20. Oktober 2003

Erinnerungen an Siebenbürgen

Ernst Gerhard Seidner legt mit seinem Buch „Gottfried und der dritte Soldat“ eine Zusammenstellung von Erinnerungen aus Siebenbürgen vor, wie sie in letzter Zeit häufig auf den Markt kommen.
In chronologischer Reihenfolge lässt der Autor sein Leben Revue passieren: von der Geburt im Kriegsjahr 1942, die vom ominösen „dritten Soldaten“ begünstigt wurde, bis zur Ausreise nach Deutschland 1978, der ein missglückter Fluchtversuch voranging. Die Ereignisse sind äußerst vielfältig, reichen vom traditionellen Bespritzen an Ostern bis zum Abschreiben nach der Strumpfmethode, vom Aushelfen in der väterlichen Werkstatt bis zum ersten Rausch mit den Schulfreunden, von der Kindergartenzeit bis zur Lehrertätigkeit. 36 Lebensjahre in Siebenbürgen wollen abgehandelt werden. Der Autor bemüht sich zwar einen roten Faden zu finden, das Buch wirkt aber wie eine lose Aneinanderreihung von Anekdoten, die in Kapitel gepresst und mit leitspruchartigen Zitaten versehen worden sind. Bisweilen fühlt man sich, als lese man im Tagebuch des in Hermannstadt geborenen Seidner: Fehlende Zusammenhänge in der Chronologie stören das Lesevergnügen ebenso wie die ungeklärte Identität von plötzlich auftretenden Personen. Wesentlich unterhaltsamer sind die Einsprengsel in rumänischer und siebenbürgischer, seltener auch ungarischer und gar russischer Sprache, die das ethnisch vielfältige Umfeld erkennen lassen, in dem der Autor aufgewachsen ist. Für alle, die der verschiedenen Sprachen nicht mächtig sind, liefert Seidner Übersetzungen der jeweiligen Wendungen.

„Gottfried und der dritte Soldat“, das ursprünglich den Titel „Der dritte Soldat“ trug und auf Wunsch einer Familienangehörigen von Seidner in den nun vorliegenden Titel umbenannt wurde, ist ein sehr persönliches Buch, das sicherlich interessant sein dürfte für Bekannte und Verwandte des Autors. Für Außenstehende bleiben die inneren Zusammenhänge allzu oft verborgen. Das ist bedauerlich, denn Seidner hat durchaus einiges zu erzählen, aber seine Erinnerungen wirken skizzenhaft. Dennoch ist „Gottfried und der dritte Soldat“ eine Dokumentation der Verhältnisse im Siebenbürgen des 20. Jahrhunderts und vereint Erfahrungen in sich, die sicherlich viele Landsleute Seidners mit ihm teilen. Es stellt somit einen weiteren Beitrag zur Bewahrung der Erinnerungen an die alte Heimat dar.

Interessierte können das Buch über die Osiandersche Buchhandlung im Listhaus, Wilhelmstraße 64, 72764 Reutlingen, Telefon: (0 71 21) 9 36 60, Internet: www.osiander.de, beziehen.

Doris Roth


Ernst Gerhard Seidner: „Gottfried und der dritte Soldat. Erinnerungen eines Siebenbürgers Jahrgang 42“, hora Verlag, Hermannstadt 2003, 168 Seiten, 13,00 Euro, ISBN 973-8226-22-8.

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