14. März 2004

Gerhard Terplan - umweltbewusster Wegbereiter moderner Lebensmittelhygiene

In der Runde der ausgezeichneten siebenbürgisch-sächsischen Naturwissenschaftler unserer Tage ragt er profiliert hervor: der Veterinärmediziner Prof. Dr. Dr. h.c. Gerhard Terplan. Die von ihm aufgebauten Institute in Hannover und München, seine vielseitigen Forschungen, die große Zahl der Studierenden und Doktoranden, die langjährige Lehrtätigkeit haben seinen Ruf in die Welt hinausgetragen - in siebenbürgischen Kreisen aber sind seine Leistungen meist unbekannt geblieben. Das mag sowohl an seiner Zurückhaltung liegen als auch an den schwer zu definierenden Aufgaben, die er sich stellte. Am 16. März 2004 begeht er, der sich gern ins bayerische Voralpenland zurückzieht, seinen 80. Geburtstag.
Das "Lexikon der Siebenbürger Sachsen" (1993) nennt ihn nicht, aber das 1995 erschienene Werk von Hans Meschendörfer "Münchner in Siebenbürgen - Siebenbürger in München" führt ihn als bekannten Wissenschaftler auf. So ist es aufschlussreich, seinem Leben genauer nachzugehen.

Prof. Dr. Gerhard Terplan ist Wegbereiter der modernen Lebensmittelhygiene in Deutschland.
Prof. Dr. Gerhard Terplan ist Wegbereiter der modernen Lebensmittelhygiene in Deutschland
Gerhard Terplan wurde am 16. März 1924 in Mediasch (Siebenbürgen) als Sohn des Gymnasialprofessors Julius Terplan und seiner Frau Gerda, geborene Leutschaft, geboren. Er wuchs in einer großen, weitverzweigten Familie auf, inmitten der alten Stadt und deren schöner Umgebung. Mit dem Jugendbund des südostdeutschen Wandervogel, der nur noch kurze Zeit existierte (nach 1935 aufgelöst wurde), aber auch als Begleiter seines Vaters auf der Jagd lernte er die Heimat gut kennen. Der Wandervogelzeit folgte eine anfänglich begeisterte Mitarbeit in der Jugendbewegung der Volksgruppe. Nach Abschluss des Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums seiner Vaterstadt und dem Bakkalaureat 1942 in Hermannstadt folgte die für seine Generation typische Zeit von Pflicht und Unfreiheit: Völkisches Dienstjahr in Siebenbürgen, Wehrdienst, mit Glück überstandenem Krieg und schließlich englische und amerikanische Gefangenschaft. Rückblickend sagt er: “1946 wurde ich entlassen, tief enttäuscht über die Verführung und den Missbrauch einer Generation, die sinnlos einen hohen Blutzoll leisten musste“. Er beklagt, dass sechs seiner Vetter ersten Grades in diesem Krieg gefallen sind. Sein Weg aus der Gefangenschaft führte ihn nach Bayern, wo er sich als Forst-, Land- und Bauarbeiter durchschlug, bis die Zulassung zum Studium erfolgte.

An der Universität München studierte er von 1948 bis 1952 Tiermedizin, wurde 1953 promoviert. Danach stieg er in die tierärztliche Praxis ein und arbeitete an mehreren Instituten, was ihm zu einer breiten Grundlage für die beabsichtigte wissenschaftliche Laufbahn verhalf. Das waren harte und entbehrungsreiche Jahre, weil neben dem Studium auch Geld zum Leben verdient werden musste.

1963 habilitierte sich Terplan für das Fach Lebensmittelhygiene an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Bereits 1965 wurde er als Professor an die Tierärztliche Hochschule Hannover berufen, wo er den ersten Lehrstuhl für Milchhygiene an einer tierärztlichen Bildungsstätte in Deutschland aufbaute. 1971 berief ihn seine alte Alma Mater nach München zurück, um auch hier einen gleichen Lehrstuhl zu konstituieren. In München, wie vorher in Hannover, gelang es ihm, nach wenigen Jahren ein Institut zu gründen, dessen Forschungsergebnisse auch international Anerkennung fanden und die bis dahin in der Tiermedizin vernachlässigte Milchhygiene zu aktivieren. In Ermangelung eines Nachfolgers führte er sein Institut in München bis in sein siebzigstes Lebensjahr und war danach an einem Untersuchungsinstitut in Kempten sowie bei mehreren Industrieunternehmen beratend tätig. Kürzlich, im Februar dieses Jahres, erhielt er im Rahmen einer akademischen Feierstunde die Erneuerung seiner Promotionsurkunde nach 50 Jahren, die „Goldene Promotion“.

