28. August 2003

Heimat heute - die Erkundung eines Lebensgefühls

Wenn es in der letzten Strophe des "Siebenbürgenlieds" heißt: "Siebenbürgen, süße Heimat, unser teueres Vaterland ...", so wird der Eindruck erweckt, die beiden Begriffe Heimat und Vaterland seien gleichbedeutend und hätten also identische Inhalte. Der moderne Standpunkt ist jedoch ein anderer und die Betrachtungsweise differenzierter: Vaterland gilt als ein historisch-juridischer Begriff, während Heimat psycho-soziologisch als ein emotional gefärbtes Lebensgefühl beschrieben wird.
Der Begriff des Vaterlandes lässt sich mehr oder weniger genau definieren, doch die Heimat wird meist nur definierend beschrieben. Wenn solche Beschreibungen von verschiedenen Personen vorgenommen werden, können sie sehr unterschiedlich ausfallen. Das zeigt sich beispielsweise bei Umfragen wie: "Was verstehen Sie unter Heimat?"

Das Heimatgefühl ist an frühe Erinnerungen geknüpft und basiert vor allem auf Vertrautheit. Heimat ist da, wo man sich heimisch fühlt, oder, wie Herder sagt: "Heimat ist da, wo man sich nicht zu erklären braucht". Heimat ist angenehm, ist gut, doch gilt der Kehrsatz nicht, also das ubi bene - ibi patria. Ein Satz, der eher auf Heimatlosigkeit, auf Kosmopolitismus hindeutet. Die Antwort bei einer Befragung über das Wesen der Heimat bzw. das Heimatverständnis lautete in einem Fall, der Kern der Heimat sei der Aufenthalt in der Familie, wo Vertrautheit und größtmögliches Vertrauen herrsche, wo man sich nicht ständig erklären müsse, wo mithin alles selbstverständlich sei. Für die meisten Befragten bedeutete Heimat Geburtsort, ein Dorf, eine Stadt, eine Landschaft. Sicher ist, dass Heimat an eine vertraute Umwelt gebunden ist, an eine Landschaft, an Menschen mit einer bestimmten Tradition, Sprache (Mundart) und Gebräuchen, an Musik ("Heimatklänge"), an bestimmte Essgewohnheiten - das alles erfahren in der Kindheit und Jugend, wenn die Persönlichkeit geprägt wird. In diesem Fall bedeutet Heimat hauptsächlich Erinnerung und Sehnsucht nach etwas Verlorenem. Daher wird dann Heimat in positiver Verklärung und idealisiert gesehen - als etwas, das war und nicht wiederkehrt. Ist Heimat einmalig? Oder kann es eine alte und eine neue Heimat geben? Eine Frage, die insbesondere Auswanderer, Heimatvertriebene und Aussiedler betrifft. Heute wird die Suche der Heimat nicht mehr als "Heimattümelei" abgelehnt. Amerikaner reisen nach Europa, um ihre "alte Heimat" ihre "Wurzeln" zu finden. Heimatvertriebene aus Ostpreußen, Schlesien oder aus dem Sudetenland suchen ihre alte Heimat auf und wandeln auf den Spuren der Vergangenheit.

Nach dem Duden wird Heimat, mittelhochdeutsch heimuot(e), althochdeutsch heimuoti, heimoti, vom germanischen Wort Heim abgeleitet, das Haus, Wohnort, Heimat bedeutet, oder Ort, wo man sich niederlässt, Lager. Das Wort Heim ist auch in der geografischen Namensgebung häufig (z.B. Mannheim, Rosenheim). Heimat finden wir in Wortverbindungen, wie: heimlich, Heimweh, heimatlos, Heimatort, Heimatsuche, anheimeln.

Aus diesem bunten Mosaik der hier angeführten Merkmale ergibt sich ein Bild des Heimatbegriffes, so wie wir es wissenschaftlich klar im "Wörterbuch der Soziologie" von Hartfiel - Hillmann (Kröner-Verlag) formuliert finden: "Heimat, territoriale Einheit eines subjektiv erlebten Raumbereiches, mit dem der Mensch eine besondere Verbundenheit empfindet. In der Regel die Gesamtheit der durch Traditionen und spezifische Lebensbedingungen geprägten Erfahrungen der Kindheit und Jugend. Im engeren Sinne die Landschaft und Siedlungsform, in der der Mensch zur Persönlichkeit heranwächst und seine ersten entscheidenden sozialen Beziehungen und Bindungen anknüpft."

Bei den Sachsen, die sich auch nach der Auswanderung zu Siebenbürgen als Heimat bekennen, besteht in der letzten Zeit immer deutlicher die Tendenz, auch ihre Beziehungen zur Heimat im engeren Sinne zu pflegen. Die Entstehung von Heimatortsgemeinschaften, Veranstaltung von Heimatortstreffen, gemeinsame Besucherreisen, Herausgabe von Heimatbüchern und -blättern legen Zeugnis davon ab. Bei der weltweiten Globalisierung, der Uniformiertheit weltgleicher Mode, Lebensmittel, Musik etc. gilt die "gute alte Heimat" als umso wertvoller und unersetzlich. Heimatsuche heute ist mehr als nur emotionale, nostalgische Erinnerung, sie ist Notwendigkeit, denn sie stiftet Identität.


Walter Roth, Dortmund

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