Landshut. Für ihre Bereitschaft, an die vier programmierten Konzerte ihrer Tournee noch ein fünftes dranzuhängen, wurde den Gästen mehrfach gedankt. Angesprochen wurde dies auch bei einem Empfang im Rathaus. In Vertretung von Oberbürgermeister Josef Deimer wurde die Chorgemeinschaft durch die Stadträtin Dr. Anna-Maria Moratscheck in jenem ehrwürdigen Prunksaa1 herzlich begrüßt, in dem im April 2002 die Partnerschaft der beiden Städte offiziell besiegelt worden war. Die Gäste wurden mit den wichtigsten Anliegen der niederbayerischen Partnerstadt und ihrer Bewohner vertraut gemacht und sie bekamen eine umfassende, von echter Freundlichkeit und Freundschaft geprägte Führung durch das Haus.

Nun einiges über den Bachchor und sein diesmal in Deutschland gebotenes Programm: Der vom damaligen Stadtkantor Franz Xaver Dressler 1931 gegründete und von ihm über 46 Jahre geleitete Hermannstädter Bachchor hat mit inzwischen mehr als 350 Konzertauftritten in seiner Heimat sowie im Ausland eine reiche Tradition vor allem als Oratorienchor. Kurt Philippi, der Musikwart der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien, ist erfolgreich bemüht, das künstlerische Vermächtnis Dresslers zu erfüllen. Er leitet den Chor seit 1985, sekundiert gewissermaßen von seiner Ehegattin, der Stadtkantorin und Konzertorganistin Ursula Philippi, deren gekonnten Part am Orgelpositiv (z. B. in Landshut) wir mit Genuss hören konnten. Ebenso den Solopart der hochbegabten jungen Sopranistin Teodora Gheorghiu, durchaus leistungsverwandt mit ihrer auf den Opernbühnen Europas und der Welt umjubelten Namensvetterin. Hohes Lob verdient auch die solistische Leistung von Dorothea Binder, Rotraut Barth, Werner Neuhuber und Bruno Roth. Neuhuber ist nicht Hermannstädter, sondern ein junger Arzt aus Österreich, der ausgezeichnet Solopartien im Bass singen kann. Er hat sein Zivildienstjahr in Hermannstadt (im Carl-Wolff-Altenheim) verlängern lassen, nicht zuletzt auch, um im Chor mitzumachen.

Hier hervorzuheben, dass der deutsch singende Chor auf solch hohem Niveau überhaupt noch besteht, besonders aber die starke Präsenz der jungen Generation im Chor und an den Instrumenten, ist für uns mit das Erfreulichste. Der Bachchor hat übrigens zwei eigene CDs in bester Qualität herausgebracht.

„Weise mir, Herr, deinen Weg“ - das anderthalbstündige Programm mit diesem Titel verfolgt einen Gang durch das Kirchenjahr. Es umfasst Werke von Johann Sebastian Bach und dessen Großonkel Johann Bach, ein Adventlied von Zoltán Kodály sowie geistliche Musik von fünf siebenbürgischen Komponisten aus vier Jahrhunderten: Johann Sartorius dem Älteren, Philipp Caudella, Rudolf Lassel, Paul Richter und Hans Peter Türk. Es mag von Interesse sein, hier anzumerken, dass Lassel und Richter Generalmusikdirektoren in Kronstadt waren, während Caudella, der in Hermannstadt gewirkt hat, quasi als Ahnherr einer Reihe von bedeutenden Musikern und Komponisten in Jassy gilt.

Das vielleicht herausragendste Werk der Programms, die Kantate für Sopran solo, Orgel, Streichorchester und gemischten Chor "Weise mir, Herr, deinen Weg", wurde von Hans Peter Türk schon 1971 komponiert, aber erst im Juni 2003 in Hermannstadt uraufgeführt. Es wird wohl als eine bedeutende Komposition in die europäische Musikliteratur der Jetztzeit eingehen. Die Interpretation durch den Bachchor und dessen Begleitung hat auch in München und Landshut bei einem Kennerpublikum den erwartet starken Eindruck hinterlassen, ebenso wie die Spruchmotette desselben Tonschöpfers ("So, sage ich euch, wird Freude sein ... über einen Sünder, der Buße tut"). Der Chor, der auch durch passende Aufstellungsexperimente auffiel (z.B. dreistimmiger Fernchor von der Empore; beidseitiger Zugang von Sopran und Alt in gemessenem Schritt aus dem Kirchenraum beim Introitus) und dem für seine Gesamtdarbietung spürbar herzlicher Dank und Applaus zuteil wurde, verabschiedete sich jeweils mit einem Abendlied als Zugabe. Woran wir Aussiedler aus Siebenbürgen uns hier erst gewöhnen mussten: das laute Händeklatschen in der Kirche. Dazu in Landshut auf Wunsch des Dirigenten ein Versuch, nach dem Abendlied einmal nicht zu klatschen. Der Versuch ist beinahe gelungen.

Wir können nicht umhin, auf einen organisatorischen Minuspunkt hinzuweisen: In Landshut sollte das Konzert, wie auch auf den Programmzetteln angegeben und in dieser Zeitung angekündigt, um 20 Uhr in der evangelischen Christuskirche stattfinden. Die Veranstalter mussten kurzfristig in die Erlöserkirche "umsiedeln" und den Beginn auf 19.30 Uhr ansetzen, was von manchen als ein Fehler beanstandet wurde. Diejenigen, die wegen des unvermeidlichen Ortswechsels verärgert wurden, seien um Entschuldigung gebeten. Treuen Anhängern des Bachchors sei für den Konzertbesuch gedankt. Edeltraut Ackner hat 25 Jahre im Bachchor gesungen. Sie lebt in Würzburg und ist eigens zu diesem Anlass mit der Bahn nach Landshut gekommen. Gewiss kein Einzelfall dieser Art und Gesinnung.

Beim "Ausklang" im Gemeindehaus und Garten der Erlöserkirche in Landshut-Mitterwöhr hörte man anerkennende Einschätzung, wie "Wohlklang" und "Präzision im Zusammenwirken von Chor und Instrumenten" und zum anschließenden Geschehen oft das Beiwort "wunderbar". Der Dank derjenigen, die in den Genuss dieses Ausklangs und der reichlichen Bewirtung kamen, geht an Pfarrer Dr. Matthias Flothow und seine Helferinnen, voran Roswitha Daweke und die Messnerin Kovacs, übrigens eine Siebenbürgerin. Es war ein angenehmer Abschluss im Geiste des vorher Gesungenen und Gehörten, mithin auch Belohnung für die Strapazen einer Busreise über 4 000 Kilometer.

Insgesamt ist das Unternehmen Konzertreise geglückt. Die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung hat finanziell wesentlich, aber auch organisatorisch zum Gelingen beigetragen. Chorleiter Kurt Philippi hat zum Thema "Geben - Nehmen - Geben" gelegentlich angemerkt, im Chor sei man einer Meinung mit ihm, nämlich dass man sich zwar über jede Unterstützung aus Deutschland freue, umso mehr aber, wenn man selber etwas geben kann. In diesem Sinne hat der Chor der Partnerstadt Landshut im Abschlusskonzert schöne geistliche Musik gegeben. Dafür ein herzliches Dankeschön!

Ewalt Zweyer


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2003, Seite 6)

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