Die Lebensmittelherstellung vom landwirtschaftlichen Betrieb bis zum Endprodukt und der Verbraucherschutz sowie die damit verbundenen Probleme erforderten von Terplan und seinen Mitarbeitern eine breit gefächerte Forschungstätigkeit. Es wurden moderne Verfahren entwickelt, mit denen Schadwirkungen auf Lebensmittel sehr schnell und mit großer Empfindlichkeit festgestellt werden können. Davon seien nur einige genannt: Nachweis und Bewertung gesundheitsschädlicher Mikroorganismen (z.B. Salmonellen, Listerien) und ihrer Stoffwechselprodukte (wie Bakterien- und Schimmelpilzgifte). Einen wichtigen Fortschritt brachten die neu entwickelten enzymimmunologischen Tests zum Nachweis niedermolekularer Rückstände, die über das Futter (Schimmelpilzgifte) oder nach Behandlung der Tiere (Antibiotika) in Lebensmittel tierischen Ursprungs gelangen können. Diese Methoden, die auch bei anderen Lebensmitteln (z.B. Untersuchung von Muscheln auf Algengifte) eingesetzt werden, bieten neue Wege, den Verbraucherschutz zu verbessern. Mehrere dieser Verfahren werden inzwischen eingesetzt und finden im Rahmen amtlicher Untersuchungen sowie in Lebensmittel- und Futtermittelindustrie Anwendung. Mit einigen können bisher erforderliche Tierversuche ersetzt werden. Um der Gefahr zu begegnen, dass selbst hochentwickelte Technologien der Lebensmittelproduktion das Wachstum gesundheitsschädlicher Keime nicht immer ausschließen können, entwickelten Terplan und Mitarbeiter neue Grundlagen für Hygiene-Qualitätssicherungssysteme. Diese dienen sowohl der Wirtschaftlichkeit der Produktion als auch dem Verbraucherschutz.

Forschungsergebnisse und Erfahrungen wurden im Rahmen der Pflichtlehrveranstaltungen den Studierenden der Tiermedizin aus erster Hand vermittelt. Manche Studierende waren unmittelbar in die Forschung einbezogen. Sie konnten ihre Ergebnisse im Rahmen des Instituts in über 250 Doktorarbeiten publizieren. Für den Erfolg des von Terplan geleiteten Instituts mag auch maßgebend gewesen sein, was ein Mitarbeiter anlässlich einer Jubiläumsfeier schrieb: „Besondere Anerkennung und Dank verdienen seine Bescheidenheit und sein großzügiger Führungsstil, der seinen Mitarbeitern stets breiten Raum für ihre fachliche und individuelle Entfaltung gab.“

