4. Dezember 2003

Lehrerin mit Herz und Verstand

Dass Rosemarie Heinz im Jahr 2003 in Ratingen bei Düsseldorf ihr 25-jähriges Jubiläum als Unternehmerin feiern würde, war ihr wirklich nicht in die Wiege gelegt. 2 000 Kilometer entfernt, in Talmesch bei Hermannstadt, wurde sie als Rosemarie Armbruster geboren. Kindheit, Jugend und die ersten Berufsjahre verbrachte sie in Rumänien. 1976 wanderte sie aus, und kaum zwei Jahre später hatte sie den Mut, die größte Herausforderung des eigentlich fremden marktwirtschaftlichen Systems anzunehmen: Sie machte sich selbstständig, und das mit drei kleinen Kindern. Jetzt existiert ihr Sprach-Centrum Ratingen seit 25 Jahren, und wie am ersten Tag "blühe ich auf, wenn ich unterrichten kann", sagt sie.
Ihre Jubiläumsfeier war ein Paradebeispiel für gelungenes Multikulti. Rund 100 Gäste aus 23 Nationen tummelten sich in den Räumen ihrer Sprachschule, vom Topmanager bis zum Straßenmusikanten. Rosemarie Heinz hat im Laufe ihrer beruflichen Laufbahn viele interessante Menschen kennen gelernt. Auch die Foto-Galerie an einer Wand ihrer Schule zeigt sie in internationaler Gesellschaft – und zwar nicht nur in ihrer Schule, sondern an unterschiedlichsten Orten in der ganzen Welt, wohin sie immer wieder eingeladen wird. Und wenn sie den Karton mit den zahllosen Postkarten von Schülern aus aller Herren Länder auspackt, dann sieht es aus, als würde sie immer noch ein wenig darüber staunen, wohin sie ihr Weg aus dem einst hermetisch abgeschlossenen Rumänien geführt hat.

Dabei hätte sie auch in Bukarest Karriere machen können – freilich eine, die sie nicht wollte. Die Siebenbürger Sächsin besuchte zunächst die deutsche Grundschule in Talmesch, anschließend das Gymnasium im Ursulinenkloster in Hermannstadt. Es folgte das Germanistikstudium an der pädagogischen Hochschule in Bukarest.



Die Unternehmerin Rosemarie Heinz beim 25-jährigen Jubiläum ihres Sprach-Centums.
Die Unternehmerin Rosemarie Heinz beim 25-jährigen Jubiläum ihres Sprach-Centums.
Die Lehre lag in der Familie. „Meine Mutter war eine geborene und überzeugte Pädagogin“, sagt Rosemarie Heinz. Und auch das Vorbild ihrer Lehrer in Siebenbürgen hat sie angespornt, diesen Beruf zu wählen. Sie nennt da vor allem ihre Lehrerin in Talmesch. „Noch heute ist es mir ein Bedürfnis, Frau Gehl meinen Respekt und Dank für die unter schwersten Bedingungen geleistete Arbeit an Generationen von Kindern auszusprechen“, sagt Rosemarie Heinz. Bereits mit 21 Jahren hatte sie selbst die erste Gelegenheit, sich in der Praxis zu bewähren – und auch nicht gerade unter einfachen Bedingungen. Sie wurde Dorflehrerin in Waldhütten, einem kleinen, abgelegenen Dorf bei Birthälm, sechs Kilometer Fußweg zum nächsten Bahnhof. Ein Jahr blieb sie dort und hinterließ mit Neuerungen wie etwa einer Theatergruppe ihre Spuren.

Danach beendete sie ihr Studium mit einem guten Notendurchschnitt, was im rumänischen System bedeutete, dass sie ersten Zugriff auf eine freie Arbeitsstelle hatte. Sie entschied sich zunächst für den Journalismus und wurde Redakteurin beim „Neuen Weg“. Dort betreute sie vor allem die „Raketenpost“ für junge Leser. „Ich war Fritzchen Wanderer“, sagt sie augenzwinkernd. In der Redaktion lernte sie ihren späteren Mann Franz Heinz kennen, der es inzwischen als Autor auch in seiner neuen rheinischen Heimat zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hat.

