16. Oktober 2003

Siebenbürgisch-Sächsische Kulturtage in Speyer eröffnet

In festlichem Rahmen wurden die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2003 am 4. Oktober in Speyer eröffnet. Rund 200 Festgäste zeigten sich begeistert von den Darbietungen des Jugendsinfonieorchesters Bruchsal. Ein besonderer Höhepunkt war der Festvortrag des Historikers Prof. Dr. mult. Harald Zimmermann.
Alles schien auf den Punkt angerichtet: ein voll besetztes Auditorium, das Orchester auf der Bühne, ein stattliches Büfett, sogar mildes Herbstsonnenlicht lugte durch die hohen Fenster des kleinen Saals der Stadthalle Speyer. Zum Auftakt der Eröffnungsfeier der diesjährigen Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage in Speyer spielte das Jugendsinfonieorchester Bruchsal unter Leitung von Heinz Acker die sinfonische Dichtung Finlandia von Jean Sibelius (1865-1957). Mitreißend gelang es den rund 70 zwischen 14 und 25 Jahre jungen Instrumentalisten, die der Tondichtung innewohnende naturgewaltige Schönheit in Klang zu setzen. Nicht zuletzt galt es, Prof. Heinz Acker, dem aus Hermannstadt stammenden Gründer des Ensembles, das als eines der führenden jungen deutschen Sinfonieorchester auf Landes- wie auf Bundesebene mehrfach ausgezeichnet worden ist, mit einer Galavorstellung würdig zu verabschieden. Nach 22-jährigem, überaus erfolgreichen Wirken gibt Acker seinen Dirigentenstab ab.

Abschiedskonzert zur Eröffnung der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2003 in Speyer: Prof. Heinz Acker dirigiert nochmals das von ihm gegründete Jugendsinfonieorchester Bruchsal. Foto: Christian Schoger
Abschiedskonzert zur Eröffnung der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2003 in Speyer: Prof. Heinz Acker dirigiert nochmals das von ihm gegründete Jugendsinfonieorchester Bruchsal. Foto: Christian Schoger

In seiner Begrüßungsansprache dankte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dipl.-Ing. Arch. Volker E. Dürr, den Musikern, respektive Prof. Acker dafür, "dass Sie mit Ihrem Beitrag den kulturellen Dialog eröffnet haben und die heutige Feier auch im weiteren Verlauf künstlerisch und emotional mitgestalten." Herzlich begrüßte der Bundesvorsitzende die anwesenden Bürgerinnen und Bürger der Stadt Speyer und namentlich Bürgermeister Hanspeter Brohm, dem Dürr im Namen der Landsmannschaft für die Gastfreundschaft dankte. Die seit 1981 in wechselnden Orten und Regionen Deutschlands, heuer in Speyer stattfindenden Kulturtage seien "nicht nur ein Symbol des Zusammenhalts der Siebenbürger Sachsen in ganz Deutschland und ihrer weltweiten Föderation, sondern auch ein Bekenntnis zu gewachsenen Bindungen, zur jahrzehntealten Partnerschaft zwischen der Stadt Speyer und den Landsleuten, die sich sowohl in den Kreis- und Landesgruppen als auch im nahe gelegenen Siebenbürgischen Kulturzentrum in Gundelsheim engagieren". Als Mut machende Botschaft zitierte Dürr aus dem Grußwort des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck, des Schirmherrn der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2003: "Ihr ehrenamtliches Engagement ist nach wie vor wichtig. Dankbar registriere ich, dass in Ihrer Vereinsarbeit soziale Aufgaben und die Bildung eine maßgebliche Rolle spielen. (...) Sie bauen Brücken, die nicht nur Menschen, sondern auch Länder wieder stärker verbinden." In eben diesem Sinne, so der Bundesvorsitzende in seiner Begrüßungsansprache, müssten die Siebenbürger Sachsen, getreu ihrem Selbstverständnis, danach trachten, "ihre kulturelle Eigenständigkeit zu wahren und ihre Funktion als Mittler und Vermittler zwischen dem westlichen und östlichen Europa einerseits und den Völkern und Kulturen Siebenbürgens andererseits auch weiterhin auszuüben".