Die vielschichtigen wissenschaftlichen Aktivitäten Terplans fanden ihren Niederschlag in etwa 290 Publikationen in Fachzeitschriften und Handbüchern. Seine Verdienste erfuhren öffentliche Anerkennung: Die Universität Istanbul verlieh ihm die Ehrendoktorwürde; von der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft wurde er zu ihrem Ehrenmitglied ernannt; vom Bayerischen Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erhielt er für Verdienste um Milchwirtschaft und Verbraucherschutz die Staatsmedaille in Silber; die Bundesanstalt für Milchwirtschaft in Kiel zeichnete ihn aus gleichem Grund mit der Hermann-Weigmann-Medaille aus; der italienische Landwirtschaftsminister übergab ihm den „Premio al Merito Scientifico Lattiero-Caseario ". Besonders zu erwähnen sind zwei Preise, die er und Mitarbeiter für neu entwickelte Verfahren zum Ersatz von Mäusetierversuchen erhielten: 1991 der Felix-Wankel-Tierschutz-Forschungspreis. Wankel, der Erfinder des Drehkolbenmotors, hatte eine Stiftung gegründet, deren Kuratorium Preise an Forscher verleiht, deren Arbeiten dazu beitragen, Versuche mit oder an lebenden Tieren so weit wie möglich entbehrlich zu machen. Terplan und zwei Mitarbeiter ersetzten den an der Maus durchgeführten Nachweis von Listerien durch den am bebrüteten Hühnerei. 1992 wurde an Terplan und seine Mitarbeiter der „Preis für Alternativmethoden zum Tierversuch“ verliehen. Die Fondation internationale pour la substitution de l’experimentation animale in Luxemburg zeichnete damit ein Verfahren aus, das den Nachweis von Algengiften in Muscheln durch einen enzymimmunologischen Test ermöglicht. Die Tierversuche waren nun entbehrlich, sie konnten dadurch ersetzt werden.

Aus internationalen Verbindungen und der Betreuung von Doktoranden in verschiedenen Teilen der Welt ergaben sich Verpflichtungen sowohl zu Kongressen als auch zu mehrwöchiger Unterstützung von Forschungsarbeiten in Afrika, Asien, Nord- und Südamerika und fast allen europäischen Ländern. Terplan wurde in mehrere nationale und internationale Gremien berufen wurde, in denen er auch Vorsitzender war, z.B. Präsident der Gesellschaft für Milchwissenschaft. Auch in der Hochschulpolitik hat er als Dekan und Prodekan der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München mitgewirkt. Lange war er Vorsitzender des Ausschusses für die Tierärztliche Prüfung in Bayern. Inzwischen hat er die aktive wissenschaftliche Tätigkeit beendet und eine schwere lebensbedrohliche Erkrankung glücklich überstanden.

Aus seiner ersten Ehe mit Kunigunde Endres, die 1979 starb, stammen drei Kinder und zwei Enkel. So oft es möglich war, reiste er mit seiner Familie in die alte Heimat, deren Schicksal ihm auch heute sehr am Herzen liegt. Er ist jetzt mit Krista Tittes verheiratet, der Tochter des Mitbegründers der siebenbürgischen Landsmannschaft und des siebenbürgischen Altenheims in Rimsting.

Der Familiensinn, der ihn stets kennzeichnete, tritt immer deutlicher hervor: dokumentierend und forschend verfasst er für seine Nachkommen und Verwandten Erinnerungen an sein ereignisreiches Leben sowie eine Familiengeschichte der in einigen Linien bis in das 16. Jahrhundert nachweisbaren, namhaften siebenbürgischen Geschlechter. Diese Beschäftigung vermittelt ihm neue, bisher unbekannte Einblicke in die wechselvolle Geschichte der Siebenbürger Sachsen wie auch in die Geschicke der eigenen Familie. Episoden von absoluter Gültigkeit mischen sich mit persönlichen Erlebnissen, die durch ihre Unmittelbarkeit besonders ansprechend sind, z.B. die in der Literatur belegte Begegnung aus dem Ersten Weltkrieg, als der Vater Julius Terplan an der Front im November 1916 den Dichter Hans Carossa traf. Carossa war Truppenarzt in einem bayerischen Landsturmregiment; in seinem „Rumänischen Tagebuch“ hat er den Einsatz in Siebenbürgen und in den Ostkarpaten geschildert. Diese Episode hat nichts Weltbewegendes, nichts Großes: sie ist nur ein Mosaikstein, aus dem sich das Bild eines Lebens zusammensetzt. Gerhard Terplan hütet ungezählte solcher Mosaiksteine, Summe eines reichen Lebens, Pretiosen, die nicht verloren gehen sollten.

Dem Achtzigjährigen sage ich Dank für Gespräche und Informationen, für das Rüstzeug zu dieser Laudatio. Ihm, dem Jubilar, ist zu seinem Geburtstag zu gratulieren und das Beste zu wünschen.

Hermann W. Schlandt

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 4 vom 15. März 2004, Seite 7)

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