Nach drei Jahren zog es Rosemarie Heinz aber wieder zum Unterricht. Sie wurde Deutsch-Dozentin an der Uni Bukarest. Es ging ihnen gut, sie waren privilegiert, „wir hatten sogar zwei Autos“, erzählt Rosemarie Heinz. Im Rumänien der 70er Jahre war das eine Rarität.

Doch dann trafen sie und ihr Mann eine folgenschwere Entscheidung. Weil die Unterdrückung durch das Ceausescu-Regime immer unerträglicher wurde, beantragten sie die Ausreise nach Deutschland. Sofort verloren beide ihre Arbeitsstelle, und weil es im kommunistischen System Rumäniens offiziell keine Arbeitslosen gab, bekamen sie auch keine Arbeitslosenunterstützung. Sie waren nicht einmal krankenversichert. „Wir lebten praktisch außerhalb der Gesetze“, sagt Rosemarie Heinz.

Ihr Überleben wurde im Grunde nur durch die längste blühende Schattenwirtschaft ermöglicht. Wo fast alles ohnehin auf verschlungenen Wegen „organisiert“ werden muss, verliert die Legalität an Wert. So schlug sich auch Rosemarie Heinz mit ihrer Familie durch. Dass sie sich allerdings die medizinische Versorgung bei der Geburt ihrer jüngsten Tochter unter der Hand sichern musste, war aber selbst in Rumänien ungewöhnlich.

Drei Jahre dauerte dieser Zustand, dann konnte die Familie ausreisen. Sie landete gleich in Ratingen, wo Rosemarie Heinz’ Bruder lebte. Mit ihrer fundierten Ausbildung fand sie schnell Arbeit als Dozentin beim Carl-Duisberg-Zentrum, wo sie ausländische Führungskräfte in Deutsch unterrichtete. „Anfangs hatte ich ein paar Komplexe, weil mir einiges fremd war und ich es nicht beherrschte“, erinnert sie sich. Doch die legte sie schnell ab, und bald traute sie sich zu, eine Schule besser zu führen, als sie es kennen gelernt hatte.

Die Rahmenbedingungen für eine Existenzgründung waren günstig. 1978 bot in Ratingen nur die Volkshochschule Sprachkurse an. Und der Bedarf stieg, Ratingen blühte als Wirtschaftsstandort auf. Von Anfang an waren internationale Unternehmen die Basis ihres geschäftlichen Erfolgs. Ausländische Manager, die in ihren Ratinger Niederlassungen tätig waren, lernen bei Rosemarie Heinz Deutsch. „Mein erster Schüler war der Chef von Readymix, einem großen britischen Baustoffkonzern“, erzählt sie.

In der Folgezeit entwickelten sich langjährige Beziehungen zu einzelnen Firmen. Rosemarie Heinz hebt da besonders den japanischen Konzern NGK und die Warenhauskette WalMart hervor. In der WalMart-Deutschland-Zentrale in Wuppertal verbringt Rosemarie Heinz zurzeit den Großteil ihrer Arbeitszeit. Aber auf ihrer Referenzliste findet man weitere namhafte Unternehmen wie Nokia, Coca-Cola, Daimler-Benz, um nur einige zu nennen. Das Sprach-Centrum Ratingen beschäftigt auch Lehrkräfte für die wichtigsten europäischen Fremdsprachen.

Eine erfolgreiche und freundschaftliche Zusammenarbeit verbinde sie mit ihren Kunden, darauf legt Rosemarie Heinz großen Wert. Das gelte nicht nur für die Manager, sondern auch für die Privatschüler. Nicht selten werde sie von diesen ins Vertrauen gezogen und versuche zu helfen, wo sie kann. „Ein Lehrer“, findet sie, „muss mit Begeisterung und Liebe bei der Sache sein. Er muss sich seinen Schülern kompetent, aber auch mit Interesse zuwenden. Dieser Beruf ist mehr als ein Job.“

Egon Schuster


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung: Folge 19 vom 30. November 2003, Seite 4)

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