17. Dezember 2003

4. Theaterleiterseminar mit Hanns Schuschnig

Leiter siebenbürgisch-sächsischer Theatergruppen und weitere in der Theaterarbeit aktive Landsleute trafen sich auf Einladung des Bundeskulturreferates der Landsmannschaft zum 4. Seminar im Bruder Klaus Heim in Violau nahe Augsburg. Bei den vorangegangenen Seminaren stand die Schauspielerführung im Vordergrund. Diesmal widmete man sich vom 14. bis 16 November unter der Leitung von Hanns Schuschnig allgemeinen Grundlagen der Regiearbeit sowie Fragen des Repertoires.
Schon im Vorfeld des vom Haus des Deutschen Ostens München geförderten Seminars hat sich gezeigt, dass in unseren Kreisen das Theater lebendig ist: Einige potentielle Teilnehmer traten mit ihren Ensembles auf und ließen sich entschuldigen, andere wiederum nahmen daran teil, weil sie Theatergruppen neu gründen wollten. Insbesondere für Letztere war das Seminar äußerst hilfreich, und man kann ihnen nur wünschen, dass sie ihr Vorhaben erfolgreich umsetzen und die volle Unterstützung der Kreisgruppen vor Ort erhalten, sind doch die Theatergruppen wichtige Kerne, um die sich gesellschaftliches wie kulturelles Leben der Siebenbürger Sachsen entfalten.


Hanns Schuschnig, der kompetente und engagierte Seminarleiter. Foto: H.-W. Schuster
Hanns Schuschnig, der kompetente und engagierte Seminarleiter. Foto: H.-W. Schuster

Diese Besonderheit unserer Theatergruppen – sie spielen meist Mundartstücke und sehen eine ihrer Aufgaben in der Bewahrung siebenbürgisch-sächsischer Traditionen – stellte Hanns Schuschnig gleich zu Beginn in Frage. Theater, Schauspiel sei das nicht. Eher fühle er sich an ein Museum erinnert – museal seien Inhalte, Bühne, Charaktere vieler Stücke allerdings schon zu ihrer Entstehungszeit gewesen und hätten gewissermaßen das ausgehende 19. Jahrhundert konserviert – oder an ein Sanctuar, in dem gewissermaßen religiöse Rituale von Eingeweihten (Typen des 19. Jahrhunderts, die unnatürlich sprechen und sich bewegen) in heiligen Hallen (wer habe denn in solchen Stuben gewohnt, wie man sie auf der Bühne als Idealbild präsentiert?) vollzogen würden.

Es war eine gezielte Provokation, die aufrütteln und zum kritischen Hinterfragen führen sollte, aber kein revolutionärer Aufruf; dafür kennt Hanns Schuschnig, über Jahrzehnte Regisseur und Leiter der deutschen Abteilung am Staatstheater in Hermannstadt, die Siebenbürger Sachsen und ihr Theater denn doch zu gut. Außerdem vermittelte er eindringlich als Grundlage der Regiearbeit, das Publikum und dessen Erwartungen ebenso wie die Schauspieler und deren Potential bei der Auswahl der Stücke zu berücksichtigen. Gleichberechtigt stand aber seine Forderung, dass das Theater, um das Publikum anzusprechen, mit dem Leben heute zu tun haben müsse. Für die Theatergruppen ergebe sich als Zukunftsaufgabe, nicht nur das, was sie machen zu verbessern, sondern auch mal neue Inhalte in neuer Form zu wagen. Dass das nur selten geschieht, läge in erster Linie an fehlenden Mitstreitern, vor allem an Autoren, die Stücke schreiben, die im Hier und Heute spielen, und Themen ansprechen, die uns alle bewegen. Also liebe Autoren: Ist das nicht eine reizvolle Aufgabe? Unsere Theatergruppen würden sich über solche Stücke freuen, und sie könnten in den vom Bundeskulturreferat herausgegebenen Arbeitsmaterialien auch veröffentlicht werden.

