29. März 2004

Sorge um Kultureinrichtungen in Gundelsheim

Wie setzen wir unsere verfügbaren Mittel ein, um unser Kulturzemntrum in Gundelsheim, die sozialen Einrichtungen oder die kulturelle Breitenarbeit der Landsmannschaft zu sichern? Diese Grundsatzfrage stellte der Bundesvorsitzende Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr an den Anfang der Bundesvorstandssitzung, die am 13. März in der landsmannschaftlichen Begegnungsstätte in München stattfand. Die Mitglieder des Bundesvorstandes zeigten sich besorgt über die finanzielle Notlage in Gundelsheim, aber auch über den großen Widerstand des Freistaates Bayern gegen die Aufnahme deutscher Aussiedler.
An der Tagung beteiligten sich Bundesvorstandsmitglieder, die Ehrenvorsitzenden Dr. Wilhelm Bruckner und Dr. Wolfgang Bonfert, der Vorsitzende des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, Pfarrer i.R. Kurt Franchy, und der Vorsitzende des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften, Michael Konnerth. Aus Siebenbürgen waren die ständigen Vertreter der Heimatkirche, Dechant Klaus Daniel (Wolkendorf), und des Siebenbürgenforums, Daniel Thellman (Mediasch), angereist.

Der Bundesvorstand tagte am 13. März in der landsmannschaftlichen Begegnungsstätte in München. Foto: Siegbert Bruss
Der Bundesvorstand tagte am 13. März in der landsmannschaftlichen Begegnungsstätte in München. Foto: Siegbert Bruss

Dürr berichtete eingangs über die aktuelle Lage des Verbandes, die Gespräche mit Patenministerin Birgit Fischer in Düsseldorf und wies auf den für den 1. April geplanten Besuch von Bundespräsident Johannes Rau in Drabenderhöhe hin. Es sei wichtig, die Kommunikation im Rahmen der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen aufrecht zu erhalten, trotz finanzieller Engpässe in einigen Mitgliederorganisationen, die nicht immer Vertreter zu den Veranstaltungen auf Föderationsebene entsenden könnten. Die Jugendarbeit in Siebenbürgen werde mit beachtlichen Mitteln über das Bundesinnenministerium gefördert. Deshalb regte Dürr an, dass diese Mittel seitens des Siebenbürgenforums u.a. für den Jugendaustausch auch für die Entlastung der Föderationsmitglieder eingesetzt werden.

Der Bundesvorsitzende sprach sich desgleichen für eine bessere Abstimmung im Rahmen der Föderation und des Kulturrates aus, wenn Initiativen an bundesdeutsche Politiker gestartet werden. Eine Abstimmung sei auch bei Terminen erforderlich, damit beispielsweise das Hermannstädter Begegnungsfest am Huetplatz nicht immer zeitlich mit dem Heimattag in Dinkelsbühl organisiert werde.

Siebenbürgen-Institut existenziell bedroht

Die Bundesvorstandsmitglieder zeigten sich besorgt über die finanzielle Notlage des Siebenbürgen-Instituts und der Siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim am Neckar. Der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat könne mit einer Förderung in der bisherigen Größenordnung nicht mehr rechnen, sagte Volker Dürr. Nordrhein-Westfalen, das Patenland der Landsmannschaft, beabsichtigt, die institutionelle Förderung für den Kulturrat im Jahr 2005 gänzlich einzustellen. Dadurch sind das Siebenbürgische Archiv und die Bibliothek in ihrer Existenz gefährdet. „Eine Schließung würde irreparable Schäden für diese wichtige Kultureinrichtung nach sich ziehen“, stellte Dr. Günther Tontsch, Beisitzer des Bundesvorstandes, in einem Antrag fest, der von den Mitgliedern des Gremiums einstimmig angenommen wurde. Der Beschluss sieht vor, dass Beiträge mit Spendenaufrufen für das Institut und die Bibliothek in Gundelsheim in der Siebenbürgischen Zeitung veröffentlicht werden dürfen. Damit erhofft man sich ein stärkeres Engagement der Siebenbürger Sachsen für den Erhalt der Einrichtungen in Gundelsheim. Der neue Beschluss des Bundesvorstands ergänzt eine frühere Bestimmung von 1997 dahingehend, dass neben dem Sozialwerk auch für Gundelsheim geworben werden darf.

