13. Juni 2001

Podiumsdiskussion: Siebenbürger als Brückenbauer

Die traditionelle Podiumsdiskussion in Dinkelsbühl war am Pfingstmontag dem Motto des diesjährigen Heimattages "Zusammenhalt üben – Partnerschaft stiften" gewidmet. Unter der Moderation von Rechtsanwalt Bernd B. Fabritius, stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft, sprachen sich alle Teilnehmer dafür aus, dass sich die Siebenbürger Sachsen von hüben und drüben als Katalysator in die ost-westlichen Partnerschaften einbringen sollten.
Die geringe Zahl der „noch“ in Siebenbürgen lebenden Deutschen sollte keinesfalls dazu verleiten, sie gering zu schätzen, betonte Ministerialrat Bruno Lischke, Referatsleiter in der Abteilung Vertriebene und Flüchtlinge des bayerischen Sozialministeriums. Vielmehr: Die deutsche Kultur und Minderheit in Rumänien sei ein großer Gewinn im Vergleich zu Partnerschaften mit anderen Ländern. Siebenbürgen sei eine wunderbare europäische Landschaft, sagte Lischke, und sprach die Vision eines unverkrampften Umganges mit der Region an: Ebenso wie auf Mallorca könnten Rentner eines Tages ihren Lebensabend dort verbringen.
Die angestrebte Städtepartnerschaft mit Dinkelsbühl stellte der Stadtpfarrer von Schäßburg, Hans Bruno Fröhlich, in den europäischen Kontext. Hermann Baier, der gleichfalls zur Schäßburger Delegation gehörte, forderte dazu auf, sie nicht als nur einseitiges Geben zu betrachten. Wie Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Siebenbürgerforums, nämlich anhand von Beispielen überzeugend darlegte, nimmt die deutsche Minderheit in Rumänien eine vielfältige Brückenfunktion im wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Bereich wahr. Gleichwohl warb Porr für Verständnis, dass die deutschsprachigen Schulen mittlerweile zu 80 bis 90 Prozent von Andersnationalen besucht werden – ansonsten müssten die traditionsreichen Bildungseinrichtungen geschlossen werden. Auch das Jugendforum sei interkonfessionell und interkulturell, betonte der Klausenburger Arzt.
Für Toleranz und Weitsicht sprach sich auch Dankwart Reissenberger, Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft aus: „Wir dürfen uns nicht stur stellen, sondern Entwicklungen akzeptieren und fördern.“ Für die Errichtung eines Schülerheimes der evangelischen Landeskirche mache sich auch die Elena-Muresanu-Stiftung stark, in deren Vorstand er mitwirkt.
Verständnis und Zustimmung in der Bevölkerung ist auch nach Ansicht von Oberbürgermeister Otto Sparrer unabdingbar. Es sei wesentlich für eine Partnerschaft, dass Gemeinsamkeiten nicht nur auf Führungsebene, sondern auch unter den Bürgern gefunden werden, sagte das Oberhaupt von Dinkelsbühl. Deshalb bedürfe es des Werbens in der Bevölkerung. Die Stadt Dinkelsbühl habe durch die Heimattage Anteil genommen am siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbe, aus Fremden seien Freunde geworden: „Wir sind neugierig geworden auf Ihre frühere Heimat“, sagte Sparrer, der in wenigen Tagen an der Spitze einer Dinkelsbühler Delegation nach Schäßburg reisen sollte.
Beispiele des Zusammenhalts und der praktischen Solidarität lieferte Peter Pastior, Vorsitzender des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen. Die Rahmenbedingungen für die Siebenbürgenhilfe hätten sich nach 1989 deutlich verbessert, die Lebensverhältnisse der Landsleute jedoch dramatisch verschlechtert: „Das Sozialwerk war und ist verstärkt gefragt zu helfen.“ 1992 habe sich das Sozialwerk mit der Saxonia Stiftung ein Standbein in Siebenbürgen geschaffen, in der evangelischen Landeskirche und Siebenbürgenforum paritätisch vertreten sind. Damit konnte eine reibungslose Logistik zur Betreuung der Bedürftigen in Siebenbürgen aufgebaut werden. Das Motto des Heimattages „Zusammenhalt üben – Partnerschaft stiften“ sieht Pastior einerseits „als Aufforderung zur gesellschaftlichen Bewährung an den Orten, wo wir beheimatet sind“, und anderseits als Hinweis darauf, „dass wir mit unseren jahrhundertelangen Erfahrungen des Gemeinsinns und der Toleranz durchaus fähig sein können und wollen, im Sinne des grenzüberschreitenden europäischen Gedankens tätig zu sein“.
Ortwin Bonfert, Altbundesjugendleiter und Beisitzer im Vorstand der SJD, wies auf einige Beispiele hin, wie Partnerschaft geübt werden kann, etwa im Rahmen des BdV mit der Schlesischen Jugend, zwischen den Siebenbürger Sachsen weltweit im Rahmen der Föderation oder zwischen den Generationen.
In seinem Abschlusswort zum Heimattag dankte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr, für die Klarheit und Ruhe in der Diskussion. Er äußerte die Hoffnung, dass die Wunden der Erlebnisgeneration, die von einigen Teilnehmern angesprochen worden waren, endgültig heilen werden – die Heimattage leisteten dazu sicherlich „Gesundungshilfe“. Für den ersten Teil des Mottos, „Zusammenhalt üben“, lieferte der Bundesvorsitzende gleich mehrere Stichworte: Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen über die Siebenbürger Sachsen, gelungene Integration in der neuen Heimat, Partnerschaft mit der Stadt Dinkelsbühl 1985, die gelungene Zusammenarbeit zwischen Landsmannschaft und Heimatortsgemeinschaften und das gemeinsame Wirken zum Erhalt des Kulturzentrums in Gundelsheim. Auch der zweite Teil des Mottos, „Partnerschaft stiften“, bedeute für die deutschen Siedler Siebenbürgens nichts Neues, hätten sie doch schon im Mittelalter europäisches Gedankengut dorthin transportiert und, gelegentlich der Türkeneinfällen, Europa dort geschützt, wo es verwundbar gewesen sei. Auch heute haben die Siebenbürger die Kraft und das Wissen, an der Verflechtung Europas mitzuwirken sowie weiterhin kulturelle, wirtschaftliche und soziale Brücken zu bauen. „Europa ist mitten im Bau, und wir Siebenbürger sind mit dabei. Wir sollten es auch in Zukunft bleiben“, schloss Dürr.

Siegbert Bruss


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 10 vom 20. Juni 2001, Seite 5)

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