20. März 2004

Vereinsgründung in München vor 106 Jahren

Seide, in den Maßen 53 x 60 cm, mehrfarbig, doppelseitig bestickt. Der Stoff, an dem sich die Phantasie entzündet, trägt die Umschrift "Verein Siebenbürger Sachsen München 1913". Die historische Fahne des ersten Vereins von Siebenbürger Sachsen in München, heute in einer Vitrine im Foyer der Begegnungs- und Betreuungsstätte in München aufbewahrt, erfährt in diesen Tagen besondere Beachtung.
Der 26. Juni 1949 ist das offizielle Gründungsdatum der "Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V." (bis zum 15. Mai 1951 "Verband der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben in Deutschland"), mit Sitz in München. Ebenfalls in München, jedoch gut ein halbes Jahrhundert zuvor, wurde der "Verein der Siebenbürger Sachsen" gegründet. Einer der Gründerväter war Franz Eduard Göllner (1857-1924), der, 1898 mit seiner Gattin und sechs Kindern aus Hermannstadt kommend, in der bayerischen Landesmetropole den "Verein der Siebenbürger Sachsen in München" ins Leben rief.



Historisches Erinnerungsstück: die Fahne des Vereins der Siebenbürger Sachsen in München, aus dem Jahr 1913, als Leihgabe von Dr. Wilhelm Bruckner im Foyer der Münchner Begegnungs- und Betreuungsstätte aufbewahrt. Foto: Christian Schoger.
Historisches Erinnerungsstück: die Fahne des "Vereins der Siebenbürger Sachsen in München", aus dem Jahr 1913, als Leihgabe von Dr. Wilhelm Bruckner im Foyer der Münchner Begegnungs- und Betreuungsstätte aufbewahrt. Foto: Christian Schoger.


Wer waren die Mitbegründer? Besaßen die Mitglieder ein Vereinsheim, ein Stammlokal? Was war Sinn und Zweck dieses Vereins, bis wann existierte er? - Man darf annehmen, dass sich, verstärkt seit der Jahrhundertwende, Landsleute vor allem der beruflichen Weiterbildung wegen vorübergehend in München aufhielten und für diese Zeitspanne eine Interessengemeinschaft bildeten. Nach absolvierter Ausbildung kehrte wohl die Mehrzahl wieder nach Siebenbürgen zurück - so auch Franz Eduard Göllner, der anno 1910 wieder nach Hermannstadt ging und dort "als Baumeister bei der Siebenbürgischen Vereinsbank" (handschriftlicher Eintrag von Göllner im Familienbuch) tätig war.

Heute Standort der Begegnungs- und Betreuungsstätte der Landsmannschaft, war München also schon vor 106 Jahren ein bevorzugter Sammelplatz für Siebenbürger Sachsen. Außer der Vereinsfahne existieren, als Familienerbstück in Privatbesitz, weitere Überreste aus jener gleichsam enteilten Zeit, Relikte, die sich mit Händen greifen lassen: zwei Ehrenzeichen am Bande (rund eingefasste siebenbürgische Wappen mit der Umschrift "Verein der Siebenbürger Sachsen München", hufeisenförmig umkränzt).


Ehrenzeichen am Bande. Foto: Schoger.
Ehrenzeichen am Bande. Foto: Schoger.

Erhalten geblieben ist auch eine Postkarte, bedruckt mit 26 Namen (Vorstand bzw. Vereinsmitglieder), mit Konterfei und gegebenenfalls Funktion, und versehen mit der Widmung: "Zur Erinnerung an das 12. Stiftungsfest - 1910". Demnach datiert die Vereinsgründung aus dem Jahr 1898/99. Namentlich angeführt sind: Hans Remner, Mart. Tausch, Georg Hienz, Josef Tawasy, Michael Ehrmann, Hugo Schlezak, Simon Thut, Karl Wermescher, Josef Brenner, Josef Schneider, Victor Schobel, Peter Preidel, Adolf Pelger, Josef Rust, Mich. Zimmer, Richard Weber, Karl Schibschied, Eduard Schuller, Karl Zink, Arthur Klein, Joh. Erh. Wächter, Ida Göllner, Anna Lange, Franz Kolba, Anna Zink und Frieda Göllner.



Historische Postkarte dokumentiert die Vereinsmitglieder. Foto: Privat.
Historische Postkarte dokumentiert die Vereinsmitglieder. Foto: Privat.


Nach Hans Meschendörfer übergab das letzte überlebende Vereinsmitglied dann der Landsmannschaft aus Anlass ihrer Gründung die aus dem Jahr 1913 stammende Vereinsfahne. (Hans Meschendörfer, Münchner in Siebenbürgen - Siebenbürger in München, München 1995, Seite 28) Der Sachverhalt lässt sich noch konkreter fassen. Denn wie Dr. Wilhelm Bruckner, Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, gegenüber dieser Zeitung erklärte, war er es, der 1949/1950, seinerzeit in der Funktion des stellvertretenden Bundesvorsitzenden, die besagte Fahne als Leihgabe der Landsmannschaft überreichte. Bruckner wiederum hatte dieselbe von seinem Großonkel Johann Wächter, einem ehemaligen Mitglied des Münchner Vereins, erhalten, gewissermaßen als Vermächtnis. Zu jenem Zeitpunkt existierte der "Verein der Siebenbürger Sachsen in München" schon längst nicht mehr, so Dr. Bruckner.

Ende September vergangenen Jahres wandte sich Bernd Teichmann (Wolfsburg) an die Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung. Im Zuge seiner privat betriebenen Ahnenforschung war Teichmann bei seinen Schwiegereltern auf die erwähnte Postkarte gestoßen. Der aus Sächsisch Regen stammende Franz Eduard Göllner war der Großvater seines Schwiegervaters Alexander Balogh (1912 in Hermannstadt geboren). Auf dieser Karte finden sich im Übrigen die Namen der Göllner-Töchter Ida und Frieda. Diese waren noch etliche Jahre in München geblieben, ehe sie ihrem Vater nach Hermannstadt folgten. Vergangenes Jahr hob der heute 91-jährige Alexander Balogh unvermittelt an, seine Erinnerungen an jene fernen Tage im Familienkreis mitzuteilen. Spät, aber doch noch zeitig genug, um Tochter Helga und Schwiegersohn Bernd mit dem inzwischen um sich greifenden "Bazillus Ahnenforscheriensis" zu infizieren. Da also wandte sich der Wolfsburger an die Redaktion mit der Frage nach dem Aufbewahrungsort der Vereinsfahne aus dem Jahr 1913. Anfang diesen Jahres schließlich nutzte das Ehepaar Teichmann eine Stippvisite in München zu einem Besuch der Begegnungs- und Betreuungsstätte, und konnte dort im Foyer das bemerkenswerte Erinnerungsstück in Augenschein nehmen. Und der Wissensdurst ist keineswegs gestillt. Wer im Zusammenhang mit dem "Verein der Siebenbürger Sachsen in München" über weitergehende Kenntnisse und Dokumente verfügt, sollte Kontakt aufnehmen mit Bernd Teichmann, Kurt-Fischer-Straße 2, 38442 Wolfsburg, Telefon: (0 53 62) 6 45 35.

Christian Schoger


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