30. Mai 2001

Heimattag 2001: Zeichen des Gemeinsinns und Brückenschlags

Mit seinem Motto: „50 Jahre Heimattage der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl: Zusammenhalt üben – Partnerschaft stiften“ will das diesjährige Pfingsttreffen ein Zeichen setzen des überlieferten Gemeinsinns, den sich die einst im Karpatenbogen ansässig gewordenen, inzwischen mehrheitlich ins Mutterland zurückgekehrten deutschen Siedler über Generationen hinweg bis heute bewahrt haben, und zugleich deutlich machen, dass sie aus der Erfahrung ihres jahrhundertelangen Mittlertums zwischen Ost und West fähig und willens sind, im zusammenwachsenden Europa dem partnerschaftlichem Dialog und Brückenschlag zu dienen. Dafür steht nicht zuletzt die Tatsache, dass Günter Verheugen, EU-Kommissar für Osterweiterung in Brüssel, Ehrengast und, neben dem landsmannschaftlichen Bundesvorsitzenden Volker E. Dürr und dem Aussiedlerbeauftragten der baden-württembergischen Landsregierung, Heribert Rech, einer der Festredner auf dem Heimattag ist.
Seit 1951 werden in Dinkelsbühl die Heimattage der Siebenbürger Sachsen veranstaltet, dort fanden sie mit zwei Ausnahmen, 1952 in Rothenburg ob der Tauber und 1966 im oberösterreichischen Wels, seither statt. Im Bewusstsein ihrer Teilnehmer waren sie stets Symbol des grupppenspezifischen Zusammenhalts und sind es zweifellos heute noch.
Bereits der erste der Heimattage diente zu Pfingsten 1951 solchem Sinn und Zweck, nämlich die nach Krieg und Deportation in unübersichtlicher Zerstreuung hier in der Bundesrepublik gestrandeten Landsleute zusammenzuführen, den Informationsaustausch über den Verbleib Einzelner oder ganzer Familien zu ermöglichen, für Jahre abgerissene Kontakte wieder herzustellen, der auseinandergerissenen „Gruppe“ zu neuer Geschlossenheit zu verhelfen, den Gemeinsinn ihrer Mitglieder neu zu wecken, ihn unter gewandelten und wie nie zuvor schwierigen Verhältnissen praktizierbar zu machen.
In den Folgejahren wurden die Heimattage zudem mehr und mehr Anlass, diese neue Geschlossenheit, den Zusammenhalt also, auch nach außen hin darzustellen: Die Treffen in Dinkelsbühl wurden zu Demonstrationen siebenbürgischer Identität und damit nach innen, in die Gruppe hinein, zu einem wichtigen Mittel der Identitätsstiftung, des kollektiven Selbstverständnisses in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem es sich zu bewähren galt.
Man hat also in Dinkelsbühl fünf Jahrzehnte lang Zusammenhalt in vielen Richtungen geübt und sollte es auch heute und morgen noch tun in einer Welt zunehmender Individualisierung, fortschreitender Vereinzelung, gar Vereinsamung. Gemeinsinn kann Schutz dagegen bieten, kann Sicherheit verleihen und Geborgenheit schenken, sehr ähnlich wie das früher im Siedlungsgebeit in der Tradition etwa der Nachbarschaften lag, wo man einander zur Hand ging beim Hausbau oder nach Notfällen, wo man gemeinsam feierte oder trauerte.
Doch das Leitwort des diesjährigen Heimattages will in seinem zweiten Teil eine zusätzliche Sinnhinsicht eröffnen. Als „hospites“, als Gäste, und keineswegs als „Eroberer“ ins Siedlungsgebiet gerufen, sollten die deutschen Kolonisten dort von Anfang an Mittler sein, hatten, wie man heute sagen würde: wirtschaftliches und kulturelles „Know-how“ abzuliefern. Nie hätten sie überleben können, wenn sie das nicht umsichtig und rücksichtsvoll getan hätten, mit diplomatischer Klugheit und einem gerüttelt Maß an interethnischer Toleranz, wobei durchaus nicht bloß ein Geben, sondern auch ein Nehmen vonstatten ging. Dass auch Ängste hochgekommen sind und daraus, namentlich in den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts, Überhebung erwachsen ist, gar Mitschuld an Verbrechen der Nazis, ändert nicht entscheidend dem im Grunde positiven Gang einer über 800-jährigen Geschichte, in der die Fähigkeit zu Partnerschaft und Brückenschlag kontinuierlich vorhanden war.
In solcher Tradition haben die ausgesiedelten Siebenbürger Sachsen und deren Landsmannschaft 1985 mit Dinkelsbühl, der gastlichen Stadt ihrer Heimattage, denn auch eine neue, den gewandelten Umständen ihrer Gruppenexistenz entsprechende Partnerschaft besiegelt, die fruchtbar und für beide Teile nutzbringend andauert. Und zudem hat der Verband, ebenfalls aus der historischen Erfahrung siebenbürgischen Mittlertums heraus und angesichts der Anforderungen, die heutige Entwicklungen und Ziele an Europa und die Europäer stellt, eine Partnerschaft auch zwischen Dinkelsbühl und Schäßburg angeregt, die, so hofft man, bei Gesprächen mit Gästen aus der siebenbürgischen Stadt während des Heimattags und der daran anschließenden Besuchreise Dinkelbühler Stadtverordneter nach Siebenbürgen möglicherweise ein Stück vorankommt. Auf diese Weise könnte das verwirklicht werden, was im Losungswort des Pfingsttreffens angepeilt ist: Partnerschaft stiften.
Ihm, dem Losungswort, sind weitere Veranstaltungen des Heimattages unterstellt. Sie lassen es auch in diesem Jahre nicht an Vielfältigkeit fehlen und reichen von Zusammenkünften zur politischen Willensbekundung über Feierstunden, volkskünstlerische Darbietungen mit dem traditionellen Trachtenumzug, Ausstellungen, einer Podiumsdiskussion bis hin zu Gelegenheiten, die sich anbieten für Begegnungen, Gespräche und geselliges Beisammensein. Die Gäste des Pfingsttreffens werden, auch bei unterschiedlichsten Wünschen und Ansprüchen, sicher auf ihre Kosten kommen.
(Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 31. Mai 2001, Seite 1)

Link: Das offizielle Programm des Heimattages in Dinkelsbühl

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