15. Oktober 2003

Neues Gästehaus in Korond eröffnet

Korond/Corund Haus Nr. 832. Köspont (rumänisch "Centru"). Das waren die einzigen Anhaltspunkte für eine erste Begegnung mit Johannes Kravatzky in der Szeklergemeinde nahe Sovata, Kreis Harghita, in Siebenbürgen. Doch wer in diesem Ort auf Rumänisch nach dem "Centru" oder auf Deutsch nach "Zentrum" fragt, kommt nicht weit. Lediglich zwei Rumänen, so ein Ortskundiger, sollen in dieser Gemeinde mit über 7 000 Einwohnern leben. "Das sind die Dorfpolizisten."
"Köspont" jedoch kennt jeder und auch das Haus Nr. 832 des Steinmetz Mihály Györfi auf dem zentralen Marktplatz, braucht doch jeder irgendwann einen Grabstein. Györfy zählte übrigens zu den ersten Ansprechpartnern von Johannes Kravatzky, dem Gründer und Vorsitzenden des "Freundeskreises Siebenbürgen e.V. Neckarsulm", der vor etlichen Jahren im siebenbürgischen Szeklerland aktiv wurde.

Das neue Gästehaus in Korond nahe Sovata im Kreis Harghita
Das neue Gästehaus in Korond, Kreis Harghita

Auf dem Weg vom "Köspont" zur Streusiedlung "Cik", wo das neue Gästehaus des Freundeskreises feierlich eröffnet wird, erzählt uns Kravatzky die Geschichte seiner Initiative. 1999 hatte der gebürtige Kronstädter den gemeinnützigen Verein in Neckarsulm gegründet, fast zeitgleich hatten fünf Familien in Korond die Stiftung "Pro Musica" aus der Taufe gehoben. Der erste Ansatzpunkt für eine Zusammenarbeit war somit gegeben: "über Musik den Jugendaustausch europaweit zu pflegen", so Kravatzky. Der Freundeskreis stattete die Jugendblaskapelle in Korond mit allem Drum und Dran aus, im Herbst 2000 wurde hier ein Blasmusikfestival der Szekler veranstaltet.

Ohne Töpfer läuft in Korond allerdings nichts. Fast jedes Haus beherbergt einen Brennofen, die Hauptstraße ist praktisch eine durchgehende Geschäftszeile. Neben Keramik werden auch Holzschnitzereien, Strickwaren u.a. Souvenirs angeboten. Eine kleine Gold- und Fundgrube für Touristen, eine Geldquelle hingegen für Einheimische.

So empfand das auch Johannes Kravatzky, der bald nach dem Umbruch mit Hilfsgütern nach Korond gekommen war. So kam der Mann, der in der Heilbronner Werkstatt der aus Hermannstadt stammenden Familie Etter seine ersten und eigenen irdenen Krüge und Kannen aus Keramik angefertigt hatte, auf die Idee, die Koronder Hafner in das Vereinsprogramm des Freundeskreises einzubinden. Seine Malversuche mit dem Hörnchen auf Rohlingen aus Ton in der Etter'schen Werkstatt schlugen jedoch fehl. "Sollen die es machen, die es besser können", dachte sich Kravatzky und wurde u.a. bei der Koronder Töpferfamilie Iliés Vészti Mihály & Rozsika mit seinen Vorstellungen vorstellig: "Alte siebenbürgische Formen und Motive in der Keramik wieder zu beleben".

Wer in Dinkelsbühl vor zwei Jahren den Verkaufsstand von Kravatzky besuchte, konnte einen originalgetreuen Hermannstädter Nelkenkrug oder eine sächsische Hochzeitskanne aus der Werkstatt Iliés kaufen. Am Hermannstädter Töpfermarkt waren die Koronder Hafner desgleichen mit sächsischen Originalen vertreten, ebenso bei den Brauchtumsveranstaltungen im Freilichtmuseum sowie am Neckarsulmer und Ilmenauer Weihnachtsmarkt. "Mit Hilfe der Zinngießerei Wygang aus Öhrigen ließen wir an einige Hermannstädter Humpen auch Zinndeckel und einen Bodenschutzring montieren ", ergänzt Kravatzky. "Insgesamt haben wir jetzt schon sehr wertvolle Keramikgefäße zur Freude aller Freunde siebenbürgischer Keramik wiederbelebt."