Bürgermeister Hanspeter Brohm überbrachte der Festversammlung die Grüße der Stadt Speyer. Die Domstadt sei in den vergangenen 50 Jahren von den Landsmannschaften mitgeprägt worden. Das ohnehin reiche kulturelle Angebot in Speyer werde - als Austragungsort für die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage 2003 - nun noch vielfältiger. Brohm verlieh abschließend seinem Wunsch Ausdruck, "dass die kulturellen Veranstaltungen der nächsten drei Wochen in die Stadt hineinwirken" mögen.

Mit dem Adagio aus Antonin Dvoráks 8. Sinfonie, G-Dur, einem Werk "lichter Heiterkeit und ungebrochener Lebensfreude" (Heinz Acker), leitete das Jugendsinfonieorchester Bruchsal über zum Festvortrag von Prof. Harald Zimmermann: "Herkunft und Zukunft der Siebenbürger Sachsen". Bekannt scharfsinnig, gelegentlich augenzwinkernd, unternahm der in Tübingen lebende siebenbürgische Historiker mit seinen Zuhörern einen höchst anregenden Parforceritt durch die siebenbürgisch-sächsische Geschichte, beginnend bei einem gewissen Hezelo, der im Jahre 1148 von Aachen nach Siebenbürgen gezogen sein soll und dort, so glaubt man, Hetzeldorf gegründet habe. Kamen also die Siebenbürger Sachsen ursprünglich aus der Aachener Gegend? Wieso aber heißen sie dann "Sachsen"? Diese Bezeichnung habe sich, erläutert der Referent, erst später durchgesetzt. Im Kontext der Ostkolonisation seien die Siedlergruppen, je nach Herkunftsgebiet, auch als "Flandrenses" (Flamen) oder "Latini" (Wallonen) bezeichnet bzw. identifiziert worden. Zimmermann verstand es durch Einflechten von Anekdoten, mit feiner Ironie entsprungenen Wendungen den Vortrag geschickt aufzulockern und ließ sich kaum aus dem Konzept bringen, obgleich das Mikrofon ("die Höllenmaschine") wiederholte Male streikte. Über den Großen Andreanischen Freibrief von 1224, die Reformationszeit, den Zuzug der Landler aus dem oberösterreichischen "Landl", über Flucht und Vertreibung, weiter, hin zum Exodus der Spätaussiedler und schließlich, in Form eines spekulativen Ausblicks, in die Zukunft der Siebenbürger Sachsen führte der Vortrag. Dabei berührte der Festredner immer wieder Kernfragen siebenbürgisch-sächsischer Identität, thematisierte kritisch unsere Herkunft, unser Alter, unser Deutschtum und letztlich unsere Perspektive, einschließlich der zukünftigen. Sich von prophetischer Gabe freisprechend, etwas ratlos, schloss der Historiker mit dem Wahlspruch des vor 200 Jahren verstorbenen Baron Samuel von Brukenthal: "Fidem genusque servabo; man kann frei übersetzen: (meinem) Glauben und (nationalem) Herkommen werde (und will) ich (treu) dienen (und treu bleiben). Jedenfalls ist das futuristisch formuliert für die Zukunft. Der Wahlspruch kann auch in heutiger Zeit eine Weisung sein. Quo usque tandem (wie lange noch), fragt man lateinisch. Wenn ich das wüsste! Es wird von den Jüngsten unter uns abhängen, und sicher auch von uns Alten." Der Festvortrag von Prof. Zimmermann wird in der nächsten Folge dieser Zeitung veröffentlicht.

Mit dem spätromantischen Morçeau Symphonique für Posaune und Orchester von Alexandre Guilmant (1837-1911) sowie dem gemeinschaftlich gesungenen Siebenbürgen-Lied, sinnigerweise als Orchesterarrangement von Heinz Acker, beendete das Jugendsinfonieorchester Bruchsal das musikalische Rahmenprogramm der Eröffnungsfeier. Nicht nur die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage, auch das von der Kreisgruppe Vorder- und Südpfalz bereitete, verschwenderische Büfett war eröffnet. Ein letztes Highlight dieses Nachmittags, zugleich ein viel versprechender Vorgeschmack auf die kulturellen Genüsse der diesjährigen Kulturtage in Speyer.

Christian Schoger


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. Oktober 2003, Seite 1 und 5)

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