15. Juni 2001

"Baden-Württemberg steht zu den Siebenbürger Sachsen"

In seiner Ansprache auf der Festkundgebung des Heimattags zu Pfingsten in Dinkelsbühl hat Heribert Rech, damals designierter Staatssekretär im baden-württembergischen Innenministerium und neuer Landesbeauftragter für Vertriebene und Aussiedler, die Siebenbürger Sachsen der tätigen Unterstützung durch das südwestliche Bundesland bei der Bewahrung ihres kulturhistorischen Erbes versichert. Der 51-jährige Jurist Rech, der einer donauschwäbischen Familie aus der Batschka entstammt, sagte unter anderem: „Mit der Landesregierung von Baden-Württemberg wird es eine Verlagerung des Museum in Gundelsheim gegen den Willen der Siebenbürger Sachsen nicht geben.“ Die Rede des CDU-Politikers wird hier in ihrem Wortlaut wiedergegeben.
Ich freue mich, heute in Dinkelsbühl zu Ihnen sprechen zu dürfen. An Ihrem diesjährigen Heimattag eine Ansprache zu halten, ist für mich Kür, nicht Pflicht. Und ich tue dies umso lieber, als Sie mich schon jetzt eingeladen haben. Schon jetzt sage ich deshalb, weil ich erst in einigen Tagen zum Beauftragten des Landes Baden-Württemberg für Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler ernannt werde.
 Heribert Rech auf dem Heimattag: Baden-Württemberg bekennt sich zu der jahrhundertealten Kultur der Siebenbürger Sachsen. Foto: Josef Balazs
Heribert Rech auf dem Heimattag: "Baden-Württemberg bekennt sich zu der jahrhundertealten Kultur der Siebenbürger Sachsen." Foto: Josef Balazs


Ich freue mich sehr auf mein neues Amt. Warum das so ist, wird mir in diesem Augenblick ganz besonders bewusst. Ihre Festversammlung hier vor der Schranne bietet ein unvergleichlich prächtiges Bild.
Ihr diesjähriges Fest steht unter dem Motto „50 Jahre Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl: Zusammenhalt üben – Partnerschaft stiften.“ Das fasst für mich ganz treffend all das zusammen, was Sie, liebe Sachsen, auszeichnet.
50 Jahre Heimattag – das sind auch 50 Jahre unermüdliche Arbeit in Ihrer Landsmannschaft. Sie pflegen die Erinnerung an Ihre alte Heimat und geben damit das reiche geistig-kulturelle Erbe an nachkommende Generationen weiter.
Sie halten die Erinnerung wach an Ihr Schicksal, an die Deportation vieler Deutscher nach dem zweiten Weltkrieg und an die teilweise über Jahre hin erduldeten Diskriminierungen. Hierfür möchte ich Ihnen meine ausdrückliche Anerkennung aussprechen.
Sie erinnern uns aber auch an die besondere Bedeutung für uns Menschen, eine Heimat zu haben, in der wir uns zu Hause fühlen. Die Siebenbürger Sachsen haben eine unerschütterliche Treue zu ihrer Heimat: zu ihrer alten Heimat in Siebenbürgen, die in ihrer Erinnerung und in ihren Herzen nach wie vor lebendig ist, aber auch zu ihrer neuen Heimat hier in Deutschland.
Sie haben sich in fremder Umgebung eine neue Existenz aufgebaut, darüber aber nie vergessen, woher sie kommen. Sie haben zum Aufbau und zum Wohlstand in unserem Land beigetragen und gleichzeitig Ihre Heimat und die dort noch lebenden Landsleute nicht aus den Augen verloren. Sie leben in vorbildlicher Weise vor, was Sie auch in das Motto Ihres Heimattags aufgenommen haben: „Zusammenhalt üben“.
In den letzten Tagen hatte ich Gelegenheit, mir den Bildband ”Siebenbürgen im Flug” anzuschauen. Ich war besonders von den Kirchenburgen tief beeindruckt. Sie sind für mich ein Sinnbild des Überlebenswillens, der Tüchtigkeit und des Fleißes der Deutschen in Siebenbürgen.