Die Burzenländer Volkstanzgruppe gestaltete das Fest in Korond mit. Foto: Folker Orendi
Die Burzenländer Volkstanzgruppe gestaltete das Fest in Korond mit. Foto: Folker Orendi

Und es geht weiter in dieser Richtung. Für seine Koronder Freunde selektiert Kravatzky nun weitere Formen und Motive aus dem Katalog zur Ausstellung, die dem 80. Geburtstag des wohl bekanntesten Sammlers von sächsischer Keramik, Hans W. Gabány, in Deutschland gewidmet war, zudem aus den Arbeiten des Hermannstädter Hobby-Ethnografen Horst Klusch.

Als dritten Vereinsprogrammpunkt wurde nun ein vereinseigenes Gästehaus in Korond eingeweiht. Es liegt abseits von der Landstraße in Richtung Oderhellen, in einer wunderschönen hügligen Landschaft. Mit dem Kleinwagen ist der Ort nur bedingt erreichbar, die Busfahrer jedoch streikten an diesem Tag. So machten sich die "Burzenländer Bläser" in sächsischer Tracht unter Leitung von Ernst Fleps per pedes mit Tuba und Trommel feldeinwärts auf die Suche nach dem Haus, die Burzenländer Jugendtanzgruppe unter Albrecht Klein jun. schaffte es gerade noch, der Peterberger Pfarrer Lothar Schullerus verpasste jedoch die Einweihungsfeier. Dafür rückten die Koronder gleich mit zwei Seelsorgern an, gut 30 Mann und Mädchen zählte ihre Jugendblaskapelle, Bürgermeister und andere honorige Gäste sowie Töpfer, teils in ungarischer Tracht, ergänzten dies farbenreiche Bild bei Sonne satt einer "sächsisch-szeklersichen Verbrüderung", wie es in den Eröffnungsansprachen hieß. Die ungarische und sächsische Fahne schmückten den reich gedeckten Empfangstisch, am Hause waren die Flaggen Rumäniens, der EU, Ungarns und Deutschlands gehisst.

Eröffnung des neuen Gästehauses in Korond, in Mitte Johannes Kravatzky, Vorsitzender des Freundeskreises Siebenbürgen e.V. Foto: Folker Orendi
Eröffnung des neuen Gästehauses in Korond, in Mitte Johannes Kravatzky, Vorsitzender des Freundeskreises Siebenbürgen e.V. Foto: Folker Orendi

Einsegnung, Festansprachen, Glückwünsche und Umarmungen bestimmten die Feierlichkeit, die Tänze der Burzenländer ergänzten das Fest, und zum krönenden Abschluss wurden das "Siebenbürgen-Lied" und die Hymne der siebenbürgischen Szekler in Begleitung der jeweiligen Blaskapellen angestimmt. Kravatzky und seine Partnerin Doris zeigten sich zufrieden: "Nach drei Jahren Arbeit sind wir nun in der Lage, dies Gästehaus ‚Zum kleinen Bären' seiner Bestimmung zu übergeben. Damit wurde etwas geschaffen, was Menschen verbindet, Freundschaften ermöglicht, und, hoffentlich, lange Bestand hat. Zwar klein, aber mein, also vereinseigen."

Doch nicht nur Vereinsmitglieder können das Gästehaus mit einem Schlafraum (acht Plätzen), einer Nasszelle und einer gemütliche Wohnküche demnächst in Anspruch nehmen. "Jeder, der ein gutes Führungszeugnis vorweisen kann, ist gerne gesehen", witzelt der Vorsitzende des Freundeskreises. Im Haus werden zurzeit die Heizkörper für eine Zentralheizung installiert, im Hintergrund hört man das Geräusch eines Stromgenerators. Das Wasser wird durch freien Fall aus einem Brunnen in die Leitungen zum "Kleinen Bären" gespeist, Verpflegung vom bäuerlichen Nachbarhof ist auch möglich. Komfort total also in der totalen Wildnis.

Martin Ohnweiler


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. Oktober 2003, Seite 2)

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