27. Oktober 2003

Florescus zweiter Roman bei Pendo

Der der Haupt- bzw. Antiheld der beharrlichen Suche nach der Heimat, den Catalin Dorian Florescu in seinem zweiten Roman "Der kurze Weg nach Hause" im Pendo Verlag Zürich unternimmt, heißt Ovidiu Bajenaru. Wer denkt da nicht gleich an den ans Schwarze Meer verbannten Dichter Ovid, zumal der Roman genau an einem Badeort an der Küste beginnt?
Hinzu kommt, dass "bajenar" im alteten Rumänisch Flüchtling heißt. Doch das sei eher die falsche Fährte, so der Autor Florescu, handele es sich hierbei bloß um eine kleine Reverenz an einen Kinderbuchautor, dessen Buch er als einziges mit ins Schweizer Exil genommen hatte. Nicht "schubladisiert" werden will der gebürtige Temeschburger und Wahl-Zürcher, der sich - „vom Bauch heraus“ - zwar als Rumäne, sonst aber als deutschsprachiger Schriftsteller versteht. Und dessen Schildmütze nun bald zum Markenzeichen mutiert, nachdem sein erster Roman „Wunderzeit“ so gut bei Kritik und Juroren angekommen ist. Erst kürzlich wurde Florescu mit dem Anna-Seghers-Preis 2003 für deutschsprachige Literatur ausgezeichnet.

Der zweite Roman ist eine Folge des ersten, in dem der mittlerweile jugendliche Antagonist zum ersten Mal zurück nach Hause fährt. Der kurze Weg wird aber zum langen (Um)Weg, vor allem da es um einen so irritierenden Begriff wie „Zuhause“ geht. Ovidiu ist wie Florescu auch in jungen Jahren aus Rumänien ausgewandert, lebt nun in Zürich. Wurzelloser Ganove in der Metropole, sucht er seinen Grund, weshalb er weggegangen ist, weil er in Zürich nur zwischen Haschisch und Langeweile wählen kann. Er sucht diesen Grund, indem er zurückkehrt. Hals über Kopf und voll bepackt mit Geschenken reist er seinem einzigen Freund aus dem Exil hinterher, Luca, einem Italiener und er findet ihn – steckengeblieben in Budapest. Dieses Buch ist auch eines über die Freundschaft, die zu Ende geht. Nun ist es aber auch ein Buch über Sinnlichkeit und Liebe, wenn sich der in Budapest gestrandete Ovid sich von der ungarischen Zsófia umgarnen lässt.

Eng verwoben sind bei Florescu Buch und Realität, einige Freunde sind im Buch namentlich erwähnt. Lustvoll und direkt wirkt der Erzählton, stellenweise sogar flapsig, sachlich und jugendlich. Verloren ging die gewisse Leichtigkeit aus der „Wunderzeit“, Florescus erstem Roman. Der kurze Weg nach Hause klingt viel nostalgischer und ernster. Aber auch hier ist Sprache schön, beispielsweise wenn ein „Ganove“ einer ist, der noch nicht seinen Platz auf dieser Welt gefunden hat, der heimkehrt, „an den Ort (...), aus dem ich neun Jahre zuvor geschlüpft war“. Und da ist die Sprache weise. Kann man denn aus einem Ort schlüpfen? Oder nur aus einem Mutterleib? Kann man denn einer Zeit oder gewissen Umständen entfliehen, ohne dass sie einen einholen? Florescus Ovidiu kehrt an seinen Heimatort zurück, um sein „Zuhause“ zu suchen. Auf der Strecke bleibt dabei die Freundschaft mit Luca.

Edith Ottschofski


Catalin Dorian Florescu, Der kurze Weg nach Hause, Pendo Verlag, Zürich, München, 2002, gebunden, 280 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 3-85842-476-5.
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Der kurze Weg nach Hause
Catalin D Florescu
Der kurze Weg nach Hause

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