11. September 2003

Siebenbürgenreise

Die Generation unserer als Kinder geflüchteten Sippe sowie jene, die von Siebenbürgern abstammen, aber hier in Deutschland geboren sind, unternahmen im Rahmen der Landesgruppe Hamburg in diesem Sommer eine Reise nach Siebenbürgen. Für mich erfüllte sich ein Herzenswunsch, da unsere Söhne sehr interessiert waren, die Heimat ihrer Vorfahren zu sehen. In der Familie wurde viel über Kirchen- und Wehrburgen erzählt. Um das Ganze aber zu begreifen, muss man dort gewesen sein.
An der rumänischen Grenze wurde unser Bus zügig abgefertigt. Unser erstes Ziel war der lustige Friedhof in Sapanta in der Maramuresch. Die Kreuze sind blau bemalt, und in lustigen Versen sind die wichtigsten Augenblicke im Leben der Verstorbenen zusammengefasst. In Bistritz besichtigten wir die evangelische Kirche und den kleinen, noch erhaltenen Stadtkern. Das Stadtbild ist durch die Ceausescu-Blocks verschandelt. Auf der Fahrt nach Lechnitz, meinem Heimatort, überkam mich ein sonderbares Gefühl, denn diese Straße bin ich oft gefahren und so konnte ich mich an manches Haus an der Wegstrecke erinnern. Wir besichtigten den Ort. Die Schule ist dem Zerfall nahe: „In den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen“ (Schiller). Das Lutherhaus nebenan, das Gemeindehaus der Sachsen, ist in ordentlichem Zustand. Von der Kirchenburg sind nur noch Teile der Ringmauer erhalten. Mit der Auflage, die Kirche zu renovieren, wurde sie den Ungarn geschenkt. Mit den Spendengeldern wurde nicht viel getan. Auf dem Friedhof bot sich ein trostloses Bild. Unsere Familiengräber konnte ich nicht identifizieren. Mit den engsten Verwandten gingen wir in unser ehemaliges Elternhaus, wo uns das rumänische Ärztepaar, das jetzt dort wohnt, sehr gastfreundlich empfing. Dann fuhren wir zu unserem ehemaligen Besitz. Wir gingen über das Feld, wo einst unsere Weinhalden und Obstanlagen waren. Damit wurde mein größter Wunsch erfüllt: Unsere Kinder haben meine verlorene Heimat gesehen.

Unsere Fahrt führte zu den Moldauklöstern. Der rumänische Fürst Stefan der Große ließ nach jedem gewonnenen Krieg ein Kloster erbauen. Drei davon haben wir besichtigt. Das Kloster Sucevita beeindruckte durch die Vielfalt seiner Bilder. Die Klostermauern sind mit Szenen aus dem alten und neuen Testament (im Volksmund die „Bibel der Armen“ genannt) bemalt.

Über den Bicazpass überquerten wir die Karpaten in Richtung Kronstadt zwischen bizarren Felswänden, zum Teil 400 Meter hoch. Im Zentrum von Kronstadt sind noch viele mittelalterliche Gebäude, wie Rathaus, Schwarze Kirche und Weberbastei, gut erhalten. Zum Abschluss gab es ein Abendessen mit Folkloreprogramm. Am nächsten Tag besichtigten wir Schloss Pelesch in Sinaia, das von König Karl I. im Neo-Renaissance-Stil erbaut wurde. Unter den besichtigten Kirchenburgen beeindruckte uns besonders Tartlau. Die Burgmauern sind 14 Meter hoch und 5 bis 6 Meter dick. Die Burg wurde 50 Mal angegriffen, aber nie eingenommen. Mit Geldern der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung in München wurde die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Burg sehr schön renoviert.

Nächstes Ziel war Schäßburg. Innerhalb der Festung, die teilweise von doppelten Ringmauern umgeben wird sind bedeutende Denkmäler zu finden, so der Stundenturm, die Bergkirche und die überdachte Schülertreppe (172 Stufen). Das Stadtbild hat unter Ceausescu sehr gelitten.

Hermannstadt war unser letztes Ziel. Wahrzeichen der Altstadt ist die evangelische Bischofskirche. Nebenan das Brukenthal-Museum mit kostbaren Gemälden und Aufzeichnungen. Mit einem letzten Blick nahmen wir Abschied von der Stadt am Zibin und fuhren in Richtung Heimat durch viele Dörfer, wo die Fensterläden in ganzen Häuserzeilen heruntergelassen waren. Die Sachsen haben ihre Heimat verlassen und damit ist das „sächsische Siebenbürgen“ Vergangenheit.

Hans Kremer



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