Auf die dramatische Situation in Gundelsheim wies auch Alfred Mrass, Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg, hin. Arbeitskräfte des Instituts und der Bibliothek müssten entlassen werden. Von einem „Ausbluten des Siebenbürgen-Instituts“ sprach Hannes Schuster, Beisitzer des Bundesvorstands.

Das Siebenbürgische Museum sei hingegen "in Existenz und Bestand gesichert", konnte der Bundesvorsitzende mit Genugtuung vermelden. Der Bund habe die institutionelle Förderung auf etwas mehr als die Hälfte zurückgefahren. 80 000 Euro habe die Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM) für den Umbau des Alten Rathauses in Aussicht gestellt. Auf einer Pressekonferenz am 29. März in Gundelsheim wollen die Verantwortlichen auf diese Problematik aufmerksam machen.

Die stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter regte an, dass künftig mehr Kinder und Jugendliche die kulturellen Einrichtungen in Gundelsheim kennen lernen, dort übernachten, mit Zeitzeugen sprechen und überhaupt einen hautnahen Einblick in die siebenbürgisch-sächsische Kultur erhalten sollten. Dazu wolle man entsprechende Jugendprojekte ins Leben rufen.

Über den wachsenden Zuspruch, den die Veranstaltungen der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) erfahren, berichtete Rainer Lehni, stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft und SJD-Bundesjugendleiter. Die SJD umfasse 58 bundesweite Gruppen, zwei Drittel davon im süddeutschen Raum. Auch für dieses Jahr seien vielseitige und attraktive Termine für die jungen Leute geplant.

Erheblicher Widerstand gegen die Aussiedleraufnahme


Über die Rechtslage bei der Aussiedleraufnahme berichtete der zuständige Bundesrechtsreferent Dr. Johann Schmidt. Besorgnis erregend sei die Situation in Bayern. Leider gebe es in Ansbach in der Berufungsinstanz einen neuen Senat, der regelmäßig erstinstanzliche positive Urteile zu Lasten der Antragsteller korrigiere. Nachdem ein ebenfalls für solche Fälle zuständiger Senat in München im wesentlichen die erstinstanzlichen Urteile zugunsten der Antragsteller/Kläger bestätige (siehe bisherige Veröffentlichungen in dieser Zeitung), erscheine es ungerecht, dass gewissermaßen nach der Methode des „russischen Roulettes“ der Ausgang der Fälle davon abhängig sei, ob die Verfahren in Ansbach oder in München landen – im Übrigen unabhängig von dem Wohnsitz der Kläger bzw. dem Sitz der Behörde, betonte Schmidt. Nachdem andererseits das Ministerium schriftlich darauf hingewiesen hat, dass es bestrebt sei, eine einheitliche Rechtsprechung zu erhalten (gemeint ist, die erstinstanzlichen positiven Urteile korrigieren zu lassen), wäre es erstrebenswert, Näheres zu der Schaffung des Senates in Ansbach bzw. der Zuteilung der Fälle an ihn zu erfahren und auf die dargestellte Diskrepanz in der Entscheidungspraxis der Senate hinzuweisen. Angesichts der restriktiven Aufnahmepraxis für deutsche Aussiedler betonte der Bundesvorsitzende Volker Dürr: „Familienschicksale geraten unter die Räder!“ Der Bundesvorstand beschloss, den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in einem Brief darüber zu informieren und das Schreiben auch dem Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Jochen Welt, und Bundesinnenminister Otto Schily zukommen zu lassen.

Verfassungsklage gegen Rentenkürzungen

Über aktuelle Entwicklungen der "Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen" berichtete Bundesrechtsreferent Ernst Bruckner. Im Dezember 2003 hatten Gespräche des Bundesvorsitzenden Volker Dürr und der Vertreter des siebenbürgischen Anwaltspools mit dem bekannten Sozialrechtler Professor Dr. Ulrich Becker in München stattgefunden. Beckers Gutachten sei mittlerweile beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht worden, sagte Rechtsanwalt Bruckner. Damit verfügen die Siebenbürger Sachsen über zwei Gutachten und eine positive Vorlage des Bundessozialgerichts. Das Bundesverfassungsgericht plane zwar die Verfassungsklage gegen Fremdrentenkürzungen noch in diesem Jahr zu erörtern, ob es tatsächlich dazu kommen werde, sei jedoch angesichts der Überlastung dieser höchsten Gerichtsinstanz Deutschlands ungewiss.