Liebe siebenbürgisch-sächsischen Landsleute,
im Motto Ihres Heimattages heißt es aber auch „Partnerschaft stiften“. Sie machen sich damit zum Programm, was gerade in unserer Zeit mehr und mehr in den Vordergrund tritt: das verbindende Element gemeinsamen kulturellen Bewusstseins in Europa. Dieses Bewusstsein pflegen die Siebenbürger Sachsen in unserem Land in vorbildlicher Weise. Sie verkörpern wie die anderen deutschen Heimatvertriebenen das Verbindende der europäischen Kulturen. Sie sind unverzichtbare Vermittler in unserem Dialog mit den Völkern Ost-, Mittel- und Südosteuropas.
Nach langen Jahren des ”kalten Krieges” ist die Teilung Europas endlich überwunden. Grenzüberschreitend können neue Wege beschritten werden. Gerade die Siebenbürger Sachsen als echte Europäer aus der Mitte Europas haben sich stets für eine positive Vision eines freien und geeinten Europas eingesetzt und spielen deshalb bei diesem Prozess eine gewichtige Rolle. Mit Ihren Erfahrungen sind Sie für das Zusammenwachsen Europas von unschätzbarem Wert.
Baden-Württemberg bekennt sich ebenso wie Bayern mit Ihnen zu der jahrhundertealten Kultur der Siebenbürger Sachsen. Die Hingabe, mit der Sie Ihre Kultur pflegen, ist das tägliche Brot der Erinnerung. Gleichgültigkeit dagegen ist der innere Tod. In einer Zeit, in der die Gleichgültigkeit zu einem unbesiegbaren Riesen der Welt zu werden scheint, sind Feste wie das heutige unverzichtbar.
Damit das so bleibt, ist ein breiteres Wissen in unserer Bevölkerung über die Geschichte unserer Landsmannschaften wichtig. Nur so werden die Menschen Ihre Anliegen verstehen. Ich erwarte deshalb von einer Bundesregierung, dass sie den Stellenwert ostdeutscher Kulturpflege stärkt anstatt diese zu schwächen.
Leider sieht es zurzeit anders aus. Sie kennen die Pläne des Bundes in Bezug auf die Einrichtungen in Gundelsheim. Aber, liebe Landsleute, mit der Landesregierung von Baden-Württemberg wird es eine Verlagerung des Museums in Gundelsheim gegen den Willen der Siebenbürger Sachsen nicht geben. Was über Jahre zu einem kulturellen Zentrum für eine über 800 Jahre alte Volksgruppe gewachsen ist, darf nicht zerschlagen werden.
Wer diese und die anderen Pläne betrachtet, muss zu dem Schluss kommen, dass die rot-grüne Bundesregierung für die Kulturarbeit der Vertriebenen und deren Bedeutung nicht das wünschenswerte Verständnis aufbringt.
Ungeachtet dessen wird das Land Baden-Württemberg seinen Weg in der Kulturförderung weitergehen. So stehen für dieses Jahr wieder fast zwei Millionen Mark für die Förderung des Kulturbereichs zur Verfügung. Wir liegen damit zusammen mit Bayern an der Spitze der Länder. Seit der Erhöhung der institutionellen Förderung 1997 erhält z.B. der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat e.V. jährlich 112 500 DM vom Land Baden-Württemberg!
Für Baden-Württemberg ist der Fortbestand des deutschen Kulturgutes auch in den Heimatgebieten der Vertriebenen eine wichtige Aufgabe. Die Landesregierung wird die Landsmannschaften auch weiterhin bei dieser Arbeit unterstützen.

Liebe siebenbürgisch-sächsischen Landsleute,
Sie sind aufgerufen, weiterhin Ihr kulturelles Erbe zu pflegen, Ihre Erfahrungen weiterzugeben und Brücken zu schlagen zwischen Alt und Jung, zwischen uns Deutschen und unseren Nachbarn. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag für ein Europa als Friedensgemeinschaft, als christliche Wertegemeinschaft.
Dafür arbeiten Sie, dafür arbeiten wir gemeinsam.
Ich wünsche Ihnen allen viel Freude und gutes Gelingen Ihres Heimattages. Mögen Sie sich Ihren Optimismus und Ihre Schaffenskraft bewahren.
(Siebenbürgische Zeitung, Folge 10 vom 20. Juni 2001, Seite 4)

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