10. November 2003

Begegnungszentrum "Friedrich Teutsch" in Hermannstadt eröffnet

Als sich die Gemeindeglieder geschlossen nach dem Gottesdienst und an der Spitze mit dem Bischof, dem Stadtpfarrer sowie anderen kirchlichen und weltlichen Würdenträgern am 18. Sonntag nach Trinitatis aus der evangelischen Stadtpfarrkirche von Hermannstadt über die ehemalige Fleischergasse in Richtung Johanniskirche in Bewegung setzten, wunderte sich ein Passant: "Ob die Sachsen wohl heute gemeinsam zu den Urnen schreiten?" Man schrieb den 19. Oktober: Der zweite Tag des Referendums in Rumänien war angesagt, und in vielen orthodoxen Gotteshäusern hatten Priester und Popen ihre Gläubigen aufgefordert, nach der Aussegnung die Wahllokale aufzusuchen und für die neue Verfassung zu stimmen.
Das war aber hier nicht der Fall. Vielmehr stand die Begegnung als Schlüsselwort eingangs in der Festpredigt von Oberkirchenrat Rainer Rinne und dann beim Treffen im Foyer des ehemaligen Waisenhauses als Kern- und Angelpunkt der gesamten Veranstaltung an diesem "Freudentag für unsere Kirche und unsere Stadt" (Bischof Christoph Klein). Denn an diesem Tag wurde das Begegnungs- und Kulturzentrum "Friedrich Teutsch" in der ehemaligen Hechtgasse auf dem einstigen Soldisch-Grund eröffnet. Und das war der Anlass dieser Begegnung zunächst unter Initiatoren wie Sponsoren, unter wohlwollenden Freunden und Begleitern dieses Hauses, wo künftig aber auch Angehörige verschiedener Ethnien und Konfessionen der "siebenbürgischen Kultur begegnen werden". Denn dies sei eine neue Pflanzstätte "voll gestopft bis unter das Dach mit Geschichte und Tradition", so Oberkirchenrat Rinne. Noch mehr: "Es ist dies eines der ersten Gebäude, das unsere Gemeinschaft nach der kommunistischen Enteignung wieder übernommen hat", unterstrich Bürgermeister und DFDR-Vorsitzender Klaus Johannis. Und übernommen habe man sinngemäß nicht nur den einstigen Besitz, sondern auch einen Teil unsere Geschichte, so Johannis.

Rundgang durch die vorläufige Ausstellung und die zukünftigen Räume des Museums im Friedrich-Teutsch-Haus in Hermannstadt, von links nach rechts: Dr. Gudrun-Liane Ittu (Museumsleiterin), Bischof Christoph Klein, Botschafter Wilfried Gruber nebst Gattin sowie Ursula und Peter Adamek, Generalkonsul in Hermannstadt. Foto: Martin Eichler
Rundgang durch die vorläufige Ausstellung und die zukünftigen Räume des Museums im Friedrich-Teutsch-Haus in Hermannstadt, von links nach rechts: Dr. Gudrun-Liane Ittu (Museumsleiterin), Bischof Christoph Klein, Botschafter Wilfried Gruber nebst Gattin sowie Ursula und Peter Adamek, Generalkonsul in Hermannstadt. Foto: Martin Eichler

Obzwar vormals als "kulturelle Zentrale" der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien und mithin im Geiste ihrer Tradition gedacht, wird sie vermehrt auch unserer "nachhaltigen Öffnung gegenüber dem Umfeld" (Bischof Klein) Rechnung tragen und über "die Pflege der Identität zugleich die Integration der sächsischen Gemeinschaft" (BRD-Botschafter Wilfried Gruber) in dies Umfeld fördern, kurz: "eine Vorreiterrolle in den deutsch-rumänischen Beziehungen spielen", so Dr. Jürgen Martens im Namen der Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien.

Trotzdem mischte sich unter diesen Tag der Freude auch "Wehmut und Trauer" (Hanspeter Peterson, Abteilungsleiter beim Diakonischen Werk der EKD). Denn mit dem Exodus der Sachsen nach 1990 kam die Gefahr auf, dass die in den mittlerweile verlassenen Pfarrhäusern aufbewahrten Archive, vasa sacra oder anderen wertvolle Gerätschaften ebenso wie die in Kirchen vorhandenen Altäre, Orgeln, anatolische Teppiche, Glocken u.a.m. bedroht waren wie noch nie zuvor. Die Einrichtung einer Sammelstelle für diese Objekte rückte daher neben der geistlichen Betreuung und der diakonischen Aufgabe unserer Kirche sogleich an die dritte Stelle der Prioritäten "des Mitte 1990 neu gewählten und eingeführten Bischofs", heißt es in der Festschrift zu Eröffnung des Hermannstädter Teutsch-Hauses.

