23. Oktober 2003

Siebenbürgisches Sängerfest in Schwabach

Einen Höhepunkt siebenbürgisch-sächsischer Kulturtradition setzte das Sängerfest am 11. Oktober 2003 in Schwabach. Ein Dutzend Reisebusse hatte 13 siebenbürgische Chöre aus ganz Bayern und, wie an der bunten Pracht der ortspezifischen Trachten zu erkennen war, praktisch aus ganz Siebenbürgen nach Schwabach gebracht.
Wenn man im Publikum sitzt und nach fast vier Stunden des Zuhörens ehrlich begeistert ist von dem, was 13 Chöre an volkstümlichem Liedgut zu bieten haben, dann wurde von den Veranstaltern alles richtig gemacht. Das kann gewiss nicht nur an tadelloser Organisation und Disziplin der Aktiven liegen. Dazu gehören noch ein paar gute Einfälle und passende Einlagen. Origineller Humor, knapp dosiert, kann nicht schaden. Ein großes Bild mit der Kirchenburg Wurmloch als Blickfang beherrscht die Bühne. Und Freude am Singen schafft frohe Gemeinschaft.

Schlussbild mit den vereinigten Chören in Schwabach. Foto: Hans Klein
Schlussbild mit den vereinigten Chören in Schwabach. Foto: Hans Klein

Nach zwei gelungenen "Rockenstuben" in vergangenen Jahren haben die unermüdliche Kulturreferentin der Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft, Rosemarie Potoradi, und die stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter, die das Geschehen im Nürnberger "Haus der Heimat" leitet, nicht locker gelassen. Am 11. Oktober haben sie im Bunde mit dem Kulturreferenten der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen, Michael Orend, und mit vielen Helferinnen und Helfern im Markgrafensaal im fränkischen Schwabach ein Sängerfest aufgezogen, dessen Echo noch lange nachhallen wird. Die mehr als 300 Sängerinnen und Sänger sowie Blasmusikanten und ebenso viele Konzertbesucher werden sich Ähnliches in Zukunft immer wieder wünschen.

Ein Dutzend Reisebusse hat die Chöre aus ganz Bayern und, wie an der bunten Pracht der ortspezifischen Trachten zu erkennen war, praktisch aus ganz Siebenbürgen nach Schwabach gebracht. Das Programm kann punkt 14 Uhr vor übervollem Saal mit Blasmusik (Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg; Leitung: Richard Taub und Hans Welther) beginnen. Kurz und prägnant die Begrüßung durch Rosel Potoradi. Wie trägt man heute Tracht? - Mit Selbstbewusstsein. Die Bemerkung, es gebe in Deutschland mehr Chorsänger als Fußballspieler, wird vom Schirmherrn, dem mit 33 Jahren im Amt (fast) dienstältesten OB Bayerns, Hartwig Reimann, Oberbürgermeister der kreisfreien Stadt Schwabach, relativiert. Er meint, das könne wohl nur mit Bezug auf das weibliche Geschlecht stimmen. Er freue sich, dass die Siebenbürger ein solches Fest zum ersten Mal in seiner Stadt feiern. Schwabach blühe nun im Schatten von Dinkelsbühl. Man müsse etwas tun, damit "die Kulturen nicht nivelliert werden und zu einem Einheitsbrei verkommen". Welch einen Wert doch der Beitrag auch der Siebenbürger Sachsen zur gesamtdeutschen Kultur haben kann, werde an diesem Nachmittag deutlich. Passende Grußworte zur Einstimmung. Dann lösen sie einander ab, die Singkreise und Chöre, jeder mit zwei oder drei Liedern. Während die einen unter Applaus zurück in den Saal an ihre hinter den Publikumsreihen befindlichen Tische kommen, haben die nächsten schon die Bühne besetzt. Nach knapp anderthalb Stunden haben sieben Gruppen ohne jede Hektik ihr Kulturprogramm geboten, nach einer Kaffeepause folgen die anderen sechs. Das klappt reibungslos. Profis könnten das nicht besser hinkriegen. Dazu zwischen den Auftritten die witzigen Einlagen der 10- bis 18-Jährigen vom JugendTheaterNürnberg. Doris Hutter hatte sich herumgehört und aus ihrer "Sketchproduktionsanstalt" jedem Chor einen köstlichen Auftritt verschafft. Recht unbefangen mimten die Kinder sogar betagte Opas und klapprige Mütterlein.

Das tragende Element blieb die Gesangsleistung. Getreu dem Motto des Programms "Tradition wahren, Kultur fördern" haben die Singgemeinschaften verschiedenen Alters bzw. unterschiedlicher Gründungsjahre ihr Bestes gegeben. Wertungen wären hier fehl am Platz. Sie waren alle gut bis sehr gut. Sieben Chöre haben auch Lieder in Mundart gesungen. Den Anfang machte der gastgebende Singkreis Nürnberg-Fürth (Leitung: Margarete Schuster) mit "Siebenbürgen, Land der Ahnen". Den Chor aus Traunreut, den noch Grete Lienerth-Zultner gegründet hat, leitet jetzt deren Tochter Grete Fredel. Bei "Det Bromerchen“ wurde es vielen im Saal warm ums Herz. Dann in adretter Montur, als einziger Männerchor und als einzige nichtsiebenbürgische Formation, die "Quartettvereinigung Schwabach-Limbach". Ein sympathischer Gastauftritt mit fränkischem und Tiroler Liedgut.

