25. August 2003

Schöpfer des Paragraphen 96

Dr. Ludwig Landsberg (1911 - 1978), der Schöpfer des Paragraphen 96 des Bundesvertriebenengesetzes, starb vor 25 Jahren
Die Siebenbürger Sachsen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich keine ihren Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit gefunden hatten und in Nordrhein-Westfalen durch die so genannte "Kohleaktion" ansässig wurden, bildeten jenen Grundstock der Unseren, der groß genug war, die nordrhein-westfälische Landesregierung zu veranlassen, die Patenschaft für die Siebenbürger Sachsen in Deutschland zu übernehmen. Aus der Hand des damaligen Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Heinrich Hemsath, übernahm der Vorsitzende der siebenbürgischen Landsmannschaft, Dr. Heinrich Zillich, in einem Festakt im Mai 1957 in Düsseldorf die Urkunde, die über Jahre hinweg die Basis einer hervorragenden Zusammenarbeit bleiben sollte.

Nicht nur die jeweiligen Patenminister zeigten großes Verständnis für die Vertriebenen und Flüchtlinge in ihrem Lande und weit darüber hinaus, sondern in ihrem Ressort wirkte auch der aus Schlesien vertriebene Dr. Ludwig Landsberg maßgebend mit. Sein scharfer juristischer Verstand war mit echtem Mitgefühl für die von ihm und seiner Abteilung Betreuten gepaart. Der spätere Ministerialdirigent Landsberg war schon vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland Beamter im Düsseldorfer Arbeitsministerium geworden und wirkte entscheidend an der Schaffung jener Gesetze auf Bundesebene mit, die für die Eingliederung der Neubürger bestimmt waren. In einem Artikel in der Kulturpolitischen Korrespondenz würdigte Hans Lipinski-Gottersdorf Landsbergs Einfühlungsvermögen für die Kulturarbeit der Heimatvertriebenen, vor allem bezüglich des Paragraphen 96 des Bundesvertriebenengesetzes, "der deutlich die Landsbergsche Handschrift" aufweist und heute noch die Kulturförderung der deutschen Vertriebenen und Aussiedler ermöglicht.

Nordrhein-Westfalen hatte die Patenschaft für drei Landsmannschaften übernommen. Ihnen galt in besonderer Weise die Fürsorge von Dr. Landsberg. In den Amtszeiten der Sozialminister Konrad Grundmann und Werner Figgen stellte Landsberg seine außerordentlichen Fähigkeiten unter Beweis. Wenn der Bundesvorsitzende der siebenbürgischen Landsmannschaft, Erhard Plesch, mit seinen Stellvertretern zu Gesprächen nach Düsseldorf fuhr, gehörte zur Vertretung der Partner fast immer auch der Ministerialdirigent Landsberg. Und die Ergebnisse der Beratungen konnten sich sehen lassen, beispielsweise die Entscheidung, die Siebenbürger Siedlung in Drabenderhöhe zu errichten, ein Haus des Ostens in Düsseldorf zu schaffen, Gesamtdeutsche Wochen durchzuführen, Ostdeutsche Schülerwettbewerbe einzurichten und vieles andere. Dem umsichtigen Dr. Landsberg lag es besonders am Herzen, die nur allmählich eintreffenden Spätaussiedler zu betreuen.

Wer seine Kräfte in solchem Maße für die Mitmenschen einsetzt, hat Anspruch auf Würdigung und Ehrung. Als Landsberg 1973 das Große Bundesverdienstkreuz erhielt, wies Minister Figgen auf dessen Arbeit in Nordrhein-Westfalen hin. Es sei wichtig gewesen, neue Lebensvoraussetzungen für Millionen entwurzelter Menschen zu schaffen. Landsberg habe dabei stets eine Schlüsselrolle innegehabt und entscheidend dazu beigetragen, dass die Eingliederung der Vertriebenen in Nordrhein-Westfalen erfolgreich verlaufen sei.

Wer mit Landsberg zusammenarbeitete oder den Umfang seiner Aktivitäten kannte, mag befürchtet haben, dass er seinen körperlichen Kräften zu viel zumutete. Im Ruhestand zog er sich nach Irschenhausen in Bayern zurück und ließ dort vor seinem geistigen Auge seine Vergangenheit und die seiner Familie vorbeiziehen: Er war der letzte Herr und Kirchenpatron des vormaligen Rittergutes Mangschütz in Schlesien, das verwahrlost war, bis die Familie Landsberg es zum Musterbetrieb machte. Als Gegner des Nationalsozialismus, den er früh durchschaut hatte, wurde er, "als die braune Faust nach ihm greifen wollte" - wie unser Landsmann Fritz Heinz Reimesch, der nachmalige erste Bundesvorsitzende unserer Landsmannschaft, - mit Hilfe von Freunden ins deutsche Heer eingegliedert und war dort geschützt. Schließlich verfasste Landsberg als Pensionist Gedichte über die schlesische Heimat und eine Biografie seines Vaters.

Er hatte daran mitgewirkt, dass Tausende von Landsleuten eine neue Heimat fanden. Seine inzwischen veränderte Heimat sah er jedoch mit den Augen seiner Erinnerung, aus der Sichtweise des Jugendlichen. So schloss er die Augen für immer, zugleich im Bewusstsein, mehr für seine Mitmenschen getan zu haben, als man je erwarten konnte.


Wilhelm Bruckner

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