Seit 2000 entstand das Kulturzentrum nach und nach und verfügt zurzeit über eine Transsylvanica-Bibliothek und Archivabteilung im Erdgeschoss sowie Museumsräumlichkeiten samt Begegnungstrakt im Obergeschoss - übrigens 70 Jahre nach dem Tod des Namensgebers und 120 Jahre nach der Erbauung des evangelischen Waisenhauses neben der Johanniskirche.

Doch auch von mehreren Glücksfällen war an diesem Tag die Rede. So hatte Dr. Wolfram Theilemann als promovierter Historiker bereits 1994 die Arbeiten im Bischofspalais an dem künftigen Archiv und der Bibliothek aufgenommen. Heute ist der Gatte einer aus Siebenbürgen stammenden Theologin der Leiter des Teutsch-Hauses. 2001 konnte man die Diplom-Archivarin Liliana Popa zur Mitarbeit in diesem Bereich gewinnen, für 2004 hat auch die emeritierte und langjährige Leiterin des Hermannstädter Staatsarchivs, Monica Vlaicu, ihre Mitarbeit zugesagt. Konzeptionshilfe und Unterstützung erhielt man ferner vom Siebenbürgen-Instiut aus Gundelsheim am Neckar und seinem Geschäftsführer Dr. Harald Roth, der auch über den "Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde" und dessen derzeitigen Vorsitzenden Dr. Ulrich Wien ein Projekt der Volkswagenstiftung betrieben hatte, wobei man u.a. 155 siebenbürgisch-sächsische Archive unserer Gemeinden mittlerweile aufgearbeitet hat. Die Archivabteilung sieht demnach "einer verheißungsvollen Zukunft entgegen", auch wenn vom Arbeitskreis eine andere Botschaft bei diesem Festakt verlesen wurde. Fest steht jedoch: "Mit ihrem Depot von rund 300 Quadratmetern Fußbodenfläche sowie den Bibliotheks-, Arbeits- und Leseräumen wird sie eine der wichtigsten Institutionen dieser Art in unserer Stadt und darüber hinaus im gemeinsamen Umfeld sein", vermerkt die Festschrift.

Und weiter vermerkt werden die Vorleistungen an Sammel-, Ordnungs- und Aufbauarbeit von Dr. Gerhard Schullerus, Dr. Lore Poelchau oder Dr. Cornelia Schlarb sowie die Bemühungen der Bezirke Hermannstadt (in Großau), Kronstadt (in Tartlau), Mediasch, Schäßburg und Mühlbach schon 1990 um die Rettung wertvoller Kulturgüter. Ein Teil davon wurde nun bei der Eröffnung des Teutsch-Hauses im Museum gezeigt, darunter ein orientalischer Teppich aus Baaßen, die Fahne der evangelischen Bruderschaft aus Hahnbach, ein Glockenspiel aus Kirtsch, die Glocke aus Hundertbücheln, ein Altarbild aus der gleichen Gemeinde am oberen Harbach und weitere Altarplastiken, zudem mehrere Taufbecken, eine Sammlung von Abendmahlkelchen, Bibeln, Kirchenordnungen und Gesangbüchern sowie, als ausgefallenes Kleinod, Familienbilder des ehemaligen Waisenhauszöglings Johann Depner (geboren 1911), die von seinen Verwandten um Shirley Taylor (heute in Washington lebend) dem Museum zur Verfügung gestellt wurden.

Ihnen allen, vor allem dem Bundesministerium des Inneren, das von 2001 bis 2003 über das Bundesverwaltungsamt und das Diakonische Werk der EKD erhebliche Mittel zur Realisierung dieses Projekts zur Verfügung gestellt hat, dankte das Kirchenoberhaupt ebenso wie rund 30 weiteren Institutionen, Sponsoren und Vermittlern von finanziellen und Sachspenden zur Sanierung und Ausstattung des Begegnungs- und Kulturzentrums "Friedrich Teutsch".

Martin Ohnweiler


(gedruckte Ausgabe: siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2003, Seite 3)

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