8. Dezember 2003

Auf den Spuren "transylvanischer" Vampire

November ... ein Monat, dessen Beginn bereits dem Totengedenken gewidmet ist und an dessen Vorabend das aus der Neuen Welt übernommene Grusel- und Spukfest "Halloween" auch hierzulande mittlerweile gefeiert wird. "All Hallows Eve" (die Nacht der Toten), wonach die Tore zur "Anderswelt" in dieser Nacht besonders durchlässig sein sollen ...
So war es in der Einladung zum Landeskundeseminar "Vampire, Untote und andere transylvanische Mysterien" zu lesen, das rund zwei Dutzend Interessenten neugierig machte, sich ins mittelalterliche Rothenburg ob der Tauber auf die Spuren dieser Mythen zu begeben. Zum Seminar hatten die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) und Studium Transylvanicum für das erste Adventswochenende gemeinsam eingeladen. Dem Seminarmotto passte sich auch das Wetter mit trüb-trist-regnerisch-kaltem Wetter an.

In mehreren Vorträgen wurden verschiedene, sich ergänzende Aspekte zum Motto des Seminars beleuchtet. Dr. Meinolf Arens, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ungarischen Institut München, nahm in seinem Referat „Vlad Țepeș und Siebenbürgen“ den Dracula-Mythos um den walachischen Woiwoden gründlich auseinander. Manch einer der Zuhörer war enttäuscht zu erfahren, dass Vlad „der Pfähler“ nicht mehr und nicht weniger grausam war als viele seiner Zeitgenossen. An der Entstehung des Mythos hatten auch die Siebenbürger Sachsen mitgewirkt, die den Woiwoden wegen seiner Überfälle in die Hermannstädter und Kronstädter Gegend in Flugblättern zum blutrünstigen und grausamen Herrscher schlechthin hochstilisierten und bekannt machten.

Unter den Titel „Kulturhistorisches Potpourri – rund ums Blut“ stellte Dr. Robert Offner, Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin Bayreuth des BRK-Blutspendedienstes, seinen hervorragend präsentierten Vortrag spannte. Er spannte den Bogen durch die Kulturgeschichte ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Blut spielte bei allen Zivilisationen eine bedeutende Rolle, da das lebenserhaltende Elixier überall mit Kraft, Jugend und Leben verbunden wurde. Von den Pharaonen über die alten Griechen und Römer führte der Weg zunächst bis zur Heiligen Schrift, die die Verbindung zwischen Blut und Leben ausdrücklich hervorhebt. Im Mittelalter galt das Trinken von Blut ebenso wie das „Blut-Bad“ als lebensverlängernd, mit Aderlass beispielsweise wurde gut Geld verdient. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden die ersten Bluttransfusionen von Tier zu Tier durchgeführt, 1818 folgte in England die erste Bluttransfusion von Mensch zu Mensch. Seit 1901 auch die Blutgruppen entdeckt wurden, gehöre die Bluttransfusion zur medizinischen Versorgung. So plädierte Dr. Offner zum Abschluss seines Referates für die freiwilligen Blutspenden, ein Gut, das Leben retten könne.

Über „Quellen der sogenannten siebenbürgischen Vampirkrankheit des 18. Jahrhunderts“ referierte Dr. László András Magyar, stellvertretender Direktor der Budapester Semmelweis-Bibliothek für Medizingeschichte. Nach einer kurzen Geschichte des Vampirglauben, der uralte Wurzeln hat, widmete sich Dr. Magyar den Vorkommnissen im östlichen Teil des Habsburgerreiches, die sich im 18. Jahrhundert häuften, so dass der Wiener Hof 1755 eine Resolution erließ, die den Vampirglauben als Aberglauben abstempelte. Zu erwähnen ist, dass der Vampirglauben größtenteils bei der rumänischen und serbischen Bevölkerung, weniger aber bei den Ungarn und Siebenbürger Sachsen verbreitet war.

Um viel Blut ging es auch im zweiten Vortrag von Dr. Meinolf Arens, der „Elisabeth Báthory – Grauensfigur der Karpaten“ gewidmet war. Die ungarische Adlige, die zwischen 1560 und 1614 in Oberungarn (heutige Slowakei) lebte, war Hauptfigur eines historischen Kriminalfalles zwischen 1604 und 1610. Laut Prozessakten soll sie mindestens 100 bis 200, Schätzungen zufolge sogar bis zu 600 junge Frauen getötet haben, um in deren Blut zu baden, von dem sie sich Verjüngung erhoffte.

Das Seminar rundete Dr. Irmgard Sedler, Leiterin der Museen der Stadt Kornwestheim, mit einem Vortrag über „Aberglauben – Rituale gegen die Angst in der vorindustriellen Gesellschaft Siebenbürgens“ ab. Sachsen und Rumänen waren und seien teils auch heute noch von Aberglauben betroffen, der ebenso christliche wie heidnische Elemente in sich vereine, sagte die Volkskundlerin. Eine große Rolle spielten im Volksglauben daher auch evangelische und orthodoxe Pfarrer. Von den Hexenverbrennungen in Siebenbürgen führte der Weg in die Elemente des Volksglaubens in der „modernen“ Zeit wie „Bäschmotter“, „Truden“, „Muerlef“ und ihren rumänischen Gegenstücken. Sehr interessant und teilweise auch amüsant waren die vorgetragenen Beispiele aus der Feldforschung in den 1970er Jahren, die von Vorbeugemaßnahmen vor der Geburt, Geburt und Taufe, Kindstausch bis zum „bösen Blick“ hin reichten.

Aufgelockert wurde das Seminar mit einer Führung durch das Mittelalterliche Kriminalmuseum von Rothenburg, dem einzigen Rechtskundemuseum im europäischen Raum. Dargestellt werden hier mittelalterliche Strafprozesse, Folterinstrumente und Geräte zum Vollzug von Leibes- und Lebensstrafen. Nicht fehlen durften gleich mehrere Besuches des romantischen Weihnachtsmarktes in der fränkischen Touristenattraktion.

Einen Hörfunkbeitrag über die Tagung (ausgestrahlt am 2. Dezember im Deutschlandfunk) produzierte der Journalist Thomas Wagner. Ein herzlicher Dank für die Organisation und Moderation geht an Inge Knoll und Gerald Volkmer, die beide für das gute Gelingen des Wochenendes verantwortlich waren.

Rainer Lehni

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