6. Februar 2004

Der Organist, Cembalist, Dirigent und Musikpädagoge Kurt Mild wurde 90

Die meisten siebenbürgischen Musiker aus Milds Generation ließen sich in den 1930er und 1940er Jahren in Deutschland nieder. Sie hatten zum Teil vor dem Zweiten Weltkrieg ihre berufliche Laufbahn in Siebenbürgen begonnen, suchten dann aber, teils von Kriegs- und Nachkriegsumständen veranlasst, aus dem Unbehagen und der Furcht heraus, nach der sowjetisch gesteuerten Machtergreifung durch die rumänischen Kommunisten ihre Tätigkeit im Dienste eines siebenbürgisch-sächsischen Musiklebens nicht mehr wie bis dahin ausüben zu können oder einfach in der Hoffnung, ein geeigneteres Umfeld und bessere Wirkungsmöglichkeiten zu finden ein neues Betätigungsfeld im westlichen Ausland.
Kurt Mild blieb in Siebenbürgen. So teilte er das Nachkriegsschicksal der deutschen Bevölkerung im kommunistischen Rumänien, teilte zunächst Entrechtung, Verfolgungen und Repressalien, später die zahllosen Bedrohungen, Behinderungen und Unzulänglichkeiten, den politischen und ideologischen Zwang, die Fesseln und Demütigungen der Unfreiheit und Isoliertheit. Dass Mild sich trotz widriger Verhältnisse und ohne zu Kreuze zu kriechen durchzusetzen vermochte, eine ungewöhnlich intensive und reiche interpretatorische und pädagogische Tätigkeit ausübte, die Möglichkeiten musikalischen Wirkens ausschöpfte und für die Beschäftigung mit Musiksparten kämpfte, die offiziell verpönt, geächtet und verboten waren wie die von den kommunistischen Organen so gefürchtete „religiöse Musik“, zählen wir zu Milds besonderen Verdiensten.


Kurt Mild zum 90.: Prosit und noch weitere musikalische Jahre! Foto: Privat
Kurt Mild zum 90.: Prosit und noch weitere musikalische Jahre! Foto: Privat

Zu seinen bleibenden und hauptsächlichen Meriten gehört die Tatsache, dass er gerade während dieser Zeit und gerade in Siebenbürgen und Rumänien eine empfindliche Lücke in der musikalischen Interpretation und Interpretationsweise geschlossen hat, neue Erkenntnisse, Prinzipien und Aufführungsmodalitäten vermittelte, einen ethischen und verantwortungsvollen Umgang mit dem Kunstwerk forderte und selbst eine Vielzahl von Kammermusikwerken, Kantaten, Vokalwerken und Barockopern zu rumänischen Erstaufführungen brachte und auch unbekannte und neue Orgelkompositionen aus der deutschen, der rumänischen und der Universalliteratur vorführte. Durch seine Konzerte, Vorträge und seine Arbeit mit Schülern und Musizierpartnern schuf er gewissermaßen eine Interpretationsschule, die nicht hoch genug einzuschätzen ist und der viele sächsische, rumänische und ungarische Künstler Grundlegendes verdanken, etwas, was ihnen eben in jener Zeit niemand sonst hätte vermitteln können. So konnten sich rumänische und aus Rumänien kommende Musiker auch in dieser einschlägigen Sparte auf der Höhe der Zeit erweisen.

Milds Lebensweg und Wirken ist also in gewissem Sinn als Opfergang zu betrachten und zu einem guten Teil als selbstloser künstlerischer Dienst. Für das siebenbürgische Publikum, die Musikliebhaber, Musiker, Musizierpartner und Schüler wiederum erwies er sich als glückliche Schicksalsfügung. Für Mild selbst wäre, wie für manche Landsleute vor ihm, eine glänzende und vor allem eine ruhige und erfülltere Karriere in Deutschland sicher gewesen, wenn der am 24. Januar 1914 im siebenbürgischen Leschkirch Geborene nach seinem außerordentlich erfolgreichen Studienabschluss (Orgel und Kirchenmusik) in Berlin geblieben wäre. Dort ist er sogleich als Solist des Kammerorchesters von Hans von Benda gefragt gewesen, hatte in ganz Deutschland gastiert und vom Berliner Rundfunkhaus den Auftrag erhalten, in der Eosanderkapelle des Charlottenburger Schlosses auf der berühmten Arp-Schnitger-Orgel das Gesamtorgelwerk von Johann Sebastian Bach vorzuführen und aufzunehmen. Hätte das ganze Projekt nicht wegen der beginnenden Bombenangriffe und der Auslagerung der Orgel abgebrochen werden müssen, wären wir jetzt im Besitz einer ersten Gesamteinspielung von Bachs Orgelwerk.

Mit „hätte“ und „wäre“ ist jedoch keine Musikgeschichte zu schreiben. Mild wurde 1940 Musikdirektor des Hermannstädter Musikvereins. Zusätzlich gründete er die „Brukenthalschen Museumsmusiken“. Bei Kapitulation, rumänischem Frontwechsel und Einmarsch der sowjetischen Truppen wurde sein erfolg- und einflussreiches Wirken als Initiator und Leiter von Oratorienaufführungen, von barocker und klassischer Orchester- und Kammermusik 1944 jäh unterbrochen. Nach erzwungener Auflösung aller deutscher Institutionen und Klangkörper, nach Verfolgung und Inhaftierung und nach einer Zeit des Hin- und Hergeschobenwerdens gelang es Mild 1955 ein Engagement als Chormeister an der Rumänischen Staatsoper in Klausenburg zu erhalten. Ein Jahr später berief ihn die Klausenburger Musikhochschule auf den Lehrstuhl für Orgel. Da erneute politische Verfolgung drohte - eine Reihe rumäniendeutscher Intellektueller, Schriftsteller, Geistlicher, Musiker und Studenten waren bereits zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden -, entschloss sich Mild auszureisen. Nach mehrfacher Intervention erhielt er 1970 die Ausreisegenehmigung. In Koblenz übernahm er die Stelle des Chordirektors am Stadttheater, in Koblenz-Lay gründete er die Sankt-Martin-Kantorei. Zwei Jahrzehnten lebte Mild im Ruhestand in Hillscheid, bevor er vor Jahresfrist zu seinem Sohn nach Seesen-Mechtshausen übersiedelte.

Musiker, Schüler, ein breites Publikum sind Mild zu Dank verpflichtet. Herzlicher Dank für sein so reiches und wertvolles Lebenswerk sei dem Jubilar auch von dieser Stelle gesagt. Wir wünschen ihm einen weiteren gesegneten Lebensabend in glücklichem Rückblick und in voller Gesundheit.

K. T.



Anmerkung der Redaktion


Umfassende Würdigungen und Daten zu Lebensweg und Wirken von Kurt Mild sind zu finden in der Karpatenrundschau vom 12. Juli 1968, der Siebenbürgischen Zeitung vom 15. Mai 1984, 31. März 1994 und 31. Januar 1998, der Neuen Kronstädter Zeitung vom 20. März 1998 sowie in Band III der jüngst im Gehann-Musikverlag in Kludenbach erschienenen Beiträge zur Musikgeschichte der Siebenbürger Sachsen von Karl Teutsch.

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