Vor der Pause traten noch auf: der Chor aus Augsburg (Leitung: Michael Kutscher), der Chor aus Waldkraiburg in bewährter Kombination mit den "Münchener Reußmarktern" und seinem Senior-Dirigenten Paul Staedel, der Singkreis aus Rosenheim (Leitung: Hedwig Zermen) und der Chor der Kreisgruppe Hof - er ist "fast rein Stolzenburg", die Frauen in Alltagstracht mit Kopftuch. Wollte nun Chorleiter Johann Schieb nach dem bekannten Volkslied "Wenn alle Brünnlein fließen" die Tradition sprengen? Mitnichten. Deutsch gesungene Passagen aus dem russischen Musical "Anatewka" mit Gesangssoli und Violine zur Begleitung, ein gewagter Brückenschlag hin zur Weltkultur. Zum Hochzeitslied die Braut mit Brustheftel und Borten in einer der schönsten Mädchentrachten Siebenbürgens, der Bräutigam in einem prächtigen "Stolzenburger Mantel", datiert 1910! Und das war ja ursprünglich ein jüdisches Hochzeitslied, das in dieses Musical einfloss. "O Schande, meine Oma singt Gospel. Komm weg von hier", hieß es im Sketch-Vorspann der Kinder. Aber: "Die Musik spricht für sich allein - vorausgesetzt, wir geben ihr eine Chance". Dieses Zitat von Jehudi Menuhin hat der Vorsitzende der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen, Horst Göbbel, in seine abschließenden Worte des Dankes eingefügt. Es gab hinreichend Motivation für weitere Vorstöße im Bereich der Chormusik, der traditionsgebundenen wie der neueren. Sie haben sich nach der Pause noch gesteigert, der Chor der Kreisgruppe Coburg - er feiert 20-jähriges Jubiläum mit seiner Dirigentin Hildegund Müller -, der Chor der Kreisgruppe Ingolstadt, der mit Ludwig Seiverth auch im Ausland (Österreich, Italien, Ungarn, Schweiz) aufgetreten ist; hier sang er das volkstümliche Lied "Als Freunde kamen wir"; und weiter, in der Reihenfolge ihres Auftretens: der Singkreis der Kreisgruppe Karlsfeld/Dachau (Leitung: Karl Wellmann), der Michael Alberts "Deiner Sprache, deiner Sitte bleibe treu" und das an diesem Nachmittag zweimal dargebotene Mundartlied "Sangtichsklok" zu Gehör brachte; der Singkreis aus Neuburg an der Donau (Leitung: Rolf Scheiner) mit drei Liedern in recht schwierigem Satz; der Chor aus Schweinfurt, den Mitbegründerin Irmgard Radler leitet und der zehn Jahre besteht; schließlich als zweiter Gastgeberchor jener aus Fürth (Leitung: Reinhold Schneider) mit "De Astern", "Ave Glöcklein" und "Old Long Syne" (deutsch: „wo Freunde auseinander gehn").

Die Bühne konnte beim Schlussbild nicht alle 300 Aktiven fassen. Grete Fredel, die den Riesenchor mit dem bekannten, von ihrer Mutter komponierten "Wängert Liedchen" zu dirigieren hatte, musste mit ihrem Podium weit in den Publikumsraum zurückweichen. Ganz vorne standen zum lebendigen Beweis, dass sie die Stafette übernehmen: Bettina und Lysander, Simon und Bernhard, Jürgen und Bruno, Christine und Andrea, noch eine Christine, Carolin, Peter und Corinna, Stefanie und Dagmar. Sie kommen aus Fürth und Oberasbach, aus Nürnberg, Schwabach und Herzogenaurach, sind alle noch Teenager und fein säuberlich in sächsischer Tracht. Dagmar Hutter (18) hat übrigens das ganze Programm geschickt moderiert.

Kaffee und Kuchen hat die gastgebende Kreisgruppe gespendet. Es gab Buchgeschenke für Ehrengäste, für Jubiläumschöre und Urkunden für die Chorleiter. Die Kreisgruppe Nürnberg der Banater Schwaben, mit welcher eine gute Zusammenarbeit gepflegt wird, war durch ihre Vorsitzende, Helmine Buchsbaum vertreten. Bei der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung München freut man sich, dieses sehr gelungene Musiktreffen volkstümlicher Art mit gefördert zu haben. Zum Ausklang gab es Tanz bis 22 Uhr.

"Als Freunde kamen wir(...). Als Freunde gehen wir (...) Und jeder soll wissen, er ist nicht allein", haben die Siebenbürger aus Ingolstadt gesungen. "Heimat ist dort, wo wir gemeinsam unterwegs sind", sagt der Mitinitiator Horst Göbbel. Dass dem so ist, dafür gebührt in diesem Fall vor allem der veranstaltenden Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft herzlicher Dank. Es war ein schönes Fest, ein selten schönes Fest.

Ewalt Zweyer


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 17 vom 31. Oktober 2003, Seite 10)

Fotodokumentation Sängerfest Schwabach 2003

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