Damit wäre gewissermaßen der Übergang zu dem Themenkomplex Repertoire gegeben. Sollen aber vier Seminarblöcke so verkürzt wiedergegeben werden? Soll nicht berichtet werden, dass im Theater der Schaupieler im Zentrum steht, dass er es ist, der dem Papier Leben einhaucht? Dass demgegenüber dem Regisseur die Hebammenrolle zukommt, dass er aufpasst, dass dem Kind und der Mutter nichts passiert, dass alles läuft und die Geburt gelingt? Dass der Regisseur/die Hebamme aber auch selber schwanger geht, lange bevor die ersten konkreten Schritte für ein neues Projekt getan werden? Was alles zwischen diesem Schwangergehen und der Premiere zu beachten und zu tun ist, würde dann doch zu weit führen. Denn Hanns Schuschnig hat sich bereit erklärt, diese theoretischen Grundlagen schriftlich zusammenzufassen, so dass sie allen Theatergruppenleitern zugute kommt. Die praktische Umsetzung anhand des Stückes „Das Wetttränen oder Streitfall Augensalbe (Det Ärfstäck). Ein kleinkariertes Lustspiel mit Zerren und Zähren von Walther Gottfried Seidner“ – es erscheint als Arbeitsmappe 6 des Bundeskulturreferates – sowie anhand zweier Sketche kam allerdings nur den Anwesenden zugute.

Dem Repertoire als zweitem Schwerpunkt des Seminars widmete man sich in einer Arbeitsgruppe und einem Referat. Auf der Basis der von Oswald Kessler und Hans-Werner Schuster geleisteten Vorarbeit wurde der Zwischenstand des Verzeichnisses siebenbürgisch-sächsischer Bühnenstücke durchgearbeitet und die Aufgaben zu dessen Vervollständigung verteilt. Einen gewichtigen Beitrag dazu hatte Wolfgang Gerhard Binder schon im Vorfeld geleistet. In seinem Referat stellte er die vielseitige Künstlerin und Schriftstellerin Frieda Binder(-Radler) vor, deren Nachlass er gesammelt und gesichtet hat und seit 2000 auch veröffentlicht. Den Schwerpunkt legte er dabei auf die 21 Theaterstücke, die bei den Anwesenden auch reißenden Absatz fanden.

Die Frage des Repertoires streifte auch Franz Kattesch, Leiter der deutschen Abteilung des Radu-Stanca-Theaters in Hermannstadt, in seinem Referat über die gegenwärtige Situation des Theaters in Siebenbürgen. Obwohl er immer wieder betonte, dass es sich beim Hermannstädter Theater um deutsch gesprochenes Theater handelt, das primär deutsche Kultur vermittelt, ist eines der wichtigsten Zukunftsvorhaben die Erarbeitung eines Stückes, das siebenbürgisch-sächsische Geschichte und Kultur zum Inhalt haben soll und das Wissen darum sowie die darin enthaltenen Werte vermitteln will. Das ist nach dem Tief Mitte der 90er Jahre nur ein erfreulicher Aspekt einer positiven Entwicklung, die nicht nur das professionelle Theater betrifft, sondern auch das Laientheater, das insbesondere an den Schulen eine neue Blüte erlebt.

Selbstverständlich gab es dazu, wie auch zu den anderen Programmpunkten angeregte Diskussionen. Es gab vielseitigen Erfahrungsaustausch und Anregungen, sei es bei begleitenden Programmpunkten, wie der Präsentation von Theateraufführungen auf Videofilm, sei es beim gemütlichen Miteinander in einem gastfreundlichen und von den Musen geküssten Haus. So konnte jeder Teilnehmer nicht nur viel Neues und Nützliches an Wissen, Kenntnis und Erfahrung mit heimnehmen, sondern auch das gute Gefühl, einer Gemeinschaft Gleichgesinnter anzugehören, die ihm jederzeit mit Rat und Tat zur Seite steht.

H-W



(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2003, Seite 6)

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