Der Heimattag der Siebenbürger Sachsen 2004 in Dinkelsbühl steht unter dem Motto Heimat suchen – Heimat finden. Das umfassende Leitwort wird den beiden historischen Ereignissen gerecht, die im Mittelpunkt des Pfingsttreffens stehen werden: 60 Jahre seit Evakuierung und Flucht der Sachsen aus Nordsiebenbürgen und einigen südsiebenbürgsischen Ortschaften des Kokelgebietes sowie 270 Jahre seit der Zwangsevakuierung der Landler nach Siebenbürgen.

Lob für den Internetauftritt


BundesgeschäftsführerErhard Graeff trug die Haushaltsübersicht 2003 vor, die mit Lob zur Kenntnis genommen wurde. Die Bundesgeschäftsführung wurde einstimmig entlastet und der Haushaltsplan 2004 beschlossen. Der Bundesvorsitzende Volker Dürr äußerte seine Genugtuung darüber, dass es gelungen sei, die Heimatortsgemeinschaften in eine finanzielle Mintverantwortung für die Siebenbürgische Zeitung einzubinden. Allerdings sollten dadurch kleine, nicht organisierte Heimatortsgemeinschaften nicht im Stich gelassen werden. „Sie sollen ebenfalls eine Plattform in dieser Zeitung finden. Wir sind offen für eventuelle Änderungsvorschläge“, erklärte Dürr. Die Zufriedenheit der Mitglieder der Landsmannschaft sei dabei besonders wichtig, sagten mehrere Redner.

Lob gab es auch für den Internetauftritt von SiebenbuergeR.de. Die Arbeitsleistung sei „phantastisch, die Früchte beachtlich“, und zwar nicht nur im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch bezüglich der Mitgliederwerbung: 102 neue Mitglieder wurden durch Anfragen und
Probeexemplare der Siebenbürgischen Zeitung im Internet gewonnen. Internetreferent Robert Sonnleitner rief die Bundesvorstandsmitglieder auf, entsprechende Mittel für dieses „Zukunftsmedium“ zur Verfügung zu stellen. Hannes Schuster, Beisitzer im Bundesvorstand, erklärte sich bereit, in Sachen Internet beratend mitzuwirken.

Die beim Verbandstag 2003 in Mannheim beschlossenen Satzungsänderungen werden in Kürze dem Registergericht München vorgelegt. Aus den Berichten der Landesvorsitzenden ging hervor, dass schon ein Großteil der Kreisgruppen die steuerliche Selbstständigkeit und Gemeinnützigkeit erlangt haben.

Des Weiteren hat das Finanzamt München die siebenbürgische Landsmannschaft aufgefordert, ihre Satzung zu aktualisieren. Entsprechende Änderungsvorschläge sollen nun von einem Ausschuss erarbeitet werden, in dem die Juristen Rolf-Dieter Happe und Heinz Götsch sowie Alfred Mrass und Erhard Graeff mitwirken. Graeff wurde aufgrund einer Satzungsänderung, die beim Verbandstag 2003 in Mannheim beschlossen worden war, auf Vorschlag des Bundesvorsitzenden zum Schriftführer des Bundesvorstandes gewählt. Er erstellt die Protokolle der Bundesvorstandssitzungen und zeichnet sie gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden und je einem der anwesenden Landesvorsitzenden.

Dem Zentrum gegen Vertreibungen, das in Berlin entstehen soll, steht die siebenbürgische Landsmannschaft positiv gegenüber. Der Bundesvorstand beschloss, das Zentrum angemessen finanziell zu unterstützen.

Nach einem Vortrag von Jörg Bertz, Leiter für Geschäftsbeziehungen Verbandsgruppenversicherung, über die Hamburg-Mannheimer Versicherungs AG wurde vereinbart, dass die Versicherungsgesellschaft künftig den siebenbürgischen Kreisgruppenvorsitzenden vorab Bescheid gibt, wenn die Versicherungsvertreter im jeweiligen Einzugsbereich aktiv werden. Seit Juli 1977 besteht der Gruppenvertrag für Sterbegeld- und Unfallversicherung der siebenbürgischen Landsmannschaft und der Hamburg-Mannheimer. Überschüsse daraus kommen der sozialen und kulturellen Arbeit der Landsmannschaft zugute.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2004, Seite 8)

Fotoalbum von der Bundesvorstandssitzung der Landsmannschaft am 13